Die Kleingartenanlage Elsenstraße im Berliner Ortsteil Hellersdorf: Dort sind 97 Laubenpieper fleißig in ihren Gärten zugange. Einer von ihnen ist Dr. Norbert Franke (79). Auf seiner 380 Quadratmeter großen Parzelle gedeihen gerade Mangold, Kugelpaprikas, Äpfel wachsen heran. Und jetzt blüht dem Rentner noch etwas ganz anderes: das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Norbert Franke kann es noch immer gar nicht glauben und erzählt, wie er vor drei Wochen einen Brief vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekam. „In dem Schreiben stand, dass man mich mit einem der höchsten Orden des Landes ausgezeichnet. Da habe ich gestaunt. Solche Ehrungen bekommen doch nur Politiker, Lebensretter oder Menschen, die wirklich etwas ganz Besonderes für die Gesellschaft geleistet haben.“
Na, da stapelt aber jemand tief. Norbert Franke ist ja nicht irgendwer, der seit insgesamt 53 Jahren fleißig gärtnert. Nein, der Mann ist der Obergärtner von Marzahn-Hellersdorf.
Der Obergärtner von Marzahn-Hellersdorf: Für ihn ist nicht nur die Höhe der Hecken wichtig

Seit 1997 ist er der Vorsitzende des Bezirksverbandes der Gartenfreunde. Hinter ihm stehen 19 Verbände mit insgesamt 2204 Parzellen, um die er sich sorgt. Und nicht nur um die. Als Vizepräsident des Landeskleingartenverbandes ist Franke sogar für alle Berliner da, die eine Datsche, Scholle oder Parzelle besitzen, wie auch immer man diese kleinen grünen Paradiese mitten in der Großstadt nennen will. Bis zu 70.000 Kleingärten gibt es in Berlin.
Nun könnte man denken, dass Franke zu denen gehört, die nur darauf achten, dass alle Kleingärtner sich auch an den Vereinsregeln halten. Klar, er geht schon mal mit dem Zollstock herum und mahnt diejenigen, deren Hecken am Gartenzaun höher als die vorgeschriebenen 1,25 Meter sind.

„Schließlich soll ja jeder sehen können, der unsere Siedlungen besucht, wie schön unsere Gärten sind und wie wir sie bewirtschaften und wie wichtig Kleingärten als grüne Oasen in der Großstadt sind“, sagt Franke. So mancher Kleingärtner vergisst, dass er für die Pacht des Grundstückes „lediglich 36 Cent pro Jahr und Quadratmeter zahlen muss“. „Wenn sie aber die Gartentür hinter sich zu machen, dann ist ihr Kleingarten wie ein Privatgrundstück – und das ist nicht der Sinn der Sache.“

Und darum wird auch darauf geachtet, dass auch jeder Laubenpieper wirklich ein Drittel seines Grundstückes für den Anbau von Obst und Gemüse nutzt. Diese Regelung war vor allem zu DDR-Zeiten wichtig. Denn die Kleingärtner im Osten sollten somit für die zusätzlich für die Versorgung der Bevölkerung mit frischen Tomaten, Erdbeeren oder Äpfeln sorgen.
Auch andere Versorgungslücken wurden damals von Kleingärtnern gedeckt, wenn auch nicht ganz legal. „Da gab es sogar Leute, die hatten über 100 Rosen im Garten, die sie dann am S-Bahnhof Schöneweide verkauften“, erinnert sich Franke.

Der Obergärtner von Marzahn-Hellersdorf: Er kämpft für den Erhalt der Berliner Kleingartenanlagen
Aber dem Obergärtner von Marzahn-Hellersdorf geht es nicht nur um Einhaltung der Verbandsregeln. Für ihn ist vor allem der Erhalt der Berliner Kleingartenkultur wichtig. Denn diese ist in Gefahr, weil die Großstadt wegen der anwachsenden Einwohnerzahl immer mehr Bauland für neue Wohnungen braucht. Hunderte Parzellen sind vom Aus bedroht, die Platz für Wohnsiedlungen machen sollen. Damit dies nicht passiert – dafür kämpft auch Norbert Franke.
„In unserem Bezirk haben wir schon viel erreicht“, sagt der Marzahn-Hellersdorfer Obergärtner. „1993 wurde beschlossen, dass in unserem Bezirk der Großteil der Kleingärten erhalten bleiben soll.“ Seine Kontakte zur Politik haben mit dafür gesorgt, dass dieser Beschluss auch heute noch eingehalten wird. „Der Bezirk hat Wort gehalten“, sagt Franke. „85 Prozent der Flächen sind als Dauerkleingartenanlagen gesichert. Vielleicht werden es sogar eines Tages 100 Prozent. Das ist mein größter Wunsch, bevor ich aufhöre.“
Dabei kann man sich ein Ende im Verband bei Norbert Franke gar nicht vorstellen. Stunden vor der Verleihung des Ordens, den er für seinen Einsatz für den Erhalt der Gärten in seinem Kiez bekommt, war er noch im Vereinsbüro, dann steht der Rentner mit der Forke in seinem Garten, macht hier und da einige Stellen auf seiner Parzelle hübsch.
Stolz zeigt Franke den KURIER-Reportern seinen kleinen Goldfischteich und eine seltsame Pflanze, die in seinem Garten blüht. „Ein afrikanisches Löwenohr, vermutlich haben Vögel den Samen von den Gärten der Welt in meinen Garten getragen“, sagt er.
Seit 53 Jahren leidenschaftlicher Gärtner: Vier Parzellen hatte er schon

Ein Leben ohne Parzelle kann sich Franke gar nicht vorstellen. „Das Gärtnern ist für meine Frau und ich Erholung pur, ein guter Ausgleich zum stressigen Alltag.“ Seit 53 Jahren ist Franke nun schon leidenschaftlicher Gärtner.
Bereits als kleiner Junge, der im Friedrichshain und dann in Lichtenberg aufwuchs, war er von der Natur begeistert. Die Gärten der Nachbarschaft zogen ihn magisch an – zunächst zum Äpfelklauen. Als die Flegeljahre vorbei längst waren, Franke Lehrer für Biologie sowie Chemie und später stellvertretender Leiter eines Forschungsinstitutes des DDR-Umweltministeriums wurde, wuchs das wahre Interesse für einen Garten.

Die Parzelle in der Siedlung „Elsenstraße“ in Hellersdorf ist schon sein vierter Garten. Der erste befand sich in Biesdorf-Süd. „Dort war ein ehemaligen Exerzierplatz der Russen“, sagt Franke. „Ich musste aber zuvor im Kreisverband mitarbeiten. Erst drei Jahre später bekam ich dann endlich auch den Garten.“
Lange hatte Franke den Garten nicht. Ende der 80er-Jahre wurde die damalige U-Bahnlinie E (heute U5) vom Tierpark nach Hellersdorf verlängert. „Wo heute der U-Bahnhof Biesdorf-Süd steht, war unser Garten.“

Die nächsten beiden Parzellen, die Franke bekam, entpuppten sich als „Westgrundstücke“, die nach der Wende und der deutschen Wiedervereinigung an die Eigentümer zurückgegeben werden mussten. Seit vier Jahren beackert er und seine Frau nun den Garten an der Elsenstraße.
