Chef der Berliner Komödie

Der Großkapitalismus hat erledigt, was Bomben und Nazis nicht geschafft haben!

Die Komödie am Kurfürstendamm Berlin wird 100. Im Interview mit dem Berliner KURIER spricht Chef Martin Woelffer über Horror-Mieten und den unverwüstlichen Berliner Humor.

Author - Karim Mahmoud
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100 Jahre Komödie am Kurfürstendamm. Am 3. November wird gefeiert. In der Mitte mit Einstecktuch Theaterchef Martin Woelffer.
100 Jahre Komödie am Kurfürstendamm. Am 3. November wird gefeiert. In der Mitte mit Einstecktuch Theaterchef Martin Woelffer.Michael Petersohn/Komödie am Kurfürstendamm

Die Komödie am Kurfürstendamm Berlin wird 100 Jahre alt – und das wird am 3. November um 12 Uhr mit einer großen Sause im Theater am Potsdamer Platz gefeiert. Theaterchef Martin Woelffer und sein Team laden ein und können sich über einen besonderen Ehrengast freuen: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) wird vor Ort sein, er mag dieses Theater gern.

Das Programm verspricht eine unterhaltsame Mischung aus Stars und Überraschungen. Schauspielerin Katharina Thalbach, die schrägen Geschwister Pfister, Entertainer Ilja Richter und der energiegeladene 66+ Chor „Die Herzschrittmacher“ treten auf. Die Moderation übernimmt Schrillkönigin Gayle Tufts.

Doch das ist längst nicht alles: Gezeigt wird ein „Best of“ der Videoaktion „100 Jahre 100 Geschichten“, das Geschichten und Erinnerungen rund um die Komödie aufleben lässt, sowie ein Ausschnitt aus einem filmischen Porträt über die Theaterdynastie Woelffer.

Fans der Bühne dürften sich auch hierüber freuen: Architekt Klaus Roth stellt erstmals die Visualisierungen des geplanten Neubaus vor. Die neue Komödie am Kurfürstendamm wird ein elegantes, klassisches Theater in modernem Gewand – eine würdige Nachfolgerin der alten Spielstätte. Woelffer spricht von einer „kleinen Sensation“, dass ein neues Theater am traditionsreichen Kurfürstendamm entsteht – ein echtes Comeback an historischer Stelle, das die Berliner Theaterwelt in Aufregung versetzen dürfte.

Der Berliner KURIER sprach mit Woelffer über die Härten der vergangenen Jahre, über die Berliner Horror-Mieten und den unverwüstlichen Berliner Humor. 

Auf die nächsten 100 Jahre Komödie am Kurfürstendamm!

100 Jahre Komödie. Worauf wird am 1. November angestoßen: Darauf, dass es die Bühne noch gibt oder auf die nächsten 100 Jahre?

Der Titel der Jubiläumsveranstaltung am 3. November lautet: „Gekommen, um zu bleiben“. Das heißt: Wir freuen uns, dass wir noch da sind und gehen davon aus, dass wir noch 100 Jahre da sein werden.

Sie sind noch immer nicht zurück am Kudamm. Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Planungen für 2025?

Derzeit haben wir weder für 2025 noch für 2026 einen konkreten Plan. Wir arbeiten aber daran und hoffen, dass wir den bald präsentieren können. Die Situation ist tatsächlich nicht ganz einfach, aber wir wissen ja, dass wir Herausforderungen meistern können. Was die nächsten 100 Jahre betrifft, kann ich natürlich noch nichts sagen, ich freue mich jetzt erst mal darauf, demnächst wieder am Kurfürstendamm Theater machen zu können.

Könnte es passieren, dass die Bühne nicht überlebt?

Die Möglichkeit gibt es immer. Schon seit 100 Jahren. Diese Gefahr besteht. Als Privattheater ist man zum Erfolg verdammt, und wir nehmen diese Herausforderung gerne an.

Future Image/imago
Future Image/imagoKomödien-Chef Martin Woelffer auf der Baustelle für sein neues Theater am Kurfürstendamm.

Abgesehen vom Verlust Ihrer Spielstätte am Kudamm: Was war das Krasseste, das der Komödie in den vergangenen 100 Jahren passiert ist?

Es gab in den Endzwanziger Jahren die Wirtschaftskrise, es gab die Nazi-Herrschaft, die sehr gefährlich für alle Kulturschaffenden war, es gab den Zweiten Weltkrieg. Das alles hat die Komödie überstanden. Das Gefährlichste war tatsächlich das Auftreten von Investoren, die unbedingt abreißen wollten und die es ja dann zum Schluss, nach langem Kampf und vielem Hin und Her, auch gemacht haben. Der Großkapitalismus hat dann tatsächlich erledigt, was Bomben und Nazis nicht geschafft haben. Die letzte schwierige Situation war die Corona-Pandemie. Davon waren alle Kulturschaffenden betroffen. Das hatte es vorher noch nicht gegeben. Gespielt werden durfte sogar in Trümmern.

