Sind Sie auch so genervt?

Krass: Auch Wohnungseinbrecher freuen sich über Werbekärtchen an Autos

Weil in Berlin immer mehr Werbekärtchen an Autos gepinnt werden und Autobesitzer genervt sind, greift ein Bezirk durch. Es drohen hohe Bußgelder.

Author - Berliner KURIER
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Lässt man das Auto länger stehen, stapeln sich die Werbekärtchen schon mal. Das nervt.
Lässt man das Auto länger stehen, stapeln sich die Werbekärtchen schon mal. Das nervt.Schöning/imago

Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie fragwürdige Auto-Dealer völlig ungestört in Berlin schalten und walten können. Sie lassen Werbekärtchen an Autos stecken und vermüllen so die Umwelt. Wenigstens ein Bezirk räumt jetzt mit der Werbekarten-Mafia auf.

Seit den ersten Corona-Tagen sind die Preise für Gebrauchtwagen in die Höhe geschossen. Teilweise haben sie sich verdoppelt. Auch weil niemand weiß, ob nicht vielleicht doch schon bald europaweit eine E-Auto-Pflicht kommt. Da möchte man sich ungern einen neuen Verbrenner zulegen, der schneller, als man denkt, im Schrott landet, weil der Gesetzgeber es so will.

Pankow macht mobil gegen Werbekärtchen-Mafia

Und weil Gebrauchte bei Kunden deshalb nachgefragt sind, ist auch der Gebrauchtwagenhandel ganz scharf auf alte Verbrenner – und verteilt inzwischen besonders fleißig Werbekärtchen, auf denen man den Pkw-Besitzern einen Verkauf schmackhaft machen möchte. Im Amt von Berlin-Pankow will man sich das nicht länger bieten lassen und macht jetzt Jagd auf die Werbekärtchen-Mafia.

Es ist immer dasselbe: Man möchte in sein Auto steigen und muss erst mal die Werbekärtchen (auch Ankaufkärtchen genannt) aus den Scheibengummis ziehen. Danach landen die Kärtchen meist auf der Straße. Und da fangen die Probleme an. Denn die Kärtchen sind oft laminiert, sie bestehen also zum Teil aus Plastik, und das gelangt schließlich in die Böden und ins Trinkwasser – und vom Trinkwasser schließlich in den Organismus von Mensch und Tier. Auch darum sagt der Berliner Bezirk Pankow der Kärtchen-Mafia den Kampf an. Mit dem einen oder anderen Erfolg.

Gerade erst schnappten Mitarbeiter des Ordnungsamts einen der ungeliebten Kartenverteiler auf frischer Tat. Er war mit fast 1000 Plastikkarten in der Knaackstraße in Prenzlauer Berg unterwegs, als die Streife zuschlug. Er hatte noch nicht alle verteilt, 769 Werbekärtchen konnten sichergestellt werden.

Werbekärtchen können Autos beschädigen

Der Mann bekommt jetzt ein Ordnungswidrigkeitenverfahren aufgebrummt, und das könnte für ihn und seine Hintermänner, die Auto-Dealer, teuer werden. „Eine Verteilung von Werbekärtchen ohne die erforderliche Erlaubnis stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann“, teilt Manuela Anders-Granitzki, die zuständige Bezirksstadträtin von Pankow, mit.

Mitarbeiter des Berliner Ordnungsamts patrouillieren durch Prenzlauer Berg. Dort jagen sie jetzt auch die Werbekärtchen-Mafia.
Mitarbeiter des Berliner Ordnungsamts patrouillieren durch Prenzlauer Berg. Dort jagen sie jetzt auch die Werbekärtchen-Mafia.Seeliger/imago

Für Kommunen ist das Anbringen von Werbekärtchen an Autos eine unerlaubte Sondernutzung des Straßenraums. Sie ist damit genehmigungspflichtig. Dazu kommt die Belästigung der Besitzer, sie müssen die Karten entfernen und in den Abfalleimer werfen. Außerdem können die Karten den Lack zerkratzen und die Scheibengummis beschädigen: „Ich habe schon Leute gesehen, die haben die Kärtchen vom Moped aus an die Autos gepinnt“, sagt ein KURIER-Leser.

Ermittlungen gegen Werbekärtchen-Mafia schwierig

Schlimm sind die Konsequenzen der Verunreinigung. Hierzu das Bezirksamt Pankow: „Die Platzierung von Werbekarten an parkenden Autos stellt eine erlaubnispflichtige Verteilung von Werbematerial auf Straßen im Sinne von § 8 Absatz 2 des Straßenreinigungsgesetzes dar. Eine solche Erlaubnis soll generell nur dann erteilt werden, wenn der Veranstalter sich verpflichtet, die zu erwartende Verschmutzung der Straßen zu beseitigen bzw. beseitigen zu lassen. Mangels entsprechender Anträge bzw. Verpflichtungserklärungen von ,Veranstaltern‘ werden die hierfür erforderlichen Erlaubnisse generell nicht erteilt.“

Übrigens ist das Anbringen von Werbekärtchen an Autos nach KURIER-Informationen auch noch aus einem anderen Grund problematisch. Ist man für längere Zeit verreist, steht das Auto meist wochenlang unbewegt auf der Straße. Wenn sich die Werbekärtchen dann am Auto „stapeln“, bekommen das nicht nur Nachbarn mit. Auch mögliche Einbrecher sehen dann schnell, dass man womöglich für längere Zeit nicht zu Hause ist.

Wer Kartenverteiler sieht, kann und darf also die Polizei oder das Ordnungsamt rufen. Auch wenn die Ermittlungen sich am Ende meist schwierig gestalten. Das Amt Pankow kann ein Lied davon singen: „Ermittlungen allein anhand der auf den Werbekärtchen aufgedruckten Telefonnummern haben sich in der Vergangenheit als wenig zielführend erwiesen, da nahezu ausschließlich anonyme Prepaid-Anschlüsse verwendet werden, die verantwortliche Gewerbetreibende nicht erkennen lassen.“ (km)