Bußgeldbescheide im Parteien-Wahlkampf sind ein heikles Thema. Eigentlich muss abkassiert werden, wenn Wahlplakate zu früh auf- oder zu spät abgehängt werden. Zuständig dafür sind die Berliner Bezirke. Aber nur zwei haben es bislang geschafft, ordentlich aufzulisten, welche Partei wann und wo die meisten Bußgelder kassiert hat. In einem Bezirk sind es die Grünen. Und das ist eigentlich kaum verständlich.
Wie viele Bußgeldbescheide im Zusammenhang mit dem Parteienwahlkampf aufgelaufen sind, wollte die SPD-Abgeordnete Sevim Aydin in Erfahrung bringen. In ihrer schriftlichen Anfrage an das Berliner Abgeordnetenhaus wollte sie wissen: „Welche Bußgelder werden jeweils in den Berliner Bezirken für falsch und zu früh aufgehängte oder zu spät abgehangene Wahlkampfplakate erhoben?“ Aufgeschlüsselt nach Bezirken, Tatbestand und Höhe des Bußgeldes.
In reinrassigem Beamtendeutsch lautete die Antwort des Berliner Senats: „Der Rechtsrahmen für Bußgelder im Sinne der Fragestellung bestimmt sich nach § 28 Absatz 1 Nummer 3 und 4 des Berliner Straßengesetzes. Grundlage für die Bemessung ist § 17 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OwiG). Gemäß § 57 Absatz 1 OwiG kann die Verwaltungsbehörde bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten den Betroffenen verwarnen und ein Verwarnungsgeld von 5 Euro bis 55 Euro erheben. Sie kann eine Verwarnung auch ohne Verwarngeld erteilen.“
Bußgelder werden oft nicht erhoben
Immerhin konnte Sevim Aydin dann erfahren, in welchen Berliner Bezirken überhaupt Bußgelder erhoben werden. Und so sieht es dort jeweils aus:
Friedrichshain-Kreuzberg: Die Bußgeldhöhe beträgt 100 Euro pro festgestelltem Standort.
Lichtenberg: Für zu spät abgehängte Wahlplakate wurde in der Vergangenheit bislang ein Regelbußgeld von 50 Euro je Wahlplakat verhängt. Für ein falsch aufgehängtes Plakat, etwa zu dicht am Wahllokal, beträgt das Bußgeld 300 Euro je Wahlplakat und Verstoß.
Marzahn-Hellersdorf: Als Bußgeldhöhen waren dort für 2021 festgelegt: Bis zehn Wahlplakate: 100 Euro. Zehn bis 20 Plakate: 200 Euro bis 250 Euro. Über 20 Plakate: 300 bis 500 Euro.
Mitte: Der Regelsatz liegt bei 200 Euro, das Mindestbußgeld beträgt 75 Euro, das Verwarngeld 25 bis 55 Euro.
Reinickendorf: Dort „werden die einzelnen Verstöße bis zum Abschluss der Wahlen gesammelt und danach für jede Partei zusammengefasst. Es wird für jedes Plakat (zu früh oder falsch auf- oder zu spät abgehangen) ein Betrag in Höhe von 10,00 € festgesetzt. Bei Plakaten, die ohne die gesetzlich vorgeschriebene Erlaubnis aufgehängt wurden, wird ein Regelbußgeld in Höhe von 200,00 € festgesetzt und zusätzlich die ‚eingesparte‘ Gebühr der Erlaubnis dem Bußgeld hinzugerechnet“.
Spandau: In Spandau wurden in den vergangenen Jahren keine Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit Wahlwerbung durchgeführt, hieß es
Treptow-Köpenick verhängt gar keine Bußgelder
Steglitz-Zehlendorf: Im Bezirk „wurden und werden aufgrund der personellen Situation im Bereich der Straßen- und Grünflächenverwaltung zurzeit keine Bußgelder in diesem Zusammenhang erhoben. Wenn Wahlplakate nach Ablauf der Sondernutzungsgenehmigung noch hängen, werden die Parteien angeschrieben und zur Abnahme aufgefordert. Erfolgt diese nicht, werden die Plakate je nach Kapazitäten der rahmenvertraglich gebundenen Fuhrfirma eingesammelt und die Kosten werden den Parteien in Rechnung gestellt“.
