Zu DDR-Zeiten war der graue Kasten das Berliner Frauen-Gefängnis, Mitte der 90er Jahre wurde der Komplex zu einem Abschiebegefängnis für 371 Menschen umgebaut. Noch vor der Eröffnung planten damals zwei Männer einen Anschlag auf einen Gefängnisbau. Als dies scheiterte, tauchten sie ab. Fast genau 30 Jahre später stellen sie sich in Berlin einem Prozess vor dem Kammergericht, der am Montag begann.
Die beiden Männer gehörten der linksextremistischen Gruppe „Das Komitee“ an. Für das Verfahren vor dem Berliner Kammergericht waren die beschuldigten Peter K. (65) und Thomas W. (62) aus ihrem Exil in Venezuela nach Deutschland zurückgekehrt. Und jetzt kommen sie vorerst frei.
Haftverschonung gegen Geständnis
Das Berliner Kammergericht setzte die Untersuchungshaft für Peter K. und Thomas W. am Montag außer Vollzug. Zuvor hatten die 65 und 62 Jahre alten Männer, die seit der Tat untergetaucht waren, ein Geständnis abgelegt. Dies sei Inhalt einer entsprechenden Verständigung, sagte der Vorsitzende Richter Gregor Herb.
Inhalt der Verständigung zwischen Gericht, Bundesanwaltschaft und Verteidigung war laut Richter Herb nicht nur das Geständnis und die Haftverschonung, sondern auch der Strafrahmen. Demnach werden die beiden, sollten sich keine unerwarteten Wendungen ergeben, lediglich zu Bewährungsstrafen verurteilt.
In von der jeweiligen Verteidigung verlesenen Erklärungen räumten die Angeklagten ein, den Anschlag geplant zu haben. Ziel sei es gewesen, das Gebäude zum Einsturz zu bringen, hieß es in Erklärung von peter K. Er sei damals der Ansicht gewesen und sei es bis heute, dass Abschiebehaft gegen die unveräußerlichen Menschenrechte verstoße.
Bei dem Anschlag habe die Gruppe sicherstellen wollen, dass keine Menschen zu Schaden kommen, betonten beide Angeklagten. Deshalb hätten sie vorab die Baustelle ausgekundschaftet und festgestellt, dass nachts niemand vor Ort war.
Um etwaige Passanten zu schützen, wollten sie Zettel mit entsprechenden Warnhinweisen an dem Gebäude anbringen. Diese wurden laut Bundesanwaltschaft in dem Transporter gefunden, in den die Propangasflaschen geladen wurden. Die Gasflaschen sollten mit Zeitzündern präpariert werden und gegen 3 Uhr nachts die Explosion auslösen.

K. und W. räumten in ihren Erklärungen ein, dass die Gruppe „Das Komitee“ auch für einen Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt im brandenburgischen Bad Freienwalde am 27. Oktober 1994 verantwortlich war. Dabei entstand laut Bundesanwaltschaft ein Schaden von 214.000 Mark. Ob sie daran persönlich beteiligt waren, ließen beide offen.
K. führte in seiner Erklärung aus, dass er nach dem Anschlagsversuch in Berlin nach Venezuela geflohen sei. Dort betreibe er heute einen Biobauernhof und baue Salat sowie Erdbeeren an. W. machte keinen Angaben zu seinem Aufenthaltsort in den vergangenen 30 Jahren.
Die Anklage gegen die beiden datiert auf den 2. Dezember 2024. Angeklagt ist lediglich die sogenannte Verabredung zur Durchführung einer Sprengstoffexplosion. Mögliche weitere Straftaten sind offenbar verjährt.
Anschlag auf das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau
Die Bundesanwaltschaft hatte im Dezember 2024 Anklage gegen die mutmaßlichen Linksextremisten erhoben. Sie seien „hinreichend verdächtig, sich zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion verabredet zu haben“, hieß es damals von der obersten deutschen Anklagebehörde.
Die Beschuldigten hätten sich spätestens im Herbst 1994 mit einem dritten, inzwischen gestorbenen Komplizen zu der linksextremistischen Vereinigung zusammengeschlossen, so die Bundesanwaltschaft. Ihr Ziel sei es gewesen, gesellschaftspolitische Veränderungen durch Brand- und Sprengstoffanschläge auf staatliche Einrichtungen herbeizuführen.
Laut Anklage haben Peter K. und Thomas W. und der Komplize im April 1995 einen Anschlag auf das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau geplant. Dafür sollen sie mehr als 120 Kilogramm Sprengstoff in Propangasflaschen gefüllt und diese mit Zeitzündern präpariert haben.
Zum Anschlag selbst kam es nicht: Auf einem Parkplatz in der Nähe der Haftanstalt sollten die Sprengvorrichtungen umgeladen werden – doch eine zufällig vorbeifahrende Polizeistreife kam dazwischen. Die Männer flüchteten, tauchten ab und waren jahrelang auf der Flucht. Fast 20 Jahre nachdem das Trio abgetaucht war, spürte das Bundeskriminalamt den inzwischen toten Verdächtigen in Venezuela auf. Die Polizei nahm ihn fest, er kam in Südamerika in Haft.

Ein Auslieferungsersuchen Deutschlands wurde aber abgelehnt. Die beiden Angeklagten erhielten Asyl in Brasilien. Peter K. und Thomas W. wurden in der vergangenen Woche bei der Ankunft am Hauptstadtflughafen BER aufgrund des bestehenden Haftbefehls festgenommen.
Dass es überhaupt nach fast 30 Jahren noch zum Prozess kommt, geht aus Sicht der Verteidigung auf einen „Trick“ der Bundesanwaltschaft zurück. Sie wirft dem Duo nicht Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder den geplanten Anschlag in Grünau vor, sondern eine Verabredung zur Tat. Damit ist die Tat nicht nach 20 Jahren verjährt. Beschwerden dagegen blieben beim Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht ohne Erfolg, so Rechtsanwalt Lukas Theune.
Für den Prozess vor dem 2. Strafsenat des Kammergerichts hat der Vorsitzende Richter Gregor Herb bislang insgesamt vier Tage angesetzt. Ein Urteil wird demnach am 8. April erwartet. ■