In Berlin-Friedrichshain

DDR-Kultmoderator: „Medizin nach Noten“-Comeback gegen SEZ-Abriss

Karl Heinz Wendorff (78) war der Hausmoderator im SEZ. Nun kämpft der „Medizin nach Noten“-Mann mit einer Bürgerinitiative für den Erhalt des DDR-Spaßbades.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Karl Heinz Wendorff (78)zeigt, wofür er kämpft – gegen den SEZ-Abriss. Der „Medizin nach Noten“-Mann war Hausmoderator in dem DDR-Spaßbad.
Karl Heinz Wendorff (78)zeigt, wofür er kämpft – gegen den SEZ-Abriss. Der „Medizin nach Noten“-Mann war Hausmoderator in dem DDR-Spaßbad.Markus Wächter/Berliner KURIER

78 Jahre ist er alt. Doch für sein SEZ geht Karl Heinz Wendorff noch lange nicht in den Ruhestand. Vor über 40 Jahren war er der Hausmoderator des Sport- und Erholungszentrums. Auch für die legendäre „Medizin nach Noten“-Sendung, die von 1985 bis 1989 aus dem DDR-Spaßbad gesendet wurde. Jetzt, wo bereits die Bagger am Gebäude gewütet haben, ist „Wendi“ wieder für sein SEZ da. Im Kampf gegen den Abriss kehrt er als „Medizin nach Noten“-Moderator zurück.

Vieles war Wendorff schon: Traktorenschlosser, Sport- und Geschichtslehrer, DJ, TV-Moderator. Nicht zu vergessen seine sportlichen Aktivitäten als Kugelstoßer (Platz 6 bei den DDR-Meisterschaften 1962) und als Handballtorwart bei der BSG Narva Berlin. Jetzt kommt noch ein Job dazu: Wendorff ist seit über einem Jahr auch Mitglied der Bürgerinitiative, die um den Erhalt des SEZ in Berlin-Friedrichshain kämpft.

Karl Heinz Wendorff als Moderator der Sendung „Medizin nach Noten“
Karl Heinz Wendorff als Moderator der Sendung „Medizin nach Noten“privat

Bei seinem Besuch beim KURIER zeigt er stolz den Button, den er auf seiner Sportjacke stets trägt. „SEZ für alle“ steht darauf. Das ist nicht nur der Name der Bürgerinitiative. Das ist auch das Kampf-Motto von Wendorff.

„Das SEZ war zu DDR-Zeiten ein Treff für alle, einmaliger Sport- und auch Kulturort“, sagt er. „Es wird ja immer wieder gerne erzählt, wie grau es damals im Osten war. Aber das SEZ, in dem man Schwimmen, Turnen, Badminton spielen oder Eislaufen konnte, in die Sauna oder in Restaurants ging, war ein bunter Ort in unserem Leben.“

KURIER-Reporter Norbert Koch-Klaucke im Gespräch mit „Medizin nach Noten“-Moderator Karl Heinz Wendorff
KURIER-Reporter Norbert Koch-Klaucke im Gespräch mit „Medizin nach Noten“-Moderator Karl Heinz WendorffStefan Tappert

Seit 25 Jahren ist davon nichts mehr zu sehen. Der Senat wollte es loswerden, ein Privatinvestor übernahm. Zum alten Glanz kam das SEZ nie. Nach juristischem Dauerstreit gehört das DDR-Spaßbad seit einem Jahr wieder dem Senat.

„Wenn ich sehe, was heute aus dem SEZ geworden ist, das nun für den Neubau von Wohnungen abgerissen werden soll, kommt mein Herz heftig ins Stolpern“, sagt Wendorff.

„Medizin nach Noten“-Moderator Karl Heinz Wendorff vor dem Abriss-Bagger, der bereits an der Fassade des SEZ wütete.
„Medizin nach Noten“-Moderator Karl Heinz Wendorff vor dem Abriss-Bagger, der bereits an der Fassade des SEZ wütete.Markus Wächter/Berliner KURIER

Richtig schmerzhaft wurde es für ihn vor einer Woche. Da fing im Auftrag des Bausenators Christian Gaebler (SPD) und der Wohnungsbaugesellschaft WBM der Abriss-Bagger mit seinem Vernichtungswerk an. An der SEZ-Fassade über der einstigen Eishalle wurden die ersten Teile herausgerissen. „Das Polarium war einer der Orte im SEZ, an denen ich als Moderator arbeitete.“

Etwa ein Jahr nach der SEZ-Eröffnung im Jahre 1981 eröffnet wurde, fing Wendorff dort an. „Ich hatte damals als Diskjockey zuvor auf Eisbahnen oder in Schwimm- und Turnhallen Veranstaltungen gemacht, war beim Pankower Pfannkuchenlauf dabei. Musik und Sport, das kam an, das sollte ich dann auch im SEZ machen.“

Man holte Wendorff ins Haus. Die beliebten Veranstaltungen wie die Polar-Disko in der Eishalle und das Mitternachtsschwimmen im Spaßbad entstanden. „Das SEZ hat mich nicht mehr losgelassen. Es wurde ein Teil meines Lebens.“

Karl Heinz Wendorff als Moderator bei einer Polar-Disco in der Eishalle des SEZ zur Weihnachtszeit.
Karl Heinz Wendorff als Moderator bei einer Polar-Disco in der Eishalle des SEZ zur Weihnachtszeit.privat

Als 1985 das DDR-Fernsehen mit seiner Fitness-Sendung „Medizin nach Noten“ ins SEZ umzog, stand Karl Heinz Wendorff als Moderator auf der Bühne. „Seit 1961 lief bereits diese Fitness- Sendung, bei der man nach Musik, meistens Klänge vom Klavier, gymnastische Übungen nach Vorgaben machte“, sagt er. „Als in den 80ern die Aerobic-Welle aus den USA nach Europa schwappte, passte sich die Sendung diesem Trend an, der in der DDR Pop-Gymnastik hieß.“

So sah es aus, wenn „Medizin nach Noten“ im SEZ stattfand.
So sah es aus, wenn „Medizin nach Noten“ im SEZ stattfand.privat

Wendorff machte seine Ansagen, eine Vorturnerin oder ein Vorturner legten mit den Übungen los. Jede Menge junge Leute aus Sportvereinen machten in bunten Kostümen mit. Das alles fand in der Mega-Turnhalle zur Landsberger Allee statt. „Draußen standen an den großen Fenstern die Passanten und drückten sich ihre Nasen an den Scheiben platt, wenn am Wochenende die Sendungen aufgezeichnet wurden.“

Warum SEZ abreißen? „Das ICC lässt man ja auch stehen!“

Von der Halle sieht man heute nichts mehr. Ein Bauzaun versperrt die Sicht. Rein kann man auch nicht mehr. Das SEZ ist wegen des geplanten Abrisses dicht. Es empöre ihn, dass dieses einmalige Bauwerk verschwinden soll, das zum Berliner Stadtbild gehöre. „Das ICC reißt der Senat ja auch nicht ab, obwohl das Gebäude es jahrelang leer steht“, sagt Wendorff.

Zwar wurde vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg der Abriss des SEZ gestoppt. Vorerst. Denn damit ist das DDR-Spaßbad noch lange nicht gerettet. Der Stopp ist nur vorübergehend. „Alle Beteiligten – Senat, Bürgerinitiativen, die Berliner –  sollten die Zeit nutzen, um eine Lösung zu finden, wie man das SEZ künftig nutzen kann, damit es wieder zu einem beliebten Treff für die Menschen in dieser Stadt wird“, sagt Wendorff.

2024 war Karl Heinz Wendorff bei einer SEZ-Demo dabei, gab eine kleine Kostprobe seines „Medizin nach Noten“-Programmes.
2024 war Karl Heinz Wendorff bei einer SEZ-Demo dabei, gab eine kleine Kostprobe seines „Medizin nach Noten“-Programmes.Rolf Zöllner/imago

Und darum wird Wendorff wieder mit seiner „Medizin nach Noten“-Sendung aktiv. Bei der Demo „Feuer und Flamme für das SEZ“, die am heutigen Freitag ab 16 Uhr vor dem SEZ an der Ecke Landsberger Allee/Danziger Straße stattfindet.

Der Kultmoderator wird mit „Medizin nach Noten“ die Demo-Teilnehmer fit machen im Kampf für den Erhalt des SEZ. „Denn es muss ja nicht alles verschwinden, was es einmal in der DDR gab“, sagt er.

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