Treptow-Köpenick: Seitens des Bezirksamts wurden keine Ordnungswidrigkeitsverfahren für falsch oder zu früh aufgehängte oder zu spät abgehängte Wahlkampfplakate eingeleitet und folglich auch keine Bußgelder verhängt.
Nun wollte die SPD-Abgeordnete natürlich ebenfalls wissen, wo wie viel abkassiert wurde. „Wie hoch waren die Bußgeldbescheide nach Bezirken und Parteien im Zuge der Wahlen 2021 zum BT, AH und BVV? Bitte nach Parteien und Bezirk aufschlüsseln“, fragte Sevim Aydin, und sie erhielt daraufhin folgende Antwort:
Während es für die Berliner Bezirke Steglitz-Zehlendorf, Treptow-Köpenick und Tempelhof-Schöneberg keine summarischen Angaben dazu gab, behauptete Spandau: „Hierüber wird keine Statistik geführt. Das Straßen- und Grünflächenamt hat vereinzelt verkehrt bzw. unerlaubt hängende Wahlplakate entfernt oder räumen lassen. Die Räumungsverfahren waren gebührenpflichtig und die Kosten für das Entfernen der Plakate wurde jeweils mit den zuvor erhobenen Sicherheitsleistungen der jeweiligen Parteien verrechnet. Es waren keine so schwerwiegenden Verstöße festzustellen, die zusätzlich die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens gerechtfertigt hätten. Mittlerweile halten sich die Parteien überwiegend an die erteilten Erlaubnisse und reagieren auch auf die Räumungsanordnungen bei Verstößen.“
Berlin-Pankow ist besonders bußgeldfaul
Auch Pankow zeigte sich ziemlich bußgeldfaul. Hier hieß es dazu nur: „Im Bezirk Pankow gab es für die Wahlen 2021 keine Ordnungswidrigkeitenverfahren.“ Mitte verstieg sich gar zu der Behauptung: „Die Beantwortung der Frage ist nicht möglich, da keine gesonderte Statistik im Ordnungsamt Mitte von Berlin geführt wird.“ Während Marzahn-Hellersdorf mitteilen ließ, dass für den genannten Zeitraum keine Ordnungswidrigkeitenanzeigen wegen zu früh aufgehängter oder zu spät abgehängter Wahlplakate eingegangen seien.
Auch das zuständige Amt in Charlottenburg-Wilmersdorf verschickte keine Bußgeldbescheide an die Parteien, es wurden nur „Verstöße dokumentiert, Sicherstellungen nicht ordnungsgemäß aufgehängter und abgenommener Plakate vorgenommen und mit den Parteien diesbezüglich kommuniziert“.
Lediglich zwei Bezirke führten zu dem Thema eine ordentliche Statistik. So Reinickendorf. Hier gab es folgende Buß- und Verwarngelder: „SPD: 1170,00 €. Volt: 160,00 €. AfD: 660,00 €. Die Partei: Verwarnungsgeld 50,00 €. MLPD: 70,00 €. Die Grünen: 310,00 €. NPD: Verwarnungsgeld 10,00 €. Die Linke: 870,00 €. Team Todenhöfer: 190,00 €. CDU: 1010,00 €. FDP: 790,00 €. Basisdemokratische Partei Deutschland: 230,00 €. Freie Wähler: 650,00 €. Die Grauen: 70,00 €. Tierschutzpartei: 980,00 €.“
Krass: Die Grünen kassierten in einem ihrer Berliner Heimatbezirke mit Abstand das meiste Bußgeld. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg vermeldete folgende Zahlen: Bündnis 90/Die Grünen: 5500 Euro. SPD: 2300 Euro. FDP: 500 Euro. Die Linke: 3750 Euro. SGP: 200 Euro. Tierschutzpartei: 400 Euro. Klimaliste Berlin: 1400 Euro. Außerdem hieß es: „Für die CDU und zum Teil SGP wurde jeweils eine externe Firma, die mit der Plakatierung beauftragt wurde, haftbar gemacht.“
Immerhin will der Berliner Senat dem Durcheinander jetzt ein Ende bereiten. Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt kündigte an: „Der Senat hält eine Festlegung von Regelsätzen für die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen grundsätzlich für sinnvoll und sieht vor, auf einen einheitlichen Rahmen hinzuwirken.“ ■