Über Nacht wurde Wolfgang Böhme in der DDR zur Persona non grata. Eben noch gefeierter Handballstar, plötzlich totgeschwiegen. Kurz vor Olympia 1980 flog er aus der Nationalmannschaft, auch aus seinem Klub (SC Empor Rostock). Weil es die Staatssicherheit so wollte. Jetzt, 45 Jahre nach seinem abrupten Karriereende, wird der heute 75-jährige Berliner geehrt.
Der 1,87 Meter große Linkshänder, der auf den Positionen Halbrechts und Rechtsaußen spielte, war in den 70ern nicht aus der Nationalmannschaft wegzudenken. Er war Kapitän, spielte 192-mal für die DDR, schoss 538 Tore. Seine größten Erfolge waren WM-Silber 1974 und WM-Bronze 1978.
Wolfgang Böhme: Er durfte 1980 nicht zu Olympia
Noch 1980 belegte er bei der Wahl zum DDR-Handballer des Jahres Platz 2 – doch bei Olympia im selben Jahr, in Moskau, war er schon nicht mehr dabei. Drei Monate vor den Spielen flog der damals 30-Jährige aus der Mannschaft – von den Gründen erfuhren die Fans nichts. Plötzlich war er weg, aber alles streng geheim.
Wolfgang Böhme hatte sich verdächtig und Feinde gemacht. Bei der Staatssicherheit – und auch in der Sowjetunion.
Wolfgang Böhme: Warum er in Ungnade fiel
Sein „Vergehen“ Nr. 1: 1978, bei der WM-Endrunde in Dänemark, hatte sich Böhme in der Nacht vor dem Endspiel in das Hotelzimmer der westdeutschen Spieler Heiner Brand (der spätere Bundestrainer) und Kurt Klühspies geschlichen und denen die Taktik des Endspielgegners Sowjetunion erläutert. Die BRD wurde Weltmeister.
Sein „Vergehen“ Nr. 2: Im Januar 1980 erhielt er beim Ostseepokal in Rostock ein lukratives Angebot des THW Kiel – doch er informierte das Ministerium für Staatssicherheit der DDR nicht über den Vorgang. Das war laut Böhme Auslöser für den Rauswurf. Als die Stasi über andere Wege von dem Angebot erfahren habe, sei er besonders intensiv beobachtet und später geächtet worden.
Der Handballer auf dem Höhepunkt der Karriere wurde wegen angeblich geplanter Republikflucht und weiterer Vergehen wie Schmuggel zur „Unperson“ erklärt und durfte auch nicht mehr in der ersten und zweiten Handball-Liga der DDR spielen.
In der DDR musste Böhme als Türsteher arbeiten
Böhme wurde Sportlehrer an einer Betriebsschule, später Türsteher in Berlin. Handball durfte er nur noch bei unterklassigen Vereinen spielen – bei der BSG Einheit Heringsdorf und bei EAW Treptow. Erst nach der Wende wurde er Trainer – unter anderem bei GWD Minden. Zuletzt trainierte er bis 2018 den TSV Rudow 1888.
45 Jahre nach seinem politisch motivierten Rauswurf aus der DDR-Nationalmannschaft hat Wolfgang Böhme nun mit dem Eintrag ins Goldene Buch des Deutschen Handballbundes eine vollständige Rehabilitierung erfahren. Der 75-Jährige, der in den 70er-Jahren zu den weltbesten Spielern gehörte, ist erst die achte Handball-Persönlichkeit in der Verbandsgeschichte, der diese besondere Ehrung zuteilwurde.

„Wolfgang Böhme war in seiner Zeit ein absoluter Weltklasse-Handballer, der aber auf politisch-dramatische Weise um den größtmöglichen Ruhm, den Olympiasieg 1980, gebracht wurde. Wir werden damit die Wunde von damals zwar nicht schließen können, aber wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass er mit dieser Zeit abschließen kann – als Mensch und als Handballer“, begründete DHB-Präsident Andreas Michelmann in seiner Laudatio auf dem Handball-Bundestag in Dresden die Auszeichnung.


