Spielphilosophie

Wie bitte? 1. FC Union gewinnt gegen Steffen Baumgart!

Der Cheftrainer bekommt nach dem Fehlstart in Köpenick die Kurve. Auch, weil er von seinem Stil abrückt.

Author - Sebastian Schmitt
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Hat seine Philosophie zwar nach kurzer Zeit hinten angestellt, aber darf sich deswegen auch als Sieger fühlen: Steffen Baumgart, Cheftrainer des 1. FC Union.
Hat seine Philosophie zwar nach kurzer Zeit hinten angestellt, aber darf sich deswegen auch als Sieger fühlen: Steffen Baumgart, Cheftrainer des 1. FC Union.Eibner/imago

Gut Ding braucht Weile! Nach dem Fehlstart in die Rückrunde bekommt der 1. FC Union mit Steffen Baumgart (53) doch noch die Kurve. Der Cheftrainer beweist dabei Größe, ordnet seine Ideen unter und hört auf das, was die Mannschaft braucht und stark macht. Der Lohn: Mit alter Systematik, neuer Demut und dem bewährten Union-Fußball ist der Klassenerhalt fast gesichert.

Die Eisernen reiten weiter auf der Erfolgswelle, feiern das 0:0 beim Double-Sieger Leverkusen wie einen Sieg. Mittendrin vor den Fans im Gästeblock und so gelöst wie noch nie in seiner Zeit als Cheftrainer in Köpenick: Steffen Baumgart.

1. FC Union: Zunächst kein Baumgart-Effekt

Ganz klar: Die Serie von fünf ungeschlagen Spiele und elf gesammelten Punkten in Folge tut auch Baume so richtig gut. Dabei beweist er gerade, dass er nicht nur laut kann. Sondern auch leise, reflektiert – und vor allem lernfähig.

Denn sein Einstand nach seiner Rückkehr an die Alte Försterei war alles andere als verheißungsvoll. Fehlstart, ratlose Gesichter, null Punkte, null Tore, null Euphorie. Der Baumgart-Effekt? Blieb aus.

Baumgart setzt bei Union auf neues System - und bekommt Probleme

Ein Grund: Der Coach wollte bei Union das spielen lassen, was er kennt – offensiven Fußball mit aggressivem Gegenpressing, dazu eine klassische Viererkette. Nur: Diese Mannschaft ist nicht gemacht für Ballbesitz und schöne Pässe, sondern findet ihre Stärke aus einer defensiven Grundordnung, in der jeder Spieler klare Aufgaben hat.

Sichtbar gelöst: Steffen Baumgart feiert mit seinem Trainerteam die vielen Punkte der vergangenen Wochen und den fast perfekten Klassenerhalt.
Sichtbar gelöst: Steffen Baumgart feiert mit seinem Trainerteam die vielen Punkte der vergangenen Wochen und den fast perfekten Klassenerhalt.Matthias Koch/imago

Baumgart hielt zunächst aber an seinem Stil fest. Wochenlang predigte er seine Philosophie, setzte sich über jahrelange Union-DNA hinweg. Die Viererkette wurde installiert, altgediente Führungsspieler wie Rani Khedira (31), Kevin Vogt (32) oder Christopher Trimmel (38) plötzlich angezählt oder gar degradiert. Neue Hierarchien, neues System – mit alten Problemen.

Dann aber kam die Wende. Und mit ihr: die Rückkehr zur Dreierkette. Zur Kompaktheit. Zur Härte. Zum Union-Fußball. Trimmel lobt den Trainer: „Wir haben defensiv Stabilität in die Mannschaft gebracht. Das war wichtig in der Phase.“

Steffen Baumgart geht Schritt auf 1. FC Union zu

Baumgart, der Dickschädel, zeigte dabei Größe. Er gab nach – nicht auf. Und erklärt jetzt: „Das, was den Jungs immer gelegen hat – darauf sind wir zurückgekommen. Das ist Union-Fußball. Kein Schnickschnack, sondern gradlinig, mit Mentalität, Zweikampfverhalten und pragmatischem Spiel.“

Anders als Vorgänger Bo Svensson (45) ging Baumgart also einen Schritt auf die Mannschaft zu. Auch, weil zwei von drei Häuptlingen zurück sind: Khedira und Trimmel führen die Truppe wieder – auf dem Platz, in der Kabine. Das spüren auch die Fans, die nach dem Debakel gegen Kiel bemerkenswert ruhig blieben – auch, weil sie sich wiedererkennen in dem, was da auf dem Platz passiert.

Steffen Baumgart will 1. FC Union weiterentwickeln

Trotz der Unkenrufe, der Kritik und der Diskussionen um Taktik – Baumgart blieb für seine Verhältnisse bemerkenswert ruhig. Und übertrug diese Ruhe auf die Mannschaft. Die Angst vor dem Abstieg? Wurde nie größer als die Überzeugung, dass man es gemeinsam schaffen kann.

Als Belohnung für den temporären Verzicht auf seine Ideen bekommt Baumgart nun mehr Zeit. Mit einer vollen Vorbereitung und einigen neuen Spielern wird er dann den nächsten Anlauf nehmen, um Union weiterzuentwickeln – auf ein neues, spielerisches Level. Die Rückendeckung dafür hat er nun nicht nur bei den Bossen und den Fans, sondern auch bei den Spielern. Nicht, weil er sich durchgesetzt hat. Sondern, weil er losgelassen hat.