Fünf Mal Wahnsinn

Berliner Schildbürgerstreich: Tiergartentunnel dicht – der Grund ist irre!

Die Hauptstadt legt sich selbst lahm. Immer wieder treffen hier Behörden Entscheidungen, die einen fassungslos machen.

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Die Tunneleinfahrt am Berliner Hauptbahnhof: Weil Schilder fehlen, die nur Bussen und Lkw die Zufahrt verbieten, müssen auch Pkw und Motorräder im Tiergartentunnel Richtung Kreuzberg draußen bleiben.
Die Tunneleinfahrt am Berliner Hauptbahnhof: Weil Schilder fehlen, die nur Bussen und Lkw die Zufahrt verbieten, müssen auch Pkw und Motorräder im Tiergartentunnel Richtung Kreuzberg draußen bleiben.Stefan Henseke

Manchmal kann man nur noch den Kopf schütteln. Über Berlin. Über Entscheidungen der Berliner Verwaltung, der Bezirke, der Politiker, die die Stadt unnötig ausbremsen. Irre Entscheidungen, die oft an dumme Schildbürger-Streiche erinnern. Wie etwa der Entschluss, den Tiergartentunnel in Richtung für alle Autos zu schließen - obwohl das gar nicht nötig wäre. Nicht der einzige Schwachsinn, der Berlinern gerade zu schaffen macht. Aber lesen Sie selbst.

Tiergartentunnel in Mitte: Die Entlüftungsanlage ist marode. Gerät ein größeres Fahrzeug in Brand, ist nicht sicher, ob die nur teilweise arbeitende Anlage genug Wind machen würde, um die Rauchschwaden wegzublasen. Deshalb dürfen in Richtung Kreuzberg keine Lkw und Busse einfahren. Aber: Das Extra-Fahrverbot für Busse und Lkw könne die elektronische Signalanlage nicht anzeigen – und normale Straßenschilder waren aus unerfindlichen Gründen bisher heranzuschaffen.

Tiergartentunnel: Berliner Autofahrer stehen im Stau

Und so teilte die Senatsverwaltung Verkehr am Donnerstag mit, dass der Tiergartentunnel Richtung Kreuzberg weiterhin komplett geschlossen bleibe. Auch für Pkw, die jetzt unnötigerweise im Umfahrungsstau stehen. Vier Tage später sind wohl immer noch keine stinknormalen Verkehrsschilder aus Blech da. Die Verkehrsinformationszentrale zeigt für den Tunnel an: „Fahrtrichtung gesperrt, wegen technischer Probleme“.

Leibniz-Gymnasium in Kreuzberg: Die Anzahl der Schüler (800) ist inzwischen zu groß für den Schulhof. Was tun? Auf dem zur Schule gehörenden Sportplatz wird monatelang gebaut. Also widmete Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne) kurzerhand die (Schleiermacher-) Straße vor der Schule zur temporären Schulstraße (zwischen Gneisenaustraße und Spielplatz) um. Alles wird abgesperrt und die Straße zum Pausenhof erklärt. Vorerst bis Mai 2025.

Nelson-Mandela-Schule in Wilmersdorf: Die Eltern haben seit Jahren dafür gekämpft, dass der Schulweg ihrer Kinder sicherer wird. So weit, so gut. Doch Bezirksstadtrat Oliver Schruoffenegger (Grüne) hat zur Lösung des Problems eine „minimalinvasive Lösung“ gefunden, wie er sagt. Morgens zwischen 7.30 und 8.15 Uhr ist die Pfalzburger Straße vor der Schule seit zwei Wochen für den Autoverkehr gesperrt.

Die Pfalzburger Straße vor der Nelson-Mandela-Schule wird jetzt jeden Morgen vonm den Eltern abgesperrt.
Die Pfalzburger Straße vor der Nelson-Mandela-Schule wird jetzt jeden Morgen vonm den Eltern abgesperrt.Bernd Friedel/imago

Doch der Bezirk sorgt nicht selbst dafür, dass die Straße sicher abgesperrt wird. Das müssen die Eltern tun. „Für die Beschilderung und Gestaltung sind 700 Kilogramm an Schildern und Baken nötig – die von den Eltern selbst zu transportieren sind. Und im Anschluss müssen die 700 Kilogramm wieder eingesammelt und gelagert werden“, teilte Changing Cities mit. Der Verein kritisiert das mangelnde Engagement des Bezirks und fragt: „Werden wir zukünftig auch selbst den Krankenwagen fahren müssen oder die eigene Mülldeponie betreiben?“

Campus Schätzelberg in Mariendorf: Hier sollten ab 2025 rund 230 dringend benötigte Wohnungen (davon 85 gefördert) gebaut werden. Investitionssumme: 100 Mio. Euro. Doch ein verwaistes Nest eines längst ausgezogenen Mäusebussards blockiert den ganzen Bau auf dem ehemaligen Friedhofsgelände.

Vogelnest ohne Vogel, Brücke ohne Zufahrt

Das Vogelsnest ist zerfallen, weist Löcher auf und wurde laut einem Gutachten seit mindestens 2022 nicht mehr genutzt. Tatsächlich war der letzte Nachwuchs schon 2020 flügge geworden. Der Vogel, der hier einst brütete, ist also längst von dannen. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz hätte das Nest seinen Schutzstatus nach zwei Jahren verloren, doch die Berliner Naturschutzbehörden zeigen sich hartnäckig und erhöhten die Schutzfrist plötzlich auf vier Jahre.

Autobrücke Wust in Brandenburg/Havel: Schildbürger sind nicht nur in Berlin unterwegs. Berliner, die mit dem Auto Richtung Brandenburg an der Havel unterwegs sind, kennen das surreale Bild. In Wust, einem Ortsteil von Brandenburg, steht seit einem Jahr eine fertige Brücke neben der Bundesstraße B1. Allein und ungenutzt. Der Grund: Sie hat überhaupt keine Zufahrt. Gebaut wurde die 17 Millionen teure Brücke, damit Autofahrer nicht mehr von Zügen auf der vielbefahrenden Bahnstrecke, die die B1 kreuzt, ausgebremst werden. Doch die staugeplagten Brandenburger müssen noch jahrelang auf Erlösung warten.

Die Brücke ohne Zufahrten: Nebenan stehen Autofahrer täglich vor der Schranke im Stau.
Die Brücke ohne Zufahrten: Nebenan stehen Autofahrer täglich vor der Schranke im Stau.T. Messerschmidt/Stadt Brandenburg an der Havel

Um Zeitpläne, Fristen und Absprachen mit der Deutschen Bahn einhalten zu können, wurde zunächst nur die Errichtung des „Brückengrundkörpers“ beantragt, heißt die irre Begründung vom Landesbetrieb Straßenwesen in Brandenburg. Der Bau der Zufahrten wurde er jetzt ausgeschrieben. Fertigstellung: nicht vor 2026!  Die Brücke ohne Zugang hat es jetzt in die Rubrik „Realer Wahnsinn“ des NDR-Magazins „Extra3“ geschafft. „Über sieben Brücken musst Du gehen! Aber auf diese kommst Du gar nicht erst rauf“, lästern die Fernsehmacher. ■