100 Jahre wird die Komödie am Kurfürstendamm alt, die schon lange nicht mehr an ihrem angestammten Platz auf dem Prachtboulevard im Westen Berlins residiert. Und so mischt sich in die Freude auf das große Jubiläum auch wieder eine große Sorge. Denn das beliebte Theater muss sich wieder einen neuen Spielort suchen.
Die traditionsreichen Kudamm-Bühnen wurden im Jahr 2018 abgerissen. Der dort geplante Neubau für das Theater wird aber voraussichtlich erst 2026 fertig sein. Und so musste die Bühne bisher immer wieder an anderen Orten gastieren. Derzeit befindet sich die Kudamm-Komödie im einstigen Stage-Theater am Potsdamer Platz in Berlin-Mitte. Aber auch für dieses Ausweichquartier sind die Tage längst gezählt.
„Wir werden noch bis Ende des Jahres im Theater am Potsdamer Platz sein“, sagte Theaterintendant Martin Woelffer der Deutschen Presse Agentur. Der Grund: Das Haus sei zu teuer, um es dauerhaft zu betreiben.

Große Feier zum 100. Geburtstag
„Für 2025 werden wir uns eine oder zwei andere Ausweichspielstätten suchen müssen“, sagt Woelffer. „Wir sind natürlich schon dabei, aber es ist noch nichts unterschrieben.“ Im kommenden Jahr werde die Komödie im Theater am Potsdamer Platz nur noch einmal „Mord im Orientexpress“ spielen, so der Intendant. Und es wird dort am 3. November eine große Feier zum 100. Geburtstag geben.
Die Komödie am Kudamm gilt als Theater-Legende im Westen Berlins. Der verstorbene Entertainer Harald Juhnke war Dauergast, Schauspielerin Katharina Thalbach gehört zum Stammpersonal.
Der „König des Boulevards“ Wolfgang Spier (1920 - 2011), Katja Riemann, Christoph Maria Herbst oder Maria Furtwängler feierten hier große Erfolge. Auch Stars aus dem Osten glänzten auf dieser Theater-Bühne– wie der verstorbene Volksschauspieler Herbert Köfer und Defa-Star Winfried Glatzeder in dem unvergessenen Stück „Pension Schöller“.

Nun wird die Kudamm-Komödie 100 Jahre alt. Sie blickt auf eine turbulente Geschichte zurück. Hier erfindet in den 1920er Jahren der große Regisseur Max Reinhardt das deutsche Unterhaltungstheater, welches es bis dahin nur in London und New York gibt.
Komödie am Kurfürstendamm: So fing alles vor 100 Jahren an
An der bekanntesten Flanier- und Einkaufsmeile Berlins übernimmt Reinhardt zwei benachbarte Bühnen: das Theater und die Komödie am Kurfürstendamm. Nach der Komödien-Eröffnung am 1. November 1924 schreibt das „Berliner Tageblatt und Handelszeitung“: „Es war ein Fest, von allen mitgefeiert, die ihm beiwohnten.“

Seit den 1950er Jahren wird die Berliner Institution durchgehend von Familie Woelffer betrieben – mittlerweile in der dritten Generation von Martin Woelffer. 2018 ein herber Verlust: Nach einem jahrelangen Ringen werden die beiden historischen Bühnen abgerissen. Dort entsteht aktuell ein neuer Gebäudekomplex, in der 2026 auch die Komödie Platz haben wird.
Wenn am 3. November das Jubiläum gefeiert wird, schaut Woelffer stolz auf das zurück, was seine Familie mit dem Theater geschafft hat. Das die Feier nun aus den bekannten Gründen am Potsdamer Platz stattfindet, muss er in Kauf nehmen. „Ich würde viel lieber am Kudamm sein und dort feiern.“ Der Theater-Chef ist froh, wenn das Team „wieder in die alte Heimat“ zurückkehren kann.

Kudamm-Komödie: Hier sieht man die Kino- und TV-Stars
Die Komödie steht für großstädtisches, gehobenes Unterhaltungstheater und zieht auch heute noch Touristen an. Nicht zuletzt wegen der vielen Schauspieler, die auf den Kudamm-Bühnen zu sehen waren, die das Publikum sonst aus dem Fernsehen oder dem Kino kennt.
Dazu gehörte früher zum Beispiel Wolfgang Spier („Ein verrücktes Paar“). Die Bühnen bedeuteten dem verstorbenen Theaterpionier viel. „Meine ganze Karriere hat hier anfangen.“
Auf den Bühnen waren auch Katja Riemann in Stücken wie Edward Albees Klassiker „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ zu sehen oder Christoph Maria Herbst und Bastian Pastewka Anfang der 2000er in „Männerhort“.
Katharina Thalbach ist seit vielen Jahren als Schauspielerin und Regisseurin für die Komödie aktiv, unter anderem mit ihrer Tochter Anna Thalbach. Aktuell spielt die 70-Jährige in ihrer Inszenierung von Agatha Christies „Mord im Orientexpress“ den Privatdetektiv Hercule Poirot.

Komödie am Kurdürstendamm: 2018 war Schluss am Boulevard
Trotz des „beschämenden Abrisses, ein sehr unschönes Kapitel in der Berliner Geschichte“, habe die Bühne durch die Familie Woelffer eine „Wahnsinnstradition“, sagt Thalbach der Deutschen Presse-Agentur. „Die Berliner Komödie war – wie auch die Komödien in Köln, München und Hamburg - immer die Bühne von Schauspielern“.
Man sei wegen der Schauspieler hingegangen. „Das ist bis heute noch so. Ich finde, das ist etwas sehr Lobenswertes“, sagt Thalbach. Zudem lade der Kudamm als Boulevard zum Schlendern ein. „Man sieht dann wie im Kino: Da läuft was Schönes mit tollen Schauspielern, nichts wie hin.“

Woelffer sieht das ähnlich. „Große Namen machen es leichter, das Publikum anzulocken.“ Das sei aber nicht alles. Wenn ein Stück gut sei, könne es auch von allein funktionieren. Was braucht es dafür?
„Es funktioniert eigentlich immer, wenn man genau jetzt die Zeit trifft, was die Leute aktuell berührt und bewegt. Das weiß man vorher leider nicht ganz genau“, so der Theatermacher. Dem Haus sei es gelungen, die jüngeren Generationen anzusprechen, indem man gesellschaftsrelevante, ernstere Themen in die Stücke integriert habe.
Dadurch habe man auch eine neue Generation von Stars gewinnen können. Mit einer Popversion von Jane Austens Literaturklassiker „Stolz und Vorurteil“ hat zum Beispiel Anna Maria Mühe (39, „Sophia, der Tod und ich“) im vergangenen Jahr in der Komödie gespielt.