Berliner Humor hat sich in 100 Jahren Komödie verändert

Gelacht wird ja immer, heißt es. Trotzdem: Wie hat sich der Berliner Humor seit 1924 verändert?

Ich kann nur die vergangenen 40 Jahre beurteilen. Ich finde, der Humor ist feiner geworden. Die Menschen sind viel mehr bereit, über Dinge zu lachen, die sie selbst angehen. Die Menschen unterscheiden auch nicht mehr ganz so stark wie früher zwischen Unterhaltung und Ernstem und sind absolut bereit dafür, dass alles zusammenfließt. Ich kann mir vorstellen, dass es in den 1920er-Jahren schon mal ähnlich war. Dann kamen aber eine Menge Phasen, die das zunichtegemacht haben. Jetzt blüht das langsam wieder auf.

Kann man den ewig nörgelnden Berliner noch zum Lachen bringen, oder stirbt das Lachen in dieser Stadt langsam aus?

Das Lachen stirbt hier überhaupt nicht aus. Ich finde gar nicht, dass es den ewig nörgelnden Berliner gibt. Ich finde, in anderen Bundesländern wird viel mehr genörgelt, was sich ja auch bei den Wahlen zeigt. Ich finde, Berlin hat immer noch eine sehr liebenswerte Seite.

Fühlen Sie sich mit Ihrer Familie hier noch heimisch und sicher? Ist das noch Ihr Berlin?

Ja. Mein Berlin ist immer das, in dem ich gerade lebe, und ich liebe es nach wie vor, in Berlin zu sein. Immer wenn ich woanders bin, denke ich: „Mensch, wie toll ist doch Berlin!“, weil es so vielfältig ist. Hier leben so viele verschiedene Menschen, es gibt so viele verschiedene Szenen, eine so reichhaltige Kulturlandschaft! Das ist ziemlich einmalig. Außerdem finde ich, dass das Zusammenleben in Berlin immer noch recht gut funktioniert.

Auch Schauspieler der Komödie können sich die Berliner Mieten nicht mehr leisten

Die Stadtgesellschaft ist gestresst und steht unter hohem Druck. Wie viele Ihrer Schauspieler können sich eigentlich noch die Mieten in Berlin leisten?

Die Entwicklung der Mietpreise in Berlin ist furchtbar. Das macht die Stadt kaputt.

Und wie viele Ihrer Zuschauer können sich noch Theater-Tickets leisten wie früher?

Es gibt ja glücklicherweise immer noch eine Menge Zuschauer, die sich die Preise leisten können. Für uns als Privattheater ist es ein Problem, dass es in der Branche einen verzerrten Wettbewerb gibt. Manche Institutionen, zu denen ich uns auch zähle, müssen ihre Einnahmen zu einem großen Teil über die Kasse erwirtschaften. Während andere Theater, die um dieselben Zuschauer kämpfen, die Haupteinnahmen über die Subventionen machen. Das verzerrt auch die Eintrittspreise. Sollte es zu den angekündigten Kürzungen von zehn Prozent im Kulturbereich kommen, werden wir die Eintrittspreise erhöhen müssen. Bei den hochsubventionierten Theatern wird das sicherlich nicht über den Preis zu regeln sein, die werden wahrscheinlich ihr Angebot herunterfahren müssen.

Katharina Thalbach liest beim Komödien-Jubiläum „Das Theatergespenst“ von Kurt Tucholsky.
Katharina Thalbach liest beim Komödien-Jubiläum „Das Theatergespenst“ von Kurt Tucholsky.Futuire Image/imago

Glauben Sie, dass der Berliner Senat das Ruder noch mal rumreißen kann und die Stadt wieder lebenswert und bezahlbar macht?

Lebenswert ist Berlin auf jeden Fall. Wenn man sich andere europäische Großstädte anschaut, ist Berlin immer noch bezahlbarer. Für mich ist wichtig, dass Berlin in seiner Vielfalt erhalten bleibt und dazu gehört natürlich an allererster Stelle bezahlbarer Wohnraum – in allen Bezirken.

Gibt es Politiker, die sich eine Gratulation zum 100. der Komödie schenken können, oder heißen Sie am 3. November alle willkommen?

Wir heißen alle willkommen, egal, ob sie sich für uns starkgemacht haben oder nicht. Wir sind nicht nachtragend (lacht). 

Karten für die Jubiläumsveranstaltung „100 Jahre Komödie am Kurfürstendamm – Gekommen, um zu bleiben“ gibt es hier. ■