Es war das erste Autokino der DDR – und ist heute eines der letzten Autokinos Deutschlands. Das Autokino in Zempow, im Norden Brandenburgs, direkt an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Eine Handvoll der Freilicht-Kinos hält sich in Deutschland seit Jahren hartnäckig. Doch die Betreiber stehen vor großen Problemen.
1974 ging es in Zempow los. Der Landfilm-Vorführer Heinz Mögelin wollte damals aufs Land bringen, was er aus dem Westen kannte. Mögelin zeigte auch Filme, die damals in der DDR eigentlich verboten waren. Hier liefen die DEFA-Filme „Daniel Druskat“, „Spur der Steine“ und natürlich auch „Die Legende von Paul und Paula“.
Die Dorfjugend kam zu DDR-Zeiten mit Mopeds
Die Staatssicherheit sei damals immer mit dabei gewesen, habe aber nicht eingegriffen, erzählte Wilhelm Schäkel, der heutige Besitzer des Geländes dem Deutschlandfunk Kultur. „Man konnte nicht richtig was dagegen machen, weil 30.000 Besucher, Feriengäste. Das Stasi-Auto stand hier immer da, aber wenn die Leute durch das Tor gekommen sind, hatten sie ein Gefühl von Freiheit.“
Die Dorfjugend kam zu DDR-Zeiten mit Mopeds, erzählte eine, die damals dabei war. Das war immer so ein kleines Highlight für uns. Kino war immer speziell und gerade auch mit dem Imbiss, das fanden wir alles toll.“ Die Jugend saß auf Decken vor der Leinwand, dahinter rund 200 Trabis und Wartburgs.
Heute füllt sich die große Wiese wieder mit Autos. Es wird gegrillt, die Menschen packen ihre Klappstühle aus, Kinder toben im Hintergrund. Mit der Dämmerung beginnt an diesem lauen Sommerabend im Autokino im brandenburgischen Zempow der Film. „Dieses Autokino ist bereits aufgrund seiner Umgebung etwas Besonderes – eine fast magische Atmosphäre inmitten von Grün“, sagt Denise Grduszak, eine der Betreiberinnen des Kinos ganz im Norden des Bundeslandes.
Seit 2020 laufen in dem Traditionskino wieder Filme über die Leinwand. Grduszak ist stolz nach dem Kino-Aus im Jahr 2017 ein Stück DDR-Kulturgeschichte in der menschenarmen Gegend rund um die Mecklenburgische Seenplatte wiederbelebt zu haben. „Viele Gäste erzählen direkt am Einlass ihre Geschichten: „Da hinten auf der Terrasse habe ich meine Frau kennengelernt. Oder: Da haben wir das erste Mal geküsst““, gibt Grduszak die Gespräche wieder. Sowohl für Touristen als auch für Einheimische sei das Kino ein Erinnerungsort, der mit ihrer Geschichte oder der Geschichte ihrer Heimat verwoben sei. „Vor allem aber mit einem Gefühl von Urlaub, Freizeit und Freiheit.“

Die Zahl der Autokinos ist in Deutschland aktuell überschaubar. Die Filmförderanstalt zählte nach einem Boom in den 70er und 80er-Jahren im vergangenen Jahr bundesweit 31 Autokinos. Demgegenüber stehen mehr als 4000 klassische Kinos inklusive der großen Ketten mit mehreren Leinwänden – den sogenannten Multiplex-Kinos. In der Corona-Pandemie erlebten die Autokinos ein beeindruckendes Revival. Mehr als 450 Autokinos gab es nach Angaben der Filmförderungsanstalt im Jahr 2020.
„Das war eine der wenigen Möglichkeiten, Kino zu machen“ erinnert sich Christine Berg, Vorstandsvorsitzende des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater (HDF). Viele Kinobetreiber hätten die Chance genutzt – vor allem in den ländlichen Regionen. Dort gab es ausreichend Flächen und ungenutzte Parkplätze. So wurden die Autokinos schnell aus dem Boden gestampft, erklärt Berg. Mittlerweile habe sich die Zahl wieder zwischen 30 und 40 eingepegelt. Vor der Pandemie lag die Zahl der Kinos bei 28.
