Da haben sich die Brandenburger AfD-Wähler wohl ein Eigentor geschossen. „Wir brauchen den Wiedereinstieg in die Kernenergie“, forderte AfD-Fraktionschef Christoph Berndt (68) am Donnerstag im Potsdamer Landtag. „Sind Sie dann auch bereit, ein Atommüll-Endlager in Brandenburg zu installieren?“, fragte der SPD-Abgeordneten Erik Stohn (41). „Ja, ich bin dazu bereit“, antwortete AfD-Chef Berndt.
Die Kernenergie sei eine der sichersten und zuverlässigsten Energiequellen, holte jüngst auch AfD-Mann in Brandenburg, René Springer, auf eine Anfrage auf Abgeordnetenwatch.de aus. „Der deutsche Ausstieg aus der Kernenergie war ein von irrationaler Angst getriebener Fehler, durch den wir jetzt den energiepolitischen Anschluss in der Welt verlieren. Selbst die Europäische Union hat die Kernenergie im Rahmen des ‚Green Deal‘ jüngst zur investitionswürdigen Zukunftsenergie erklärt“, schrieb er auf eine Bürgeranfrage hin. Der AfD-Plan:
Zunächst sollen die drei Kraftwerke, die im April 2023 abgeschaltet wurden, wieder ans Netz, wenn es nach der AfD geht: Isar 2, Emsland und Neckarwestheim. „Danach besteht die generelle Möglichkeit, auch Brokdorf und Grohnde, die 2021 vom Netz gegangen sind, wieder in Betrieb zu nehmen“, so René Springer.
Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 haben im Betrieb rund sechs Prozent unserer Bruttostromerzeugung ausgemacht. Viel Atomstrom kommt da noch nicht zusammen.
Welche Atomkraftwerke können reaktiviert werden
Darüber, ob und welche der anderen stillgelegten Reaktoren man überhaupt wieder ans Netz bringen könnte, gehen die Meinungen auseinander. Das Fraunhofer-Institut kommt auf etwa acht Kernkraftwerke in Deutschland, bei denen das rein theoretisch möglich wäre. Allerdings sprechen sich selbst die Betreiber der Kraftwerke immer wieder gegen eine teure Wiederinbetriebnahme aus.
Atomstrom ist entgegen aller Behauptungen nicht billiger als Strom aus anderen Energiequellen: Baukosten mit hohen Sicherheitsauflagen, Wartung, Nachsorge und Rückbau von Atomkraftwerken sind teuer. Auch die Endlagerung der radioaktiven Abfälle verursacht hohe Kosten. Rechnet man all das mit ein, dann ist Atomstrom eine der teureren Energieformen.
Atommüll-Endlagersuche: Brandenburgs AfD sagt JA!
Apropos Endlagerung. Zurzeit wird in ganz Deutschland nach einem Endlager für radioaktive Abfälle gesucht. Das bisher genutzte Salzbergwerk Asse in Niedersachsen läuft mit Wasser voll. Die dort einlagerten 126.000 Atommüll-Fässer rosten, müssen wieder raus und anderswo untergebracht werden.

Bei ersten Erkundungen, die Bodenbeschaffenheit, Erdbebengefahr und andere Parameter abklopfen, wurde fast ganz Norddeutschland als Endlager-„geeignet“ eingestuft. Man sucht nach Granit, nach Salz und nach Ton, in dem Atommüll sicher gelagert werden könnte. Während sich andere Bundesländer nicht gerade um das Endlager reißen, prescht die Brandenburger AfD nun vor. Atommüll-Endlager in Brandenburg? Ja, klar.
Fraktionschef Christoph Berndt rechnet dabei mit einer neuen Technologie, die Atommüll unschädlich machen soll: „Es gibt moderne Kerntechnologien, die das, was man Restmüll nennt, transmutieren können. Und am Ende bleibt dann so gut wie nichts mehr übrig davon. Also kein Problem mit den Endlagern“, sagte er im Landtag.
Das Problem: Die „Transmutation“ klappt bisher nur im Labor. Zuvor müssen die hoch radioaktiven Stoffe aufwendig aus Brennstäben und Reaktorstahl herausgelöst werden – in Wiederaufbereitungsanlagen wie in England oder Frankreich. Dort kommt es immer wieder zu Störfällen, in der Bevölkerung gibt es hohe Krebsraten.
Auch die Internationale Atomenergiebehörde und das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) sind skeptisch, es brauche wenigstens 30 Jahre Forschung, um das Problem mit dem Atommüll zu lösen.
Wieder in Kernkraft einsteigen?
Auch dass es schnell mit dem Wiedereinstieg in die Atomkraft gehen kann, ist eher unwahrscheinlich. Wissenschaftler rechnen mit zwei bis fünf Jahren, bis infrage kommende Kraftwerke Sicherheitsüberprüfungen überstanden hätten, gegebenenfalls Modernisierungen erfolgt sind, neue Fachkräfte und neue Brennstoffe vorhanden sind.
„38 Milliarden kostet der Bau des Reaktors Hinkley Point in England“, hielt SPD-Fraktionsvize Ludwig Scheetz dem AfD-Chef im Landtag entgegen, „wir hatten 27 Atomkraftwerke in Deutschland. Das wäre über eine Billion Euro.“ Am Ende eine unbezahlbare Idee, die wenig und spät Nutzen bringt:

Aktuelle Zahlen des Fraunhofer-Instituts zeigen, dass der Anteil Erneuerbarer Energien an der Nettostromproduktion in Deutschland im vergangenen Jahr auf 62,7 Prozent gestiegen ist. Atomkraftwerke wieder in den Strommix aufzunehmen, würde diese Entwicklung eher behindern als unterstützen, denn die Kraftwerke sind vergleichsweise träge. Sie können in Engpasssituationen nicht einfach schnell zu- oder abgeschaltet werden.
Wer in Brandenburg sehen will, wie lange es dauert, ein Kernkraftwerk zurückzubauen, kann in Rheinsberg sein blaues Wunder erleben. Das Kernkraftwerk wird seit 1995 zurückgebaut. Das Reaktorgebäude ist mit Cobalt 60 kontaminiert und steht voraussichtlich erst nach dreißig Jahren einer Nachnutzung zur Verfügung oder kann erst dann abgerissen werden. ■