Die öffentlich-rechtlichen TV- und Radioprogramme: Heiko Sander (54) ist sauer darüber, was da ARD, ZDF und Co. täglich absondern. Sie senden vor allem an den Bedürfnissen der Menschen im Osten vorbei, sagt der Schlager-Fan aus Cottbus. Der Angestellte schaltet nicht nur keine öffentlich-rechtlichen Sender mehr ein, er hat vor einem Jahr auch die Beitragszahlungen eingestellt! Mahnverfahren, Pfändungsdrohungen: Mit seinem Gebühren-Boykott will Sander sogar vor Gericht ziehen.
„Keinen Cent mehr für die öffentlich-rechtlichen Sender“: Heiko Sander weiß genau, was das Gesagte juristisch bedeutet. 3,7 Millionen Haushalte in Deutschland weigerten sich 2024, den monatlichen Beitrag von 18,36 Euro zu zahlen. Gegen sie wurden Mahn- und Vollstreckungsverfahren eingeleitet – von dem Beitragsservice, der das Geld von insgesamt 48 Millionen Haushalten für ARD, ZDF und Deutschlandradio eintreibt. Bei 1,2 Millionen Haushalten wurde am Ende Geld gepfändet.
Keine Beiträge für ARD und ZDF: Sogar Gefängnis droht
Das alles kann auch Heiko Sander passieren. Mit insgesamt 236,32 Euro inklusive Säumniszuschlag steht er bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Kreide. Zwei Festsetzungsbescheide flatterten ihm schon ins Haus.

Dieser Bescheid „ist ein vollstreckbarer Titel“, der durch Zwangsvollstreckung, Sachpfändung oder Pfändung des Arbeitslohnes oder Bankkontoguthabens durchgesetzt werden kann, wenn Sander nicht zahlt. So steht es in dem Schreiben des Beitragsservices. „Gegen die Bescheide habe ich Widerspruch eingelegt. Ich beabsichtige auch, gerichtliche Schritte zu unternehmen“, sagt Sander.
Sogar Gefängnis droht, wenn er die Zahlung und die Vermögensauskunft verweigert. So war es bei Georg Thiel (58) aus Nordrhein-Westfalen. Er saß 2021 fast 181 Tage in Haft, weil er damals keine GEZ-Gebühren zahlen wollte. Über 630 Euro schuldete er ARD, ZDF und Co.
Heiko Sander hatte vor etwa einem Jahr per Mail beim Beitragsservice mitgeteilt, dass er die Beitragszahlung einstellt. Zu der Zeit, als der Gerichtsstreit um die Ruhegeld-Forderungen der geschassten RBB-Intendantin Patricia Schlesinger vorbereitet wurde. Aber Sander geht es nicht nur um den Vetternwirtschaft-Skandal in der RBB-Chefetage.
Gebühren-Boykott: „ARD und ZDF machen ihren Job nicht“
„Es geht mir vor allem darum, dass die öffentlich-rechtlichen Sender nicht ihren Job machen, für den wir sie bezahlen müssen“, sagt Sander. „Fernsehen und oder Radio sollen ein ausgewogenes, vielfältiges Programm bieten. Das passiert aber in der Regel nicht.“
Der Cottbuser, der Gründer der „Bürgerinitiative für unsere regionale Musikkultur“ ist, kritisiert daher vor allem die regionale Berichterstattung. „ARD und ZDF erklären gerne, dass sie die Heimatsender für uns sein wollen. Doch nicht alle erfüllen auch diesen Standard“, sagt Sander. „Das merkt man zum Beispiel daran, wenn es um den Ostteil des Landes oder um die ehemalige DDR geht. Sie verstehen irgendwie den Osten nicht.“

Beispiele gebe es genug. Etwa der Spartensender ZDFinfo. Dort laufen oft Dokus über Stasi, Mauerbau oder Unglücksfälle in der DDR. Jüngst gab es aber auch eine Sendung mit Ost-Prominenten wie Boxer-Legende Axel Schulz, die zeigte, wie genial die DDR etwa in puncto Plattenbauten oder Trabi war. „Aber Dokus oder Berichte, die die Lebensleistungen der Ostdeutschen würdigen, gibt es bei den öffentlich-rechtlichen Sendern viel zu wenig“, sagt Sander.
Auch die ARD-Sender MDR und RBB hätten ihr Problem damit, obwohl sie ihr Kerngebiet im Osten des Landes haben. Sander kritisiert vor allem den RBB. Zwar habe der Sender seine Beiträge aus der Region ausgebaut. „Aber mit den Berichten und Reportagen ist man nicht wirklich bei den Menschen und ihren Sorgen vor Ort“, sagt Sander.
Am Osten vorbei: RBB nahm Bürger-Talk aus dem Programm
Da sei man schon mal besser gewesen. Mit der Bürgertalk-TV-Sendung „Wir müssen reden!“, die 2019 erstmals ausgestrahlt wurde. Kontrovers wurde da diskutiert. Doch im Oktober 2023 stellte der RBB den Bürgertalk ohne Vorwarnung ein. In der letzten Runde ging es um Reform- und Sparpläne. Talksendungen, in denen die Bürger zu Wort kommen, fänden im RBB nicht mehr statt.
Als Schlager-Fan kritisiert Sander, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die regionale Kultur gewaltig vernachlässigen. „Jazz und Schlager werden bei fast gar keinem ARD- Sender mehr gespielt, das bekomme ich nur noch bei privaten Sendern“, sagt Sander.
Regionales Brauchtum, so wie es noch beim Bayerischen Rundfunk gepflegt wird, werde auch recht stiefmütterlich in der Programmgestaltung der Öffentlich-Rechtlichen behandelt. „Man kann noch froh sein, wenn der Karneval in Cottbus in irgendeiner Form noch beim RBB stattfindet.“
Zur regionale Unterhaltung würde es auch gehören, dass die Sender mehr die Musik aus der DDR spielen, so Sander. „Stars wie Frank Schöbel haben schon recht, wenn sie sauer darüber sind, dass Künstler aus dem Osten und ihre Lieder kaum noch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern vorkommen.“

Sander sieht seinen Zahl-Boykott als Protest. „Ich will erreichen, dass sich bei den öffentlich-rechtlichen Sendern endlich etwas zum Wohle der Beitragszahler ändert“, sagt er. „Wir müssen ja trotzdem für die öffentlich-rechtlichen Sender zahlen, auch wenn wir sie nicht sehen und hören wollen.“






