Ein Haus für alle Kinder

FEZ: Zentrale der DDR-Pioniere ist jetzt ein Denkmal

Der Pionierpalast in der Berliner Wuhlheide war 1979 bei seiner Eröffnung in der DDR revolutionär. Er ist es noch. Welche Erinnerungen haben Sie an einzigartigen Ort?

Author - Stefanie Hildebrandt
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Die geschwungene Freitreppe im Foyer des FEZ Berlin wirkt elegant und schwebend. Als Kinder träumten wir davon, das Geländer herunter zu rutschen.
Die geschwungene Freitreppe im Foyer des FEZ Berlin wirkt elegant und schwebend. Als Kinder träumten wir davon, das Geländer herunter zu rutschen.Jens Kalaene/dpa

Mensch, FEZ, du altes Haus, jetzt bist du auch noch ein Denkmal geworden. Deine geschwungene Treppe mit den flachen Stufen und dem Himmel aus Waben über ihr, sie lud so herrlich zum herunterflitzen. So gar nicht denkmalgerecht.  Dabei waren die flachen Stufen doch vom Architekten Günter Stahn vor allem zum würdevollen Schreiten für die Großen erdacht, wie ich jetzt erst erfahre.

Beim Pressetermin zur Aufnahme in die Berliner Denkmalliste bekommen in der DDR geborene Mittvierziger Erinnerungs-Flashbacks, jede Wette. Kaum zu glauben, dass das FEZ jetzt ganz offiziell ein Denkmal ist!

Einer der letzten Überlebenden: viele DDR-Bauten gibt es nicht mehr

Kaum ein anderer DDR-Bau hat wie das FEZ die Zeiten überdauert. Der Palast der Republik ist unter Schmerzen abgerissen, das Sport- und Erholungszentrum SEZ dem Abriss preisgegeben, ebenso baggern sie am Jahnstadion. Allein dieser Palast der Kinder und der Kulturtempel Friedrichstadtpalast haben auch heute noch ihren Stand in der Stadt. Bei der Würdigung und feierlichen Übergabe der blauweißen Denkmalplakette schmücken sich die Politiker, die anderswo abreißen, mit dem genialen Bau für Kinder von damals.

„Die Entscheidung würdigt die architektonische und historische Bedeutung des Gebäudekomplexes, der ein einzigartiges Zeugnis der DDR-Geschichte darstellt“, heißt es dann in den Reden. Gut zuhören, dass Bauten aus der DDR als einzigartig und bedeutsam gewürdigt werden, kommt nicht alle Tage vor.

Dabei war das Konzept, mit dem das FEZ einst als Pionierpalast „Ernst Thälmann“ am 3. Oktober 1979 als zentrale außerschulische Freizeit- und Bildungseinrichtung und damit quasi Headquarter der Jungen Pioniere eröffnet wurde, in der Tat wegweisend.

Großer Konzertsaal im FEZ Berlin. Im Pionierpalast sollten alle Kinder unabhängig vom Elternhaus Kunst und Kultur zur Persönlichkeitsbildung genießen.
Großer Konzertsaal im FEZ Berlin. Im Pionierpalast sollten alle Kinder unabhängig vom Elternhaus Kunst und Kultur zur Persönlichkeitsbildung genießen.Benjamin Pritzkuleit/Berliner Kurier

Ganze Delegationen waren zuvor aus der DDR extra in die Sowjetunion und nach Finnland gereist, um dort abzugucken. Der Pionierpalast lehnte sich sowohl in Architektur und in Pädagogik bei den Vorbildern Kulturpalast und Co. an und wuchs darüber hinaus. Das pädagogische Konzept stellte allein das heranwachsende Kind in den Mittelpunkt, schenkte ihm Aufmerksamkeit und übertrug ihm Verantwortung. Mit der wohltuenden Naturnähe finnischer Bauwerke schaffte der Pionierpalast in Berlin eine moderne Symbiose.

