Mit Fußball-Weisheiten ist das so eine Sache. Mal passen sie, dann wieder nicht. Zum Beispiel sagen die Engländer: Never change a winning team. Ändere nie eine erfolgreiche Mannschaft. Als ob das die Garantie dafür sei, nach einem Sieg bei unverändertem Personal sogleich den nächsten einzufahren, dann wieder den nächsten und immer so weiter. So stark der Aberglaube auch ist, derart naiv ist kein Trainer.
St. Pauli-Pleite tut dem 1. FC Union weh
Trotzdem versuchen sie es immer wieder. Vertrauen ist gut, Selbstvertrauen noch besser. Nur wird nicht immer Gutes daraus. Gerade ist Steffen Baumgart mit dem 0:3 beim FC St. Pauli damit krachend gescheitert. Erst zum zweiten Mal sind die Eisernen in dieser Spielzeit mit exakt der Formation aufgelaufen wie eine Runde zuvor. Baumgart-Vorgänger Bo Svensson hat es nach dem 2:1 gegen Hoffenheim Tage später in Mönchengladbach versucht – auch im Borussia Park hat es beim 0:1, es war am 5. Spieltag die erste Saisonniederlage, nicht geklappt.
Das jedoch ist nicht das Problem des 1. FC Union. Zumindest nicht das größte, auch wenn erneut, so wie mit dem 0:2 in Heidenheim und dem 0:2 gegen Augsburg, ein ganz wichtiges Spiel gegen unmittelbare Konkurrenten im Kampf gegen den Abstieg. Und das in allerkürzester Zeit. Das tut verdammt weh und hängt jedem in den Klamotten.
1. FC Union torkelt in den Tabellenkeller
Was indes auffällig ist und nichts Gutes verheißt, ist die Tatsache, dass die Mannschaft ihre Balance zu verlieren scheint. Sie torkelt in den Tabellenkeller und kann von Glück reden, dass die anderen da unten mit Ausnahme von Augsburg (damit sind die Fuggerstädter nicht mehr ganz unten dabei) auch nichts reißen. Es sei denn, ihr Gegner heißt … Lassen wir das lieber.

Es geht ums Gleichgewicht, das nicht mehr stimmt. Über Jahre, seit dem Aufstieg in die Bundesliga, lebten die Köpenicker von ihrer immensen Erfahrung. Selten ließen sie sich aus der Ruhe bringen. Zu viel schon hatten Christian Gentner (kam mit 34 und war zweimal Meister), Andreas Luthe (mit 33) und Max Kruse (war 32 und hatte 14 A-Länderspiele absolviert) erlebt, als dass sie sich von irgendjemandem die Butter vom Brot hätten nehmen lassen. Dass es mit Leonardo Bonucci, der mit 36 als Europameister mit 121 Länderspielen anheuerte, nicht geklappt hat, ist aufgrund der besonderen Situation mit der Teilnahme an der Champions League wohl eher eine andere, nicht unbedingt Union-typische, Geschichte.
Rani Khedira kämpft um seinen Union-Stammplatz
