Fußball kann so einfach sein. Eine Mannschaft muss nur ein Tor mehr erzielen als der Gegner – schon hat sie das Spiel gewonnen. So wie der 1. FC Union beim 2:1 über Mainz. Na ja, anderswo müsste jemand, der diese These vertritt, etwas ins Phrasenschwein stecken. Trotzdem ist es so. Dennoch kann Fußball auch schwierig sein. Sehr schwierig sogar. Sonst hätten die Eisernen auf ihren Sieg, den fünften in diesem Spieljahr, nicht 13 Wochen warten müssen und für ihn nicht elf Anläufe gebraucht.
1. FC Union: Dreier- oder Viererkette ist nicht die Frage
Manchmal macht man es sich aber auch selbst schwierig. Von den selbst ernannten Experten gibt es mittlerweile ja jede Menge. Ob die indes wissen, wovon sie manchmal reden, bleibt teils ziemlich nebulös. Das hört sich, gerade erst in der zurückliegenden Woche, bei einem Tor – die Zeitlupe läuft – dann so an: „Achten Sie darauf, wie der Ball hoppelt. Der Ball springt noch auf, und dann gibt es den Volley.“ Als ob es so schwierig sei, einen Direkt- von einem Volleyschuss zu unterscheiden. Und dann sollen die, nicht böse sein, Experten des Flachpasses erklären, was bei der Viererkette in der Abwehr anders ist als bei einer Dreierkette? Wo Wege stimmen müssen und Zuordnungen, wo miteinander gesprochen werden muss und mal auch geschrien. Lieber nicht.

Gerade das aber ist bei den Eisernen mit dem Amtsantritt von Steffen Baumgart als Trainer ein heißes Thema. Oder wird zu einem solchen gemacht. Dabei sollte jeder Abwehrspieler, der auch nur leise an die Tür zur ersten Liga welchen Landes auch immer klopft, wissen, wie das Eine geht und wie das Andere. Wie er sich wann und wo zu verhalten hat. Dass man verschieben und auch mal auf den Mann gehen sollte. Es ist nichts anderes als das Einmaleins eines Defensivspielers. Wenn Tom Rothe in Heidenheim in arge Bedrängnis kommt, weil er einen Ball zu mies antizipiert, schlecht zu ihm steht, ihn noch schlechter verarbeitet und sich aus dieser selbst gemachten Bredouille nur mit einer Notbremse helfen kann, ist das bei aller Veranlagung des jungen Mannes für höhere Ansprüche nicht tauglich. Zumindest nicht in diesem Moment.
1. FC Union soll unter Baumgart flexibel sein
Das hat nichts mit Dreier- oder Viererkette zu tun. Das ist blankes Fußball-Abc. Selbst einfachen Fußball kann man zelebrieren. Die Eisernen haben das zig-mal vorgemacht, sodass die Gegner hin und wieder daran sogar zerbrochen sind. Nur glaubt man sich manchmal bei dieser Diskussion als Mitglied eines wissenschaftlichen Zentrums, das es in Leipzig einst für die Weiterentwicklung des DDR-Fußballs tatsächlich gab. Für Erfolge auf Dauer hat es dennoch nicht gereicht.
Auch Baumgart, Jahrgang 1972, ist unter jenen Bedingungen als Fußballer gewachsen. Zeit seiner aktiven Laufbahn war er zwar nie Verteidiger, aber als Angreifer hatte er es mit verschiedenen Formationen der Gegenwehr zu tun: Libero + Vorstopper + zwei Außenverteidiger; Viererkette; Dreierkette – alles dabei. Nach dem ersten Sieg unter seiner Regie sagt er etwas, was sich nach einer Art Befreiungsschlag lockerer aussprechen lässt als nach einem erneut verkorksten Spiel: „Es geht darum, was den Fußball ausmacht. Um etwas Flexibilität.“ Und im Hinblick auf die selbst ernannten Experten, ohne den Satz zu beenden: „Es sieht immer toll aus, wenn Ihr Eure Zeichnungen macht …“ Zudem gibt es auf dem realen Fußballplatz immer auch Spielverderber. Das sind die elf Leute, die im Trikot des Gegners stecken.
Urs Fischer hat Union einfachen Fußball eingeimpft
Die Botschaft dahinter heißt trotzdem: Ein Abwehrspieler, zumal in der Bundesliga, sollte bitte beides beherrschen, Dreier- wie Viererkette. Man kann Probleme auch konstruieren. Dabei ist die eine Variante keine Magie und die andere kein Hexenwerk. Schließlich sind wir, auch wenn der letzte große Titel fast elf Jahre zurückliegt, im Lande eines viermaligen Weltmeisters.
Was bleibt, das hat vor allem Urs Fischer in seiner Zeit als (Erfolgs-)Coach in Köpenick beherrscht wie kaum ein Zweiter und hat es dem 1. FC Union quasi als DNA eingeimpft: Lasst den Fußball einfach, macht ihn nicht zu kompliziert, verkopft ihn nicht zu sehr. Gerade nicht in der Abwehr. Die muss stehen, klare Sache. Union-like eben. Dann geht es auch besser nach vorn. Dort rutscht mal, da der Knoten im neuen Jahr endlich geplatzt ist, auch mal wieder einer von allein rein. Ganz ohne Magie und Hexerei. ■