Die Lokführergewerkschaft GDL hat am Mittwochabend mit ihrem angekündigten Warnstreik begonnen. Der Ausstand soll bis Donnerstagabend, 18.00 Uhr, dauern und dürfte bundesweit zu massiven Einschränkungen im Bahnverkehr führen.
Er macht Ernst. Claus Weselsky, der mit seiner Lokführergewerkschaft GDL bereits seit Tagen mit einem großen Bahnstreik zu Weihnachten droht. Als Vorgeschmack auf das mögliche Mega-Chaos zu den Feiertagen lässt die GDL schon jetzt ihre Muskeln spielen: Mit einem 20 Stunden langen Warnstreik, der am Mittwoch um 22 Uhr begann und bis Donnerstagabend (18 Uhr) den Fern- und Regionalverkehr in Deutschland lahmlegen soll. Auch die S-Bahn in Berlin ist betroffen, die mit massiven Zugausfällen und Verspätungen rechnet.
Den Arbeitskampf der GDL müssen wieder die Fahrgäste ausbaden. Allein in der Hauptstadtregion sind Tausende von Pendlern betroffen, die mit dem Regio und der S-Bahn zwischen Berlin und Brandenburg unterwegs sind, um morgens pünktlich zur Arbeit und abends nach Hause zu kommen.
Wie schon bei anderen Streiks wird die S-Bahn versuchen, auf den Strecken Richtung Stadtgrenze einen Notbetrieb aufrechtzuerhalten. So sollen Züge auf den Linien S3, S46, S5 und S9 im 20-Minuten-Takt fahren. Trotzdem bittet das Unternehmen die Fahrgäste, „alternative Verkehrsmittel“ zu nutzen.

Bahnstreik der GDL: Allein in der Hauptstadtregion sind Tausende Pendler betroffen
Das wird für zusätzliches Chaos in Berlin sorgen: Viele Pendler werden mit dem Auto fahren, Staus sind daher im Berufsverkehr programmiert. Denn die Alternative, mit den Regio-Zügen der Ostdeutschen Eisenbahn GmbH (Odeg) zwischen Berlin und Brandenburg zu fahren, ist nicht sicher.
Zwar wird das private Bahnunternehmen nicht bestreikt. Auch dürften deren Mitarbeiter kaum an dem GDL-Arbeitskampf teilnehmen. Aber die Odeg nutzt die Infrastruktur der Deutschen Bahn, deren Mitarbeiter streiken. Daher seien Einschränkungen möglich, teilte die Odeg am Mittwoch mit. Auf 15 Linien des privaten Anbieters sind laut Mitteilung Ausfälle möglich. Zudem sei eine erhöhte Auslastung zu erwarten.
Auch Fahrgäste der Odeg müssen mit Störungen rechnen
Betroffen sind Regionalzüge auf Strecken zwischen Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt: der RE1 (Magdeburg - Cottbus), RE8 Nord (Wismar - Flughafen BER), RE8 Süd (Berlin - Baruth (Mark)/Elsterwerda/Finsterwalde (Niederlausitz), RE9 (Rostock - Binz/Sassnitz), RE10 (Rostock - Züssow), RB13 (Rehna - Parchim), RB14 (Hagenow Stadt - Parchim), RB15 (Plau am See - Waren (Müritz)), RB33 (Potsdam - Jüterborg), RB37 (Berlin-Wannsee - Beelitz Stadt), RB46 (Cottbus - Forst (Lausitz)), RB51 (Brandenburg - Rathenow), RB64 (Hoyerswerda - Görlitz) und RB65 (Cottbus - Zittau). Alle Linien würden bedient, Fahrgäste sollten sich aber rechtzeitig über Störungen informieren, hieß es.
So kommt man in Berlin auch ohne S-Bahn weiter
Eine Möglichkeit innerhalb des S-Bahn-Ringes ist die Fahrt mit U-Bahnen, Bussen und Straßenbahnen der BVG. Denn die Berliner Verkehrsbetriebe sind von dem Streik ausgeschlossen.
Aber auch dort wird man aber die Auswirkungen des Streikes zu spüren bekommen. „Fahrgäste sollten sich trotzdem auf vollere Fahrzeuge und längere Wartezeiten einstellen. Die BVG wird, wo möglich, ihr Angebot anpassen und dankt schon jetzt allen Fahrgästen für ihre Geduld und Rücksichtnahme“, sagt ein BVG-Sprecher am Mittwoch.
Bahnstreik: 80 Prozent der Züge fallen aus
Der Warnstreik der GDL: Im gesamten Bundesgebiet rechnet die Bahn „mit dem Ausfall von 80 Prozent aller Züge im Fernverkehr“. Erfahrungsgemäß wird es auch im Regionalverkehr massive Einschränkungen geben, sagt Bahnsprecher Achim Stauß. „Wir rechnen auch damit, dass in einzelnen Regionen gar keine Züge mehr fahren können.“

