Neue Wagen noch später?

Berliner S-Bahn steuert ins Chaos: Züge pfeifen aus dem letzten Loch

Längst sollten mehr als 1400 neue Wagen bestellt und ein neuer Betreiber für elf Berliner S-Bahn-Linien gefunden sein: Doch jetzt sieht es so aus, als ob die Ausschreibung dafür erneut verschoben wird.

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Die Berliner S-Bahn benötigt dringend neue Züge: Doch die Ausschreibung dafür wurde immer wieder verschoben.
Die Berliner S-Bahn benötigt dringend neue Züge: Doch die Ausschreibung dafür wurde immer wieder verschoben.Anne Schönharting/Ostkreuz

Viele der Berliner S-Bahn-Züge pfeifen aus dem letzten Loch: Immer wieder kommt es zu Ausfällen, Probleme bereiten vor allem die alten Wagen der Baureihe 480 (ab 1990). Längst sollten mehr als 1400 neue Wagen bestellt und ein neuer Betreiber gefunden sein – doch die Ausschreibung wird immer wieder verschoben. Bereits 24 Mal seit dem Start des Vergabeverfahrens im Juli 2020, wie die Berliner Zeitung berichtet. Jetzt könnte es zum traurigen Jubiläum kommen: Die 25. Verschiebung wird immer wahrscheinlicher.

Vor mehr als vier Jahren begann das aufwendige Vergabeverfahren. Ausgeschrieben sind elf Linien, die zwei Drittel des Berliner S-Bahnverkehrs ausmachen: der Betrieb auf den Nord-Süd-Verbindungen sowie auf der Stadtbahn ab den 2030er-Jahren.

In diesem Zuge soll die S-Bahn mindestens 1400 neue S-Bahn-Wagen erhalten, die die allmählich in die Jahre kommende Flotte verjüngen. Gesucht sind Unternehmen, die die neuen S-Bahn-Wagen bauen, 15 Jahre fahren und 30 Jahre instand halten. Die Länder kauft die Züge (rund 5,6 Mrd. Euro) und überlassen sie dem Betreiber.

Weitere Verschiebung: „Neun Monate plus stehen im Raum“

Erst vor wenigen Wochen wurde die Ablauffrist der Ausschreibung und damit auch der Termin für die Inbetriebnahme der neuen Züge wieder mal nach hinten verschoben – auf den 27. März 2025. Und mit der Verschiebung der Frist verschob sich natürlich auch der avisierte Termin der Betriebsaufnahme: auf den 17. Februar 2031 (Teilnetz Stadtbahn) bzw. 28. April 2031 (Teilnetz Nord-Süd).

Schon damals tauchte ein neues Problem auf: Nämlich die Frage, ob die S-Bahn statt mit 750 Volt künftig mit 1500 Volt fahren soll. Würden sich die Verantwortlichen entschließen, die Nennspannung zu erhöhen, wäre das bei den Anforderungen an die neuen Züge zu berücksichtigen. Und genau dieses Problem könnte jetzt zur nächsten Verschiebung führen. Zwar bestätigt der Verkehrssenat der Berliner Zeitung die bisherige Frist „27. März 2025“, doch Brancheninsider beginnen zu zweifeln.

Laut dieser Insider, mit denen die Berliner Zeitung gesprochen hat, wird offenbar über eine weitere Verschiebung nachgedacht. Diesmal ist sogar von mehreren Monaten die Rede. „Neun Monate plus stehen im Raum“, heißt es. Das wäre dann Dezember 2025. „Seit Ende 2024 gibt es neue gutachterliche Erkenntnisse zur Stromversorgung der S-Bahn“, sagte die Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) während der jüngsten Sitzung des Verkehrsausschusses im Abgeordnetenhaus. Es geht wieder um Frage, ob es nicht besser wäre, dass die Berliner S-Bahnen in Zukunft nicht mit 750 Volt, sondern 1500 Volt (1,5 Kilovolt) unterwegs sein sollten.

Vorteil für die neue S-Bahn: Mit höherer Spannung könnten die Züge schneller beschleunigen, es wären mehr Fahrten als bisher stabil möglich, Komforterhöhungen wie eine Klimatisierung wären einfacher, heißt es in der Untersuchung, die im vergangenen Oktober vorgelegt wurde, wie die Berliner Zeitung schreibt. Übrigens: Schon zu DDR-Zeiten wurde deshalb nachgedacht, die Nennspannung zu erhöhen – damals wurden 1200 Volt geplant.

Die Probleme der S-Bahn-Ausschreibung

Problem 1: Alles würde teurer werden, es geht um 500 bis 700 Millionen Euro. Allein die Umrüstung der S-Bahnwagen würde wohl 160 Millionen Euro kosten, auf die Länder würden weitere 150 Mio. Euro zukommen, die Energiekosten würden um ein Prozent steigen.

Problem 2: Für das ganze Netz wären 117 neue Bahnstromanlagen nötig. Vor allem Unterwerke, in denen Strom eingespeist wird. Für Berlin und Brandenburg wären hohe Folgekosten für die Wartung absehbar, neue Baugrundstücke müssten gefunden werden.

Problem 3: Schon jetzt genügt die Stromversorgung von DB Energie den Ansprüchen nicht mehr, auf dem Ring und der Stadtbahn gibt nur noch halb so viele Unterwerke wie noch 1939, heißt es in der Berliner Zeitung. Inzwischen gebe es „Mangelgebiete“, in denen der S-Bahn-Verkehr nur noch mit Mühe aufrechterhalten werden kann.

Problem 4: Alle Unternehmen, die jetzt schon für die Ausschreibung eine neue S-Bahn-Generation planen, müssten die Entwürfe überarbeiten, wenn die Züge für eine Spannungserhöhung vorgerüstet werden sollen.

Noch hält die Berliner Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) am Ausschreibungstermin 27. März fest.
Noch hält die Berliner Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) am Ausschreibungstermin 27. März fest.dpa

„Es wäre krass, wenn die Frist zur Angebotsabgabe erneut verschoben werden müsste – noch dazu um viele Monate“, warnt ein Branchenvertreter in der Berliner Zeitung. „Das wäre nicht nur eine Katastrophe für die S-Bahn-Fahrgäste. Sie müssten noch länger auf moderne Fahrzeuge warten, es bestünde auch die Gefahr, dass der Fahrzeugpark schrumpft, weil Züge der älteren Baureihe 480 ausgemustert werden müssen.“ ■