DDR-Fußball

BFC Dynamo: Die schäbige Erich-Mielke-Zeit kommt ins Kino

In dem neuen Dokumentarfilm wird auch die spektakuläre Flucht des DDR- und Erich-Mielke-Kickers Dirk Schlegel beleuchtet.

Author - Berliner KURIER
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Juni 1987: Der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke (vorn r.) gratuliert seinen Jungs vom BFC Dynamo.
Juni 1987: Der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke (vorn r.) gratuliert seinen Jungs vom BFC Dynamo.Camera 4/imago

DDR-Fußball-Nostalgiker bekommen am Dienstagabend (19. August) einen Leckerbissen der besonderen Art präsentiert. Im Campus Kino in der ehemaligen Stasi-Zentrale (Ruschestraße 103) wird um 19.30 Uhr der neue Dokumentarfilm „Stasi FC“ gezeigt.

Der 96 Minuten lange Streifen von Arne Birkenstock, Daniel Gordon und Zakaria Rahmani zeigt, wie die DDR-Geheimpolizei den Mielke-Club BFC Dynamo zu einem Werkzeug der Macht ausbaute. Interviews gibt es auch mit dem früheren BFC-Kicker Dirk Schlegel. Schlegel türmte 1983 bei einem Europapokalspiel spektakulär in den Westen. Mit dabei war auch sein Fußball-Kumpel Falko Götz. Für den Film erinnert sich Schlegel an seine zurückliegende Karriere.

Wenn Dirk Schlegel heute am Jahn-Sportpark vorbeikommt, überkommt ihn ein Gefühl von Heimkehr. In Prenzlauer Berg hatte für ihn einst alles begonnen – dort bestritt er sein erstes Punktspiel und auch sein Debüt im Europapokal. Aber so sehr die Erinnerungen an den alten Betonkoloss nostalgisch stimmen, so nüchtern blickt er auf den Zustand der Arena zurück: heruntergekommen, marode, längst reif für einen Neubeginn. So beschreibt Dirk Schlegel seine Gefühle gegenüber dem Tagesspiegel.

Als Spieler prägte Schlegel die goldene Ära des BFC Dynamo, vier Meisterschaften gehen auf sein Konto. Gleichzeitig war er Teil eines Vereins, der in der DDR als „Stasi-Klub“ verschrien war. Der mächtige Erich Mielke saß regelmäßig auf der Tribüne, gegnerische Fans schrien „Stasi raus“ oder „Geht arbeiten“.

Für Schlegel überwog aber doch die Freude, Seite an Seite mit seinen Jugendidolen aufzulaufen. Der Hass von außen schweißte das Team eher zusammen. Zwar fehlten der Glanz und die Eleganz von Dynamo Dresden, doch am Ende zählten Siege – und davon gab es viele. Mit jedem weiteren Titel wuchs aber die Ablehnung, denn die besten Spieler des Landes landeten beim BFC, und umstrittene Schiedsrichterentscheidungen verstärkten das Misstrauen.

Dirk Schlegel und Falko Götz (l.) hatten vom DDR-Klub BFC Dynamo rübergemacht in den Westen und in Leverkusen angeheuert.
Dirk Schlegel und Falko Götz (l.) hatten vom DDR-Klub BFC Dynamo rübergemacht in den Westen und in Leverkusen angeheuert.Sven Simon/imago

Schlegel selbst sah seine Karriere beim Dauermeister als Privileg. „Wir eilten von Erfolg zu Erfolg. Das harte Training und auch die Ablehnung schweißten uns als Team zusammen. Individuelle Charaktere wurden ja auch schnell kleingemacht.“ Irgendwann wuchs die Unzufriedenheit. Wie sein Weggefährte Falko Götz spürte er, dass sein Leben vorbestimmt werden sollte.

Westverwandtschaft und die Geburt im niedersächsischen Hannover, sagt Dirk Schlegel, verhinderten eine Sportlaufbahn nach Plan, das Sportstudium blieb ihm verwehrt. Für ihn ein Signal, eigene Entscheidungen zu treffen – und schließlich die Republikflucht zu wagen.

Dirk Schlegel hieß nach der Flucht Jochen Müller

1983 nutzte er gemeinsam mit Götz die Chance in Belgrad. Vor dem Europapokalspiel setzte sich das Duo während eines Einkaufsbummels ab, sprang in ein Taxi und ließ sich zur westdeutschen Botschaft bringen. Dort gab es neue Papiere und eine Legende, die ihnen eine Flucht über Zagreb und die jugoslawisch-österreichische Grenze ermöglichte.

Zwölf Stunden Anspannung, doch am Ende die ersehnte Freiheit. „Ich hieß fortan Jochen Müller, glaube ich“, erinnert sich der 64-Jährige im Tagesspiegel. Die Stasi blieb eine Bedrohung, auch nach der Ankunft im Westen. Interviews hielt Schlegel bewusst unpolitisch, um die Familie in der DDR nicht zusätzlich zu belasten. Erst nach dem Mauerfall erfuhr er durch seine Stasi-Akte, dass er sogar in Leverkusen weiter beschattet wurde.

Erich Mielkes Mitgliedsausweis beim DDR-Klub BFC Dynamo.
Erich Mielkes Mitgliedsausweis beim DDR-Klub BFC Dynamo.Sebastian Kahnert/dpa

Ein Jahr durfte er nicht Fußball spielen, weil die DDR die Freigabe verweigerte. Um die Zeit zu überbrücken, jobbte er in einem Kaufhaus und verkaufte Haushaltsgeräte, bevor seine Karriere im Westen Fahrt aufnahm. Schuldgefühle verspürte er nie – im Gegenteil: Er hatte seine Chance ergriffen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Dirk Schlegel war Amateurtrainer bei Hertha BSC

Später spielte er für Blau-Weiß 90, arbeitete als Nachwuchs- und Amateurtrainer bei Hertha BSC und ist heute als Scout viel im Land unterwegs. Mit Blick auf die Hauptstadt betont er, dass Berlin durchaus zwei Bundesligisten vertrage. Während Union durch seine Fankultur zur festen Größe geworden sei, bleibe Hertha der große Traditionsverein mit anhaltender Strahlkraft.

Das Erbe des DDR-Fußballs sieht Schlegel kritisch: Eine gute fußballerische Ausbildung habe es damals gegeben, heute seien andere Nationen im Nachwuchsbereich überlegen. Im Osten fehle es außerdem an Strukturen und Sponsoren – einzig RB Leipzig profitiere mit Red-Bull-Millionen, „aber die haben nicht mal eine U23-Mannschaft. Das ist traurig“.

Selbst spielt der 64-Jährige längst nicht mehr. Nach einer Hüftoperation hält er sich heute mit dem Fahrrad fit. Eine Anfrage, in einer Traditionsmannschaft des BFC Dynamo aufzulaufen, lehnte er ab. Bewegung bleibt trotzdem ein unverzichtbarer Teil seines Lebens. (km)