Kleeblattpassage soll weg

Wut der Anwohner: Neue Hochhäuser sollen Kiez in Berlin-Marzahn verschandeln

Direkt vor die Balkone werden bis zu 17 Stockwerke hohe Häuser hochgezogen. Nachbarn starten Unterschriftenaktion gegen die Baupläne.

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Noch ist der Blick vom Balkon unverbaut: Ilona Seyfert, Jens-Olav Preuß, Anke Preuß und Steffi Himmelweit (v.l.n.r.) auf dem Balkon im sechsten Stock.
Noch ist der Blick vom Balkon unverbaut: Ilona Seyfert, Jens-Olav Preuß, Anke Preuß und Steffi Himmelweit (v.l.n.r.) auf dem Balkon im sechsten Stock.Ina Schoenenburg/Ostkreuz

In Berlin-Marzahn wächst die Wut der Anwohner – über immer neue Hochhauspläne der Stadt, die ihre Kieze verschandeln werden, wie sie sagen. Am Helene-Weigel-Platz sollen vier neue Wohntürme hingeklotzt werden, wie der KURIER berichtete. Jetzt ist die Welle der Wut im knapp fünf Kilometer entfernten Kiez rings um die Kleeblattpassage angekommen. Eine ähnliche Geschichte wie am Helene-Weigel-Platz: Auch hier sollen bis zu 17 Stockwerke hohe Häuser vor die Balkone der Anwohner hochgezogen werden.

Das Gefühl vieler Marzahner: Weil es in den Bezirken innerhalb des S-Bahnrings so viel Widerstand gegen Neubaupläne gibt, wird jetzt bei ihnen alles zugebaut, seit 40 Jahren gewachsene Kieze mutwillig zerstört. Zu DDR-Zeiten war alles gut durchgeplant: viel Grün zwischen den Häusern aus Beton, Luft zum Atmen, mittendrin immer eine Einkaufspassage oder ein sogenannter „Dienstleistungswürfel“ – mit Klubs, Friseuren, Poststelle und Kaufhalle in Laufweite direkt vor der Tür.

Berlin-Marzahn: Die Kleeblattpassage wird plattgemacht

Das, was damals gut war, soll jetzt weg. Die Kleeblattpassage, die einst der Mittelpunkt des Kiezes war, wird nach den Plänen des Bezirks Marzahn-Hellersdorf und der Gewobag plattgemacht werden. „Früher hatten wir hier eine Post, eine Reinigung, einen Blumenladen, eine Bücherei, einen Jugendclub, ein Restaurant und eine Kneipe“, erinnert sich Jens-Olav Preuß in der Berliner Zeitung. „Jetzt soll die Kleeblattpassage abgerissen und alles vollflächig bebaut werden – mit einem 9-Geschosser vorne und einem 17-Geschosser als Hochpunkt.“

Noch hat Familie Preuß aus dem sechsten Stock ihres Hauses in der Hohensaatener Straße freien Blick Richtung Kleeblattpassage und darüber hinaus. Doch das wird sich ändern, wenn die Hochhauspläne umgesetzt werden.

Im März präsentierte die CDU-Bezirksstadträtin Heike Wessoly bei einer Bezirksverordnetenversammlung die Neubaupläne: ein Gebäudekomplex aus acht, elf und 16+1 Stockwerken mit insgesamt 375 Wohnungen – davon 80 Prozent im geförderten Segment. Die Erdgeschosszone sollte der Nahversorgung dienen und einen Supermarkt sowie zwei kleinere Gastronomieflächen beherbergen.

Die Anwohner hat die Nachricht von den Neubauplänen schockiert, sie sind frustriert über schlechte Informationen und die geringe Einbindung in den Planungsprozess.

Der Blick vom Balkon: Die Kleeblattpassage im Vordergrund soll Hochhäusern weichen.
Der Blick vom Balkon: Die Kleeblattpassage im Vordergrund soll Hochhäusern weichen.Ina Schoenenburg/Ostkreuz

„Wenn ich auf unseren Balkon gehe und mir vorstelle, da künftig nur auf Beton zu schauen – das ist für mich eine unzumutbare Vorstellung“, sagt Anke Preuß. „Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, unter diesen Umständen weiter hier wohnen zu bleiben“, sagt Nachbarin Ilona Seyfert in der Berliner Zeitung. „Dieser Bau würde unser komplettes Wohngebäude verschatten. Aber ein Umzug? Das kommt nicht infrage. Ich wohne hier doch schon seit über 40 Jahren!“

Zu DDR-Zeiten und bis in die Nullerjahre hinein war die Kleeblattpassage das Herz des Neubau-Kiezes. Damals gab es hier noch verschiedene Läden und Fachgeschäfte, Kitas und Schulen – übrig ist davon heute kaum noch etwas übrig, es gibt viel Leerstand in der Kleeblattpassage.

Kleeblatt-Kiez: Gleichgewicht des Quartiers gerät aus der Balance

Dass hier was passieren muss, ist auch den Anwohnern klar. Sie seien auch nicht dagegen, dass hier gebaut wird, sagen sie, bezahlbarer Wohnraum sei knapp. „Aber ein so großes Gebäude – das entspräche über 900 neuen Bewohnern. Das ist ein massiver Eingriff, der das Gleichgewicht des Quartiers völlig aus der Balance bringen würde. Dabei wollen wir doch auch in Zukunft hier gerne wohnen bleiben!“, erklärt Nachbarin Steffi Himmelweit in der Berliner Zeitung.

Es gäbe hier sowieso schon zu wenig Hausärzte und Kitaplätze. „Wenn da so viele neue Menschen herziehen, dann muss man ihnen mehr bieten als einen Rewe und ein paar Fahrradständer“, sagt Ilona Seyfert. „Wenn jetzt so viele Menschen auf einmal herziehen, bricht hier bald alles zusammen.“

Sogar ein altes Schlecker-Schild hängt noch: In der Kleeblattpassage stehen viele Läden leer. Dafür gibt es heute einen großen Rewe-Markt nebenan.
Sogar ein altes Schlecker-Schild hängt noch: In der Kleeblattpassage stehen viele Läden leer. Dafür gibt es heute einen großen Rewe-Markt nebenan.Ina Schoenenburg/Ostkreuz

Sauer sind die Anwohner aus der Hohensaatener Straße auch, dass für 1000 neue Bewohner keine neue Tiefgarage gebaut wird, lediglich 60 Stellplätze sind geplant. „Die Rechnung geht nicht auf“, sagt Jens-Olav Preuß in der Berliner Zeitung. „Denn de facto wird nur auf bestehende Parkplatzflächen zurückgegriffen – zusätzliche Stellplätze entstehen dadurch keine.“

Jens-Olav Preuß und seine Nachbarn haben jetzt in Marzahn eine Unterschriftenaktion gestartet, um die Hochhäuser zu verhindern. „Wir werden diese geplante Bebauung nicht hinnehmen“, erklärt Anke Preuß in der Berliner Zeitung. „Daher haben wir eine Unterschriftenaktion für einen Einwohnerantrag initiiert, die Papiere werden wir zeitnah dem Bezirksamt übergeben.“ Ziel der Aktion sei es, bis zum 22. Mai möglichst viele Unterschriften zu sammeln und diese bei der nächsten Bezirksverordnetenversammlung zu übergeben.