Die Schrankwand von Wilhelm Pieck, wuchtige, braune Sessel aus Honeckers Gästehaus der DDR-Regierung im Jagdschloss Hubertusstock in der Schorfheide, unzählige DDR-Fahrzeuge, Möbel und Geschirr – insgesamt etwa 350.000 Sammlungsstücke aus dem DDR-Alltag gehen noch in diesem Jahr auf eine Reise von Spandau nach Marzahn. Go east, heißt es im DDR-Museum, das in Marzahn mit einem neuen Depot eine Dependance besonders für die Berliner öffnen will.
„Die DDR gehört in den Osten“, stellt Quirin Graf Adelmann gleich zu Beginn des Gesprächs über dieses Wahnsinnsunterfangen klar. Als sich herauskristallisierte, dass der bisherige Standort des DDR-Depots in Spandau zu klein wurde, suchten die Museumsinhaber gezielt nach einem neuen Standort in Ost-Berlin. Am Marzahner Pyramidenring wurden sie fündig. Das DDR-Museum ist dort künftig in guter Gesellschaft, das ORWO-Haus ist am Kulturstandort schon vertreten.

Bürokratie-Krampf um neuen Standort in Marzahn
Dass das neue DDR-Museum nun wirklich in Marzahn entsteht, ist allerdings ein kleines Wunder. Die Mühlen der Bürokratie mahlen in Deutschland langsam, in Marzahn ist das nicht anders: Ganze zwei Jahre brauchte es, bis das Gelände vermessen war, weitere zwei Jahre bis zum Bescheid über den Bauantrag. Für Wasser- und Stromanschluss gingen noch einmal anderthalb Jahre ins Land. Mit viel Eigeninitiative haben die Museumsleute es doch noch hingekriegt, „eigentlich wie in der DDR“, sagt Quirin Graf Adelmann.
Jetzt aber ist der Grundstein gelegt, die Bauarbeiten laufen nach Plan, jede Woche fährt Graf Adelmann nach Marzahn und schaut, wie es vorangeht. Am 1. Februar soll der zweigeschossige Neubau des DDR-Museums mit 2600 Quadratmetern Nutzfläche feierlich eröffnet werden.
Weltweit größte Sammlung mit DDR-Gegenständen
Für das neue Depot wird es höchste Zeit. Längst platzt das alte aus allen Nähten. Seit der Gründung 2006 hat das Museum die weltgrößte Sammlung an Alltagsobjekten aus der DDR angehäuft. Zuletzt wurden ganze DDR-Museen versteigert. Das Museum in Radebeul etwa ging kürzlich komplett an einen Sammler in den USA, immer wieder werden kleinere Sammlungen auch vom Berliner DDR-Museum übernommen.
„Der Bund hat seine Sammlung zum Palast der Republik in der Blankenfelder Chaussee aufgelöst“, sagt Graf Adelmann. Auch von dort habe das DDR-Museum Teile übernommen. Fassadenteile des Palasts der Republik sollen künftig neben Mauersegmenten und einer Panzerskulptur auf dem neuen Außengelände in Marzahn gezeigt werden.

Schon im Oktober steht der Umzug der Sammlung an. Sämtliche Fahrzeuge wie Barkas-Busse, Simson-Mopeds, Wartburg und Co. werden nach Marzahn gebracht. „Alle 350.000 Objekte werden zuvor sortiert und katalogisiert“, erklärt Graf Adelmann. „Wir nutzen den Umzug zum Aufräumen.“ Vier Mitarbeiter kümmern sich um die Sortierung. Schließlich sollen knapp 80 Lkw-Ladungen von West nach Ost rollen. Auch eine erste Ausstellung wird schon vorbereitet, denn ein abgeschlossenes Depot soll das neue DDR-Museum nicht werden.
Neues DDR-Museum als Ort der Begegnung
Vielmehr ein Begegnungsort, ein Ort für Zeitzeugen, deren Stimmen das Museum ebenso sammelt wie Einrichtungsgegenstände. Es wird am Wochenende Veranstaltungen geben, der Eintritt im großen Depot soll deutlich günstiger sein als der in Mitte, wo vor allem viele Touristen oder Schulklassen sich einen interaktiven Überblick über das Leben in der DDR verschaffen. „Der Eintritt wird eher symbolisch sein“, verspricht Quirin Graf Adelmann. Etwa drei Millionen investiert das privat betriebene Museum in den neuen Standort im Osten der Stadt.

Von Südfrankreich nach Oberschöneweide
Den Osten kennt Quirin Graf Adelmann, der in Südfrankreich mit zehn Geschwistern aufwuchs, übrigens wie seine Westentasche. 1993 zog er mit 18 Jahren aus der schönen, behüteten Mittelmeer-Welt in eine Einzimmerwohnung in der Plönzeile in Oberschöneweide. Für 87 D-Mark warm logierte der junge Graf mit Klo auf halber Treppe.
Neben dem Jura-Studium an der Humboldt-Universität verbringt er seine Zeit auf den Fußballplätzen der Stadt, spielt für den 1. FC Union Fußball, im Westen Berlins spielen sie auf Kunstrasen, im Osten noch auf Schotter.

Bei seinen Freunden und deren Eltern, nach den Spielen bekommt er hautnah mit, wie Existenzen in der Nachwendezeit kaputtgehen, Ost-Biografien Brüche bekommen und verwinden müssen. „Als im KWO auf einen Schlag Tausende Arbeitsplätze verloren gingen, hinterließ das Spuren“, sagt Graf Adelmann. Wie die Leute die Empfindung hatten, ihr Lebenswerk sei ohne Wert, das habe auch ihn geprägt.
Nicht von ungefähr also das Interesse für die DDR und ihre Nachwehen. Eine neue Ausstellung im DDR-Museum soll sich demnächst dann auch mit der Transformation der Gesellschaft nach den Wendejahren beschäftigen. Doch erst mal steht der Mega-Umzug nach Marzahn an. Ein bisschen wie nach Hause kommen wird das. ■