Das Festival of Light ist zu Ende. Und doch wird der Friedrichstadt-Palast an der Friedrichstraße in Berlin-Mitte am heutigen 16. Oktober in roten Farben erstrahlen. Aus Protest und Zorn wegen der drastischen Sparpläne, die Senat in der Berliner Kulturszene umsetzen will. Viele Theater und Museen drohen herbe Einbußen. Auch die größte Revue-Bühne Europas könnte es treffen. Wie hart? Intendant Berndt Schmidt (60) rechnet jetzt im KURIER ab.
Die Berliner Kulturszene warnt am heutigen Mittwoch mit einem Aktionstag vor drohenden Kürzungen im Haushalt und den dramatischen Folgen. Es sollen Vorstellungen unterbrochen und vor öffentlichen Bibliotheken leere Regale aufgestellt werden. Und die Fassade des Friedrichstadt-Palastes zeigt sich im satten Rot.
Dabei gibt es für den Chef des Hauses auf dem ersten Blick keinen Grund zur Klage. Die große Show „Falling in Love“, die 14 Millionen Euro kostete, läuft mit großem Erfolg. Und die nächste Mega-Produktion steckt schon in den Vorbereitungen, die nächstes Jahr Premiere feiern soll. Also, warum sieht der Friedrichstadt-Palast rot?
„Rot ist eine Warn- und Signalfarbe. Es brennt“, sagt Schmidt. „Hintergrund der Aktion sind die Raum stehenden Kürzungen von um die zehn Prozent des Kulturetats. Da der Kulturetat rund 1,2 Milliarden Euro beträgt, geht es wohl um 120 Millionen Euro, die gestrichen werden sollen.“
Insgesamt will der rot-schwarze Senat 2025 drei Milliarden Euro und 2026 fünf Milliarden Euro einsparen. Beschlossen ist das noch nicht. Aber: In einer E-Mail des Kultursenators Joe Chialo (CDU) an alle geförderten Kultureinrichtungen stand, „dass Kürzungen von zehn Prozent ab 2025 im Raum stehen“, erklärt der Friedrichstadt-Palast-Intendant.

„Wer hören wollte, konnte die ersten Signale schon seit vergangenem Jahr aus fast allen Äußerungen des Finanzsenators Stefan Evers entnehmen“, sagt Schmidt. „Auch Kultursenator Joe Chialo hat schon in einem seiner ersten Interviews gesagt, dass in der Kultur wohl nichts so bleiben könne, wie es ist. Damals wurde er für seine Äußerung noch von mancher Seite gescholten, aber er scheint recht gehabt zu haben.“
Was das für den Friedrichstadt-Palast ganz konkret bedeutet? Schließlich kann das Haus nicht allein die berühmten glanzvollen Produktionen aus den eigenen Einnahmen stemmen, die Millionen kosten und Menschen aus aller Welt nach Berlin locken. Auch der Friedrichstadt-Palast ist von der staatlichen Förderung abhängig, wenn dort weiterhin große Revuen für Erwachsene und Kinder laufen sollen.
Senats-Sparhammer: Er kann auch den Friedrichstadt-Palast treffen
„Der Palast erhält 16,7 Millionen Euro Zuwendungen“, sagt Intendant Schmidt. „Zehn Prozent entsprächen 1,67 Millionen Euro und manche reden davon, dass dies für 2025 und 2026 sein soll. Dann wären es 3,3 Millionen Euro. Einen Teil könnten wir sicherlich stemmen, aber ich habe keine Ahnung, wie wir ohne Schaden drei Millionen Euro einsparen sollten.“

Die Folgen wären schon jetzt absehbar, vor allem, weil die Sparmaßnahmen des Senats recht kurzfristig angekündigt wurden und noch vor Jahresende beschlossen werden sollen. „In der freien Wirtschaft wäre es nicht sehr professionell, wenn einem Konzernunternehmen vier Wochen vor Jahresende gesagt würde, dass es in 30 Tagen zehn Prozent weniger ausgeben kann“, sagt Schmidt.
Und weiter: „Effiziente und wirksame Sparprogramme brauchen entsprechende Vorläufe. Die Spielzeit 2024/25 ist doch von den meisten Theatern bis 31. Juli 2025 schon komplett durchgeplant. Da jetzt reinzuknallen, kostet am Ende bei vielen wohl mehr als es einspart.“
Senats-Sparhammer: SO würde er den Friedrichstadt-Palast treffen
Und beim Friedrichstadt-Palast? „Wenn wir am Palast über unsere Kräfte sparen müssten, würden wir wahrscheinlich an der Qualität unserer Young Shows für Kinder ab 5 Jahren sparen müssen. Das wäre total ungerecht, zum zweiten Mal nach der Pandemie, unter der Kinder auch schon ungebührlich und über Gebühr leiden mussten“, sagt Schmidt.
Einen Ausweg sehe Schmidt nicht, wenn der Senat mit seinem Sparhammer auf die Berliner Kultur einschlägt. „Wir müssen 80 Prozent unserer Kosten selbst erwirtschaften, da darf ich nicht an dem sparen, wo wir 95 Prozent unseres Umsatzes machen: der Grand Show“, sagt er.
Dabei ist für den Friedrichstadt-Palast-Intendanten auch klar: „Berlin steckt in einer Haushaltskrise, da kann es keine Extrawurst für die Kultur geben“, sagt er. „Alle müssen ran, auch Kultur. Aber bitte, liebe Politik, mit Augenmaß und Sachverstand. Sonst sind die Folgekosten womöglich höher als die Sparerträge, bis hin zu Insolvenzen und Kulturverarmung. Das könnte doch nicht im Sinne einer smarten Berlinpolitik sein, die ich CDU und SPD aufrichtig unterstellen möchte.“

Hofft der Palast-Intendant, dass der Kultursenator einlenkt? „Ich denke, er nimmt eine kämpferische Rolle für die Kultur ein. In einer Telefonschalte am 13. Oktober mit allen Kultureinrichtungen hat er geäußert, dass er sehr darum kämpfen wolle, dass der Sparbeitrag deutlich gesenkt würde“, sagt Schmidt. „Außerdem hat er versichert, dass er um den enormen Stellenwert der Kultur für Berlin wisse.“
Doch ob sich Kultursenator Joe Chialo bei seinem Parteikollegen, dem Finanzsenator Stefan Evers (CDU), durchsetzen kann? Sicher ist da keiner aus der Berliner Kulturszene. Um mögliches Unheil abzuwenden, zeigt sich der Friedrichstadt-Palast im warnenden Rot. ■