Es gibt wohl kaum ein Ostberliner Kind, das nicht mindestens einmal mit der Schulklasse im Pionierpalast war, Schlüsselbrettchen mit dem Lötkolben verzierte, oder sich im Orbitall zu den Kosmonauten träumte. Ob in den Arbeitsgemeinschaften, Club, beim Basteln, in der Schwimmhalle, oder in der Pioniereisenbahn im Park der Wuhlheide: das heutige FEZ ist und war ein vieleitiger Magnet für junge und jung Gebliebene.

FEZ sollte nach dem Ende der DDR abgewickelt werden

Kein Wunder, dass Eltern und Kinder 1989 auf die Straße gingen, als der Pionierpalast abgewickelt werden sollte.  „Hände weg“ vom FEZ, riefen sie. Und setzten sich zum Glück durch. Seit 1995 ist das FEZ-Berlin, Kinder-, Jugend- und Familienzentrum gemeinsam mit der Landesmusikakademie Berlin eine hundertprozentige Tochter des Landes Berlin.

Das Haus, ein Solitär in der Wuhlheide, bietet weiterhin einen großen Schatz für Kinder: Platz. Es gliedert sich in drei Bereiche. Den Veranstaltungsbereich mit Konzertsälen, den Sportbereich mit Turn- und Schwimmhalle und in den Bereich, in dem in der DDR in 60 Fachräumen etwa 300 Arbeitsgemeinsschaften stattfanden. Labore, Werkstätten, Kabinette zum Lernen, Entdecken und auch für die politische Prägung. Ernst Thälmann, der Namensgeber, war allgegenwärtig. Heute wird die Demokratieförderung und Selbstwirksamkeit von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt gestellt. In ganz Europa ist so ein Haus einzigartig.

FEZ Berlin ist ganz großes Kino

„Ganz großes Kino“ sei es, was hier seinerzeit entstanden sei, sagt denn auch Jugend-Staatssekretär Falko Liecke bei der Denkmal-Feier. Nicht nur die ansehnliche Hülle sondern auch der Inhalt machten diesen Ort besonders.  Die Aufnahme in die Denkmalliste Berlins verbinden alle im Saal auch mit der Hoffnung, dass dieser Ort, so wie er ist, auch erhalten werden kann.

Der Kugelbrunnen vor dem FEZ wurde von Ortraud Lerch entworfen und von Hans-Joachim Kunsch gefertigt.
Der Kugelbrunnen vor dem FEZ wurde von Ortraud Lerch entworfen und von Hans-Joachim Kunsch gefertigt.dpa

Denn als der Landeskonservator mit dem Denkmalschutz um die Ecke kam, bekamen die FEZ-Macher erst einmal einen Schreck. Das Haus lebt schließlich immer noch, weil man es seit 45 Jahren aktiv benutzt.  Doch es klingt so, als sei man auf einem guten Weg, Ressentiments und Vorurteile abzubauen. Mithilfe eines Ampelsystems sind besonders denkmalträchtige Teile gekennzeichnet. Nicht in jedem Raum muss der Nagel in der Wand erst beantragt werden. Für eine andere Berliner Ikone gilt das nicht, das SEZ habe auch nach wiederholter Prüfung keinen Denkmalwert, so Landeskonservator Chridtoph Rauhut. Auch Bausenator Christian Gaebler sieht das ähnlich: „Wenn ein Gebäude 20 Jahre leer steht, hat das natürlich Folgen. Die Frage ist, ob die öffentliche Gemeinschaft heute noch ein Spaßbad betreiben muss – ob es erst mal darum geht, notwendigen Wohnraum zu realisieren. Für mich ist die Priorität klar.“

Glasgeländer und geschwungene Handläufe prägen das große Foyer im ehemaligen Pionierpalast.
Glasgeländer und geschwungene Handläufe prägen das große Foyer im ehemaligen Pionierpalast.Benjamin Pritzkuleit/Berliner Kurier

Abriss dort und Stolz und Erhaltung hier. Und wenn ein Gebäude schon mal Denkmal wird, ist auch ein Blick in die Vergangenheit angesagt: Das FEZ beeindruckt mit einem Foyer, das nach Masse ruft. Die deckenhohe Glasfassade lässt den Park draußen herein. Ob Bibliothek, Disko, Kino, Klub der internationalen Freundschaft, hinter der außergewöhnlichen Lärchenholzfassade verbargen sich ganze Welten, die auch in der DDR bereits Außenwirkung entfalten sollten.

