Heute werden die Inszenierungen der Friedrichstadt-Palastes wieder weltweit gefeiert, nach der Wende, in den Jahren 1990/91, aber sah es so aus, als könne die glorreiche Geschichte des Kulturtempels zu Ende gehen. Die westliche Kulturpolitik fremdelte mit allem, was aus dem Osten kam – und die Zuschauer aus dem Osten blieben weg, weil sie den Westen entdecken wollten. Und genau hier setzt der Quotenhit „Der Palast“mit seiner zweiten Staffel ein, die ab heute im ZDF gezeigt wird. Die neuen Folgen beginnen im Berlin von 1990. Junge Tanztalente erobern die Bühne. Doch der Mauerfall läutet für das Revuetheater erst einmal eine Krise ein.
Kurz nach Jahresbeginn zeigt das ZDF gern Hochglanzserien. Dieses Mal darf sich das Publikum auf die Fortsetzung von „Der Palast“ freuen. Die erste Staffel des Mehrteilers um das Berliner Revuetheater Friedrichstadt-Palast lockte vor zwei Jahren mehr als sechs Millionen Zuschauer vor die Mattscheibe. Jetzt geht es mit der Umbruchzeit nach 1990 weiter. Der Auftakt der neuen Folgen ist am 6. Januar um 20.15 Uhr im Zweiten. Regie führte erneut Uli Edel („Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“).
Der Westen will den Friedrichstadtpalast plattmachen
Für den legendären Revue-Palast markiert der Mauerfall den Beginn einer neuen Ära. Im wiedervereinten Berlin betritt eine neue Generation ambitionierter junger Tanztalente die Bretter, die die Welt bedeuten: Luise, Lukas und Karla (Lary Müller, Lukas Brandl und Taynara Silva-Wolf) schaffen es unter der strengen Leitung der Ballettdirektorin Regina Feldmann ins Ensemble. Sie fühlen sich ihrem Traum so nah wie nie, doch ahnen die Neuen noch nichts von der drohenden Schließung des Hauses.
Auf seiner Internetseite erinnert sich der Friedrichstadt-Palast an die schwierige Zeit vor 35 Jahren: „Das Ensemble spielt allabendlich gegen die Abwicklung an und zunehmend wird auch die Öffentlichkeit aufmerksam, denn: Der seit 1991 Gesamtberliner Senat kann weder die Schließung durchsetzen, noch einen geeigneten Investor finden“, heißt es dort.
Der Senat setzt Julian Herrey als Intendanten ein, der das Haus internationaler machen und eine Privatisierung ohne öffentliche Mittel vorbereiten soll. „Die Revue JazzLeggs wird die erste und letzte große Produktion dieser Übergangszeit, mit enormem Aufwand inszeniert, erreichen die Bildwelten das Publikum nicht. Ensemble und Intendant trennen zum Schluss tiefe Gräben – der Senat muss erkennen, dass seine Pläne in die Sackgasse führen.“
Die sechsteilige ZDF-Serie setzt die trübe Zeit mit Schwung um. Die Mauer ist gefallen, und für einen kurzen Moment wird die ehemals geteilte Stadt zwar zu einem Ort der unbegrenzten Möglichkeiten. Doch im Palast, dem berühmten Revue-Theater im Osten, tanzt das Ensemble vor halbleeren Zuschauerreihen. Couragiert versucht die Ballettdirektorin, die legendäre „Kickline“ wieder aufzustellen und gleichzeitig den Plänen des westdeutschen Intendanten (der hier Gerd Kolberg heißt) zu trotzen, der aus dem Palast ein Casino machen will.

Jeanette Hain („Babylon Berlin“) ist erneut als Regina Feldmann zu sehen – ihre Rolle erforderte enormes Training. „Wie schon in der ersten Staffel hatte ich das große Glück, weiter von Alexandra Georgieva, der Ballettdirektorin des Friedrichstadtpalastes, lernen zu dürfen“, so Hain in einem ZDF-Interview. „Alexandra verkörpert für mich den Herzschlag dieses einzigartigen Hauses. Sie ist ein Feuerwerk an Kreativität, Kraft und Ausdauer. Du spürst im Umgang mit allen Abteilungen des Hauses ihre große Sensibilität und Menschlichkeit, ihren Humor und ihre Beharrlichkeit.“
Heute Abend ab 20.15 Uhr: Drei Tage, sechs Teile „Der Palast“
Die echte Ballettdirektorin war für die Schauspielerin Hain „eine unerschöpfliche Inspirationsquelle, als Mensch und Schauspielerin“, wie sie sagt. „Ich durfte sie des Öfteren im Training mit ihrem Ensemble erleben, und wir haben alle Szenen im Drehbuch, die mit Tanz zu tun haben, besprochen, durchgestellt und geprobt. Ich habe auch selbst etwas Ballettunterricht genommen, um gewisse Bewegungsabläufe im eigenen Körper zu spüren.“
In der realen Welt dauert es noch bis September 1993, ehe der Friedrichstadt-Palast gerettet war. Kultursenator Ulrich Roloff-Momin setzt auf Ost-Expertise und ernennt den früheren Dramaturgen Alexander „Sascha“ Iljinskij (Sohn eines sowjetischen Offiziers und einer deutschen Bildhauerin) zum neuen Intendanten. Der verschafft dem Haus ein kaum noch vermutetes künstlerisches Comeback und legt damit den Grundstein für die landeseigene GmbH, in die das Theater 1995 überführt wird.
