Eine Prostituierte wartet auf ihrem Zimmer in einem Bordell auf Kundschaft. (Symbolfoto)
Eine Prostituierte wartet auf ihrem Zimmer in einem Bordell auf Kundschaft. (Symbolfoto) Foto: dpa/Andreas Arnold

Innenminister Horst Seehhofer hat eine neue Debatte über die Wirksamkeit und teils kontraproduktive Auswirkungen der Corona-Verordnungen entfacht. Zunächst ging es um den entstandenen Schwarzmarkt bei Friseuren. Jetzt sagen Sexarbeiterinnen, Bordell-Betreiber und Politiker, Seehofers Argumentation trifft auch auf Prostitution und andere sexuelle Dienstleistungen zu. Auch hier sei ein Schwarzmarkt entstanden, der für die betroffenen Frauen „finanziell und auch menschlich eine Katastrophe ist“. Das sagt der Bordell-Betreiber Aurel Johannes Marx der Berliner Zeitung. Der Verein Hydra e.V., der sich seit 40 Jahren für die Rechte von Sexarbeitenden einsetzt, schlägt ebenfalls Alarm.

Lesen Sie auch: Prostitution verboten, aber: „Die Freier stehen im Hausflur Schlange“ >>

Man solle „die­je­ni­gen Maß­nah­men zu­rück­neh­men, die ganz of­fen­sicht­lich kei­ne Schutz­wir­kung ent­fal­ten“, sagte Seehofer dem Spiegel. So habe sich bei den Friseuren „re­gel­recht ein Schwarz­markt“ ent­wi­ckelt. Viele Menschen wür­den sich auf an­de­ren We­gen und ohne Hy­gie­ne­kon­zep­te die Haa­re schnei­den las­sen. Das ist laut Horst Seehofer viel ge­fähr­li­cher, als Fri­seur­lä­den mit ei­nem stren­gen Hy­gie­ne­kon­zept die Öff­nung zu er­lau­ben. Dasselbe gilt nach Ansicht des Berliner Bordellbetreibers Aurel Johannes Marx auch für die Rotlicht-Branche.

Sexarbeit nur mit Mund-Nasen-Schutz und Hygienekonzept

Ein Bordellbesuch könne laut Marx an starre und strenge Regeln geknüpft werden. So müssten Kunden und Sexarbeitende einen Mund-Nasen-Schutz tragen, zudem müsse für ausreichend Lüftung gesorgt werden. Weiterhin müssten Kundinnen und Kunden „die Möglichkeit haben, ihre Hände zu waschen oder zu desinfizieren“ und es sei „darauf zu achten, dass sie hiervon Gebrauch machen“. Textilien, die in Kontakt mit den Kundinnen und Kunden eingesetzt werden, müssten zudem „nach jedem Kunden ausgetauscht“ werden.

Oberflächen, Sanitär- und Pausenräume sowie Handkontaktflächen, die auch von Kunden angefasst werden, insbesondere Türgriffe, seien regelmäßig, mindestens aber einmal täglich zu reinigen. Fast alle dieser Regeln werden nach Aussagen des Bordellbetreibers „ohnehin bereits beachtet, auch schon in Zeiten vor Corona“. Aber eben nur in „sauber geführten Läden, in denen die Frauen offiziell als Sexarbeitende angemeldet sind und somit legal arbeiten“.

Auch die Nachverfolgung im Falle einer Infektion mit dem Corona-Virus sei kein Problem: Kunden müssten wie in anderen Branchen auch ihre Kontaktdaten angeben. Im Escort-Service sei diese Praxis ohnehin weit verbreitet. Sie bietet den Sexarbeitenden laut Marx „ein Mindestmaß an Schutz“. Zumindest aber habe man im „Fall der Fälle die Möglichkeit, juristisch gegen die Person vorzugehen, wenn sie eine Sexarbeitende etwa „bedrängt, ausraubt, nicht bezahlt oder vergewaltigt“. Wenn ein Sexkunde seine Daten im Vorfeld nicht angeben wolle, dann „schicken wir ihn ohne Diskussion weg“.

Lesen Sie auch: KURIER-Besuch im Puff: Dominas peitschen gegen Corona-Auflagen >>

In der illegalen Prostitution gibt es keinen Schutz für Sexarbeiter:innen

In der illegalen Prostitution gibt es all das nicht. Keine Hygenievorschriften, keine Nachverfolgbarkeit, keine Ausweise, keine sicheren Arbeitsplätze für die Sexarbeitenden. „Aufgrund der Corona-Bestimmungen ist Prostitution in Deutschland seit Mitte März 2020 illegal, aber wie wir immer wieder gesehen haben, verschwindet Sexarbeit nicht einfach, wenn sie verboten wird“, teilte der Verein zum Internationalen Tag zur Beendigung von Gewalt gegen Sexarbeiter:innen mit. So müssten „die Arbeitenden immer noch ihren Lebensunterhalt verdienen“, würden aufgrund der aktuellen Verbote aber „in noch geheimere, noch gefährlichere Situationen gedrängt“.

Die Gewalt gegen Sexarbeitende könne dabei „von einem Kunden, einem Intimpartner, der Polizei oder einem Fremden auf der Straße“ ausgehen. Und weiter: „Der Staat garantiert, dass diese Gewalt durch die Kriminalisierung von Prostitution fortgeführt wird“.

Auch der Berliner Abgeordnete und Innenexperte Marcel Luthe plädiert dafür, Prostitution wieder zu erlauben, etwa in legalen Bordellen oder Massagesalons. „Wenn ein bestehender Schwarzmarkt ein Argument sein soll, sollte der angebliche Innenexperte Seehofer zuerst an die Folgen der illegalen Zwangsprostitution denken, die seit fast einem Jahr Hochkonjunktur hat“, sagte Luthe dem Berliner KURIER.

Lesen Sie auch: Prostitution statt Wellness: FBI ermittelt gegen Gründerin von Orgasmus-Meditationsfirma >>

„Die Geschäfte der Menschenhändler boomen“

Und weiter: „Während legale Betriebe geschlossen sind, boomen die Geschäfte der Menschenhändler und Zuhälter unter den Augen von Bundesregierung und Senat.“ Luthe ist überzeugt: „Keine Branche hat ein größeres Interesse an der Gesundheit aller Beteiligten als die legale Prostitution und keine ist engmaschiger kontrolliert.“

Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wurde in einem aktuellen Interview des Münchner Merkur gefragt, ober zuerst Schulen und Kitas oder Friseure aufsperren würde. Darauf antwortete Dobrindt, dass er grundsätzliche keine schnellen Lockerungen sehen würde. Sollte man aber über die Reihenfolge von Lockerungsmechanismen diskutieren, müsse „nicht zwingend die Schule zu Beginn stehen“, weil ein „mögliches Infektionsgeschehen in den Schulen“ aus seiner Sicht „kein unwesentliches Risiko“ dar. Dobrindt könnte sich „Lockerungen beispielsweise bei körpernahen Dienstleistungen oder anderen Bereichen zu Beginn eher vorstellen“.