Silvia El Halfaoui (45) nimmt uns mit zur Aussicht in den 21. Stock! Sie wohnt ganz oben, da, wo regelmäßig Touristen hochtraben, um die schöne Plattenbau-Gegend und ganz Berlin zu sehen. „Diese Wohnung war ein wahrer Glücksgriff!“
Fast jeden Sonnenuntergang, den Berlin zu bieten hat, beobachtet Silvia von ihrer Wohnung aus. „Von hier aus sehe ich den Fernsehturm. Jeden Morgen. Und das für 323 Euro warm! Seit sechs Jahren!“ Silvia ist richtig zufrieden. Im Haus gebe es sogar Führungen – wegen der Aussicht.
Silvia kommt aus Nordrhein-Westfalen. Dass sie ausgerechnet in Marzahn landen würde, hätte sie früher selbst nicht geglaubt: „Ich hatte auch das Klischee im Kopf: Marzahn, das sei irgendwie ... na ja.“ Sie sucht nach Worten: „Grau, assig, rechts.“ Sie schüttelt den Kopf: „Das ist wirklich überzogen.“
Die Vorurteile, mit denen der Stadtteil zu kämpfen hat, kann Silvia einfach nicht unterschreiben. „Viele glauben, es sei hier asozial. Das kann ich wirklich nicht bestätigen, nicht in den sechs Jahren, die ich hier lebe.“

Die günstigsten Wohnungen finden sich heutzutage laut dem Maklerhaus CBRE in den Bezirken Lichtenberg, Spandau und vor allem in Marzahn-Hellersdorf, wo die Angebotsmieten bei knapp 7,33 Euro pro Quadratmeter liegen, was die Berliner Woche zuerst berichtete.

Marzahn ist nicht Kreuzberg – und das ist auch gut so
„In Kreuzberg könnte ich nicht einfach mit meiner Katze spazieren gehen. Hier kann ich das. Ich wollte Ruhe. Und die habe ich.“ Schwimmen, spazieren, Nachbarn grüßen – der Alltag hier sei entschleunigt und persönlich. Abends fehle vielleicht ein bisschen Leben, aber: „Ich habe genau das bekommen, was ich gesucht habe.“ Müll liegt hier keiner, meint sie: „Es ist sauber, grün – und ich bin in 30 Minuten am Alex?“, sagt Silvia.
Sie ruft nach ihren grauen Kater, der in den Büschen umherschleicht, dieser antwortet ihr, kommt hervor. Alle kennen ihn hier, der Kater ist eine richtige Sensation. Mit einem Campingstuhl über der Schulter steht sie im hohen Gras, vor dem großen Wohnkomplex, der ihr Zuhause ist. Dass man in Marzahn ständig „Ick“ und „Ooch“ hört, findet sie auch nett. „Man spürt das ehemalige Marzahner Dorfleben heute noch.“
Berliner Urgestein aus Marzahn: „Ich bin Ossi! Und ich will nicht in den Westen“

Klaus, ein Berliner Urgestein des Viertels, lebt seit 1993 im selben Haus – und hat Marzahn sich mausern sehen. „Damals war hier alles Lehm. Wenn’s geregnet hat, brauchtest du Gummistiefel.“ Er lacht. „Heutzutage ist es so schön grün!“ Dann schüttelt er den Kopf: „Weißt du, früher war unser schönes Marzahn verpönt, und heute, wenn Wohnungen frei werden, stehen sie Schlange!“
Seine 50-Quadratmeter-Wohnung kostet ihn rund 600 Euro warm. „Mietmäßig ist das hier schon ein Super-Kiez“, sagt er. Nur der Fahrstuhl sei „seit Ewigkeiten kaputt“. Er selbst will nicht weg, und keinesfalls in andere Bezirke. Weder nach Friedrichshain, Berlin-Mitte – und nach Charlottenburg erst recht nicht! „Ich bin Ossi! Und ich will nicht in den Westen. Die ticken anders, die sind verklemmt.“ Außerdem sei hier die Luft gut und die Lage einfach top: „In ein paar Minuten bist du im alten Marzahner Dorf, bei der Mühle oder im Garten der Welt. Was willste mehr?“ Dann fügt er hinzu: „Manche hier trennen vielleicht den Müll nicht immer – aber wir kommen klar.“

Berlins billigster Kiez liegt in Marzahn: mehr als Plattenbauromantik!
Auch Nathaliia (33) und ihre zwei Söhne haben ihr Zuhause in Marzahn gefunden. Mit Dennis und Andrii lebt sie auf der Marzahner Promenade, in der unmittelbaren Nähe der Raoul-Wallenberg-Straße. Also mitten im Kiez. „Mit Kind ist Marzahn sehr gut“, sagt sie, der keine Dennis hüpft Trampolin. „Es ist ruhig, grün und ideal für Familien.“ Sie schätzt die großen, übersichtlichen Spielplätze, die vielen Kitas und die Nähe zu guten Schulen. „Mein älterer Sohn liebt die Sportplätze, da gibt es richtige Geräte.“ Für sie zählt aber auch das Miteinander: „Es gibt hier viele Nationalitäten, aber auch deutsche Leute. Man versteht sich.“