Das Modell Autokino werde seit längerem von Open-Air-Kinos abgelöst, führt Berg aus. Viele Menschen in den Städten hätten gar kein Auto mehr und Open-Air-Kinos bräuchten weniger Platz. Und auch das Geschäft in den Kinosälen unterliege einem stetigen Wandel. Viele Besucher hätten es gern bequemer und luxuriöser, sagt die Verbandschefin. „Sie wollen nicht eng sitzen, wollen Platz und neue Stühle.“ Auch Liegeflächen oder einen Service für das Essen am Platz gebe es inzwischen.
Autokino Zempow: Maximal für drei Jahre reicht das Geld noch
In Zeiten des Klimawandels könnte man meinen, das „Modell Autokino“ sei nicht mehr zeitgemäß. Dem widerspricht die Landesregierung in Brandenburg: „Da in einem Flächenland wie unserem das Auto häufig das Beförderungsmittel der Wahl ist, ist Autokino mindestens so zeitgemäß wie zum Einkaufen zu fahren“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Hendrik Fischer. Beides könne man heute auch mit dem Elektroauto erledigen. „Zudem sollten gesellschaftsfördernde Aktivitäten nie aus der Mode kommen“.

Auch Fischer sieht in der sozialen Komponente nach wie vor den „Reiz von Autokinos“. „Dieses Erlebnis kann das eigene Sofa nicht ersetzen.“ Zudem wisse man um den geschichtskulturellen Wert etwa des „ältesten Autokinos Ostdeutschlands in Zempow“. Wirtschaftlich seien die Standorte jedoch in den seltensten Fällen. Sie werden „ehrenamtlich getragen“, so Fischer. Häufig sind auch weitere Angebote an die Standorte gekoppelt wie Trödelmärkte, Workshops aller Art oder Kinder- und Jugendangebote.
Kinobetreiberin Grduszak sieht in der totalen Konzentration auf das Ehrenamt ein Existenzproblem vieler Autokinos. „Und leider ‚lebt‘ der Kinobetrieb, wie viele kulturelle Projekte im ländlichen Raum, vor allem von einer gehörigen Portion Selbstausbeutung“, sagt sie. Die Einnahmen aus dem Spielbetrieb deckten die Sachkosten wie Pacht und Marketing. Eine angemessene Entlohnung im Rahmen des Kinobetriebs bliebe abzüglich der Ausgaben für die Vorführlizenzen ein Wunschtraum.
Hier müsse dringend eine Lösung her: „Gegenwärtig zahlen wir den Helfern eine Ehrenamtspauschale, die vor allem aus einer Rücklage kommt, die wir in den vergangenen zwei Jahren bilden konnten“, betont Grduszak. Maximal drei Jahre könne sich das Kino so noch über Wasser halten.
Heute läuft „Herr der Ringe“, am Wochenende „Alfons Zitterbacke“
Grduszak glaubt an das Autokino und sieht seit Jahren eine stetig steigende Nachfrage. Sie hält das Kino im ländlichen Raum für unbedingt erhaltenswert – allein schon wegen der Vielfalt der Menschen, die dem Autokino etwas abgewinnen können: „Das ist die ältere Bibliothekarin aus Rheinsberg, die das Arthouse-Kino liebt. Die zwölfjährige Lena, die bei Oma und Opa in der Umgebung ihre Ferien verbringt. Der Handwerker aus Neuruppin, der mit seiner Familie einen Ausflug macht, Jugendliche, die mit ihren Mofas oder Rädern aus der Umgebung kommen. Camper- und Fahrradtouristen aus den Großstädten.“
Dann auf ins Autokino Zempow. Heute Abend, am Donnerstag, läuft „Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“, am Freitag „Girl you know it’s true“. Am Sonnabend stehen „Rocca verändert die Welt“ (inkl. Filmgespräch mit Hauptdarstellerin Luna Maxeiner) und am Sonntag die Verfilmung des DDR-Kinderbuchklassikers „Alfons Zitterbacke: Endlich Klassenfahrt“ auf dem Programm. Beginn: jeweils 20.44 Uhr. ■