GDL-Streik: Bahn kontert mit Notfahrplänen und längeren Zügen
Es sei allerdings gelungen, einen Notfahrplan aufzustellen. Bis Mittwochmittag wurde an den Plänen gearbeitet, die auf den Internetseiten der Bahn veröffentlicht werden. Es werden vor allem auf Hauptstrecken lange Züge eingesetzt, um möglichst viele Plätze anbieten zu können, so Stauß.
Das Hauptproblem der meisten Bahnkunden: Sie müssen wegen des Streikes trotzdem pünktlich zur Arbeit erscheinen. Nur wenige können aufgrund ihres Berufes im Homeoffice bleiben. „Das sogenannte Wegerisiko trägt immer der Arbeitnehmer, ob Streik oder nicht“, sagt Rechtsanwältin Nathalie Oberthür. Ein Streik sei kein plötzliches Ereignis – auch dieser nicht.
Das sieht der Fahrgastverband Pro Bahn anders. Er kritisiert, dass sich die GDL nicht an die Gepflogenheiten hält. Die Gewerkschaft habe den Warnstreik zu kurzfristig angesetzt. Streiks sollten mindestens 48 Stunden vorher angekündigt werden, damit Pendler sich darauf einstellen können, sagt Verbandschef Detlef Neuß. Das Streikrecht stehe nicht infrage, aber grundsätzlich müsse die GDL berücksichtigen: „Der Fahrgast ist nicht Tarifpartner und der Nahverkehr ist Daseinsvorsorge.“
Neuß vermutet, dass die kurzfristige Ankündigung darauf abziele, „dass der Notfallfahrplan nicht so gefahren werden kann, wie die Bahn das ursprünglich geplant hat. Da ist dann einfach zu wenig Vorlaufzeit“. Neuß betonte, dass die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sich bei ihren Streiks im Tarifstreit im Sommer stets an die 48-Stunden-Regel gehalten habe.

Bahnstreik: Darum kann die kleine GDL so großen Druck machen
Doch warum kann die GDL so einen massiven Druck ausüben, denn sie ist eigentlich die kleinste der beiden Bahn-Gewerkschaften in Deutschland, verhandelt nur für 10.000 Beschäftige. Zum Vergleich: Die EVG vertritt 180.000 Bahn-Mitarbeiter bei ihren Tarifverhandlungen.
Doch die GDL hat die Lokführer auf ihrer Seite, ohne die kein Zug rollen kann. Daher kann es sich GDL-Chef Claus Weselsky auch leisten, während der jetzigen Tarifverhandlungen kräftig Druck zu machen.
Und darum geht es in dem Arbeitskampf der GDL: Die Gewerkschaft fordert in den Tarifverhandlungen unter anderem 555 Euro mehr pro Monat für die Beschäftigten sowie eine Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3000 Euro. Besonders wichtig ist Weselsky zudem eine Arbeitszeitreduzierung von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich.

Die Bahn hält eine Arbeitszeitreduzierung für nicht realisierbar und lehnt bisher jede Verhandlung darüber ab. DB-Personalvorstand Martin Seiler bot stattdessen in der ersten Verhandlungsrunde eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten an. Auch zur Zahlung der Inflationsausgleichsprämie zeigte er sich bereit, die erste Hälfte könnte nach DB-Vorstellung schon im Dezember überwiesen werden. „Zu wenig, zu lange und am Ende des Tages nicht ausreichend“, lautete Weselskys Kommentar zum Angebot.
Daher lässt der GDL-Chef es nun kurz vor den nächsten Verhandlungsterminen richtig krachen. Der Bahnsprecher nannte den Warnstreik „eine Zumutung für unsere Fahrgäste“. Bahn und GDL hatten in der ersten Verhandlungsrunde vor einer Woche weitere Gespräche vereinbart.

Bahnstreik zu Weihnachten immer wahrscheinlicher
Bereits am Donnerstag und Freitag sollte weiterverhandelt werden. „Doch offenbar haben die Unternehmen das Entgegenkommen der GDL falsch verstanden, vielleicht sogar als Schwäche ausgelegt“, erklärt nun die Gewerkschaft. Und GDL-Boss Weselsky droht: „Wer glaubt, zulasten der Mitarbeiter zynisch auf Zeit spielen zu können, befindet sich im Irrtum.“
Wie es nach dem Warnstreik weitergeht, bleibt offen. Die Drohung, die Bahn zu Weihnachten tagelang zu bestreiken, wurde seitens der GDL nicht zurückgenommen. Das mögliche Mega-Chaos wird sogar immer wahrscheinlicher. Denn die Bahn sagte die Gesprächstermine mit der GDL für diese Woche ab. „Entweder man streikt, oder man verhandelt. Beides gleichzeitig geht nicht“, erklärt Personalvorstand Martin Seiler.
Bahnstreik: Diese Rechte haben Reisende
Für die Reisenden, die wegen des Arbeitskampfes auf der Strecke bleiben, heißt es jetzt: Sie müssen auf ihre Rechte pochen.
So können sie den Ticketpreis zurückverlangen, wenn kein Zug fährt oder es absehbar ist, dass dieser mindestens 60 Minuten verspätet am Ziel sein wird. Kunden haben aber auch die Möglichkeit, die Reise zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen, wobei man stets auch eine andere, vergleichbare Verbindung zum Zielort wählen kann. Das hält auch die DB auf ihrer Infoseite zu den Sonderkulanz-Regelungen fest. Generell sollten betroffene Reisende die aktuellen Informationen des Unternehmens in solchen Fällen lesen.