Hier zeigte sich die DDR fortschrittlich

Raumfahrt, Umweltschutz, Dialog, hier zeigte sich die DDR weltoffen und international. Zur Einweihung des Orbitalls kam Kosmonaut Sigmund Jähn persönlich. Auf der Sojus-Kapsel im heutigen Weltraum-Zentrum ist seine Unterschrift noch zu sehen. Alle Bereiche, in denen die DDR nach außen glänzen wollte, bekamen auch hier Aufmerksamkeit. Sport, Naturwissenschaft, Forschung waren überlebenswichtig für den Staat. Und die nächste Generation war es auch.

Kinder erproben sich im Kosmonautenzentrum des Pionierpalastes in der Wuhlheide.
Kinder erproben sich im Kosmonautenzentrum des Pionierpalastes in der Wuhlheide.FEZ Archiv

Den Stellenwert, den man Kindern in einer Gesellschaft mit so einem Bau einräumte, von dem kann mancher in der Kinder- und Jugendarbeit heute nur träumen. Sie wolle nicht klagen, sagt FEZ-Geschäftsführerin Dr. Margrit Witzke. Anderen Einrichtungen gehe es finanziell viel schlechter als dem FEZ. Aber für den Betrieb des riesigen Areals könnten es natürlich „immer mehr Zuwendungen sein“. „Das Haus war nie nur ein Gebäude.“

Klotzen, nicht kleckern: Beim Bau des Pionierpalastes Ernst Thälmann waren über 150 VEB beteiligt.
Klotzen, nicht kleckern: Beim Bau des Pionierpalastes Ernst Thälmann waren über 150 VEB beteiligt.FEZ Archiv

Dennoch legte man bei der Planung neben der inhaltlichen Ausgestaltung auch großen Wert auf künstlerische Elemente. Die Glasgeländer mit Schmiedearbeit wirken zeitlos. Wandmosaike und auch der Kugelbrunnen vor dem Eingang atmen DDR-Design der 1970er.  Die hochwertigen Materialien, Holz, Eisen, Glas, die oft mit ihrer Einfachheit bestechen, sind noch heute intakt und gut gepflegt worden.

Aufwendige Kunst am Bau wie das Wandmosaik und Glasgeländer sind zeitlos und wirken noch heute.
Aufwendige Kunst am Bau wie das Wandmosaik und Glasgeländer sind zeitlos und wirken noch heute.Benjamin Pritzkuleit/Berliner Kurier

Mit den gestalterischen Qualitäten, die dem Bau innewohnen hat das Haus und hat die Idee dahinter die Transformation für heutige Bedürfnisse vollbracht. „Man hat den Kern seiner Bestimmung erhalten können“, sagt Dr. Margrit Witzke. Was alle hier eine, sei der  feste Glaube an das Potenzial junger Menschen.

Das FEZ ist heute das größte gemeinnützige Kinder-, Jugend- und Familienzentrum in Europa. 150 Mitarbeiter sorgen dafür, dass an fast 365 Tagen im FEZ etwas los ist. Am Wochenende findet etwa das große Kindertagsfest statt. Zeit, mal wieder hinzugehen und das architektonische Meisterwerk der DDR-Moderne mit neuen Augen zu sehen, oder?

Waren Sie auch als Kind, Eltern oder Großeltern Gast im Pionierpalast oder im FEZ? Woran erinnern Sie sich besonders? Und hat das Haus die Denkmalwürde verdient? Schreiben Sie uns gern an leser-bk@berlinerverlag.com