Grüne Samtbetten, Küchenrollen auf dem Nachttisch, Zebratapeten und Spiegel: Hätten Sie gedacht, dass es in einem Bordell genau so aussieht? Viele würden gern mal einen Blick hinter die Kulissen der Rotlicht-Szene werfen. KURIER hatte jetzt die Gelegenheit: Zum 50. Jahrestag des Internationalen Hurentags wirft der KURIER einen Blick in das Berliner Bordell „Candy Shop“ – und das mitten im laufenden Betrieb.
Hier kostet die kleine Coca-Cola 6 Euro, der Champagner 300 Euro für eine Flasche – und eine halbe Stunde mit einer Frau sind für 90 Euro zu haben. Das Gebäude des Bordell „Candy Shop“ in Berlin-Lankwitz erinnert an ein Westernhaus. Die Rollläden sind heruntergelassen, eine Balkontür steht offen. Der Eingang, durch den wir geleitet werden, ist auf der Rückseite. Es ist warm, es riecht nach Putzmitteln – im Keller klappert eine Waschmaschine. Stimmen kommen aus dem Personalzimmer. Ein Gast huscht mit gesenkten Blick vorbei. Er darf in einem Zimmer warten, weiß, wohin er muss. Die Frauen, die dann ins Zimmer gehen, sind knapp bekleidet, haben hohe Schuhe an.

Bordellbetreiber Aurel Johannes Marx begrüßt den KURIER. Schon 25 Jahre betreibt er solche Etablissements, erzählt er. „Den Candy Shop gibt es aber erst seit Corona.“ Im Jahr 2020 übernahm er den Laden. Er führt uns herum, zeigt uns die Zimmer mit den grünen Samtbetten und den großen Spiegeln. Wie viel Kundschaft wohl jeden Tag in diesen Betten landet? „Wir haben um die 30 bis 50 Gäste täglich“, erzählt Marx. Die Kunden seien „Männer von 18 bis 80 Jahren, quer durch alle Gesellschaftsschichten“.
Vom BWL-Studium ins Rotlichtmilieu
Die Karriere des Puff-Besitzers fing aber ganz anders an, erzählt er. „Ich bin gelernter Kfz-Mechaniker, und dann habe ich BWL studiert, weil ich Geld verdienen wollte“, sagt Marx. Dann kam er zum Rotlichtmilieu. Lohnt es sich denn? Es sei klar, dass man mit Bordellen Geld verdienen kann. Aber es gehe nicht nur um die Kohle. „Es macht mir seit 25 Jahren Spaß und ich bin damit auch sehr erfolgreich.“

Es gibt um die 60 Bordelle in Berlin – über 2000 Sexarbeitende waren im vergangenen Jahr in Berlin angemeldet, viele von ihnen aus dem Ausland. Auch wird von einem Dunkelfeld aus nicht angemeldeten Sexworkern ausgegangen. Nach welchen Kriterien werden die Sexworkerinnen im „Candy Shop“ eingestellt? „Ich achte vor allem darauf, dass sie auf Deutsch oder Englisch kommunizieren können, sonst können die Frauen keine selbstbestimmte Sexarbeit machen“, sagt Marx. Der Puff-Chef betont: „Sie müssen auch eine gültige Registrierung und Gesundheitsberatung haben, nach dem neuen Prostituiertenschutzgesetz.“
Arbeit im Bordell: So funktioniert die Arbeit der Prostituierten
Im Personalzimmer sitzen sie, die Frauen, die hier freiberuflich tätig sind. Es wird gehäkelt, gegessen, geplaudert – die Stöckelschuhe liegen beim Eingang. „Ach, der KURIER!“, sagt die Frau an der Tür. Wie genau läuft der Job für die Damen, die hier dem Beruf nachgehen, eigentlich ab? Das wollen wir natürlich etwas genauer wissen. Eine Prostituierte erklärt den Ablauf: „Erstmal stellt man sich vor – ein ‚Hallo‘, ein Name. Dann entscheidet man sich, ob man mit dem Gast auf ein Zimmer gehen möchte oder nicht.“

Intime Einblicke: So läuft es auf dem Zimmer im Bordell „Candy Shop“
Auf dem Zimmer erfolge dann erst einmal eine Art mündliche Vertragsabsprache. „Wir klären, welche Wünsche der Kunde hat und ob ich dazu bereit bin. Dann klärt man den Preis. Einigt man sich nicht, gehen die Wege auseinander.“ Falls man sich nicht wohlfühlt, könne man jederzeit abbrechen, ohne sich groß erklären zu müssen. „Ich meine, man macht das intimste der Welt. Dann muss es schon funktionieren“, erklärt die Frau.
Sie erzählt uns auch, dass alle Extras nur gegen Absprache und Aufpreis gehen. Und worauf sollten die Kunden unbedingt achten? „Man sollte vorher schon gerne duschen. Der kann attraktiv sein, gut zahlen, was auch immer – wenn der schlecht riecht, geht nix.“ In jedem Zimmer gibt es Waschbecken, Mundwasser steht da, Desinfektionsmittel, Seife.

Heute ist hier Tag der offenen Tür – es gehe darum, den Beruf von Prostituierten sichtbar zu machen und darauf hinzuweisen, dass die Legalisierung von Sexarbeit wichtig ist. Bordellführungen und mehr fanden im Rahmen der Aktionswoche zum 50. Hurentag statt. Denn die Sexarbeitsbranche blickt mit großer Sorge in die Zukunft. „Die aktuelle Diskussion um die Einführung eines sogenannten nordischen Modells oder Sexkaufverbots macht Angst“, so schreibt es der Berufsverband der erotischen und sexuelle Dienstleistungen e. V. auf der Homepage. Denn 1999 war Schweden das erste Land der Welt, das den Kauf von Sexualdienstleistungen kriminalisierte.
Am 2. Juni 1975 fand im französischen Lyon der berühmte „Hurenstreik“ statt. Wochenlang besetzten über 100 Sexarbeitende die Kirche Saint-Nizier, um gegen zunehmende Repressionen zu kämpfen, das ist nun 50 Jahre her. Anlässlich dieses Jubiläums wurden jetzt bundesweit die Menschen eingeladen, ein Blick hinter die Kulissen der Sexarbeit in Deutschland zu werden – auch um Berührungsängste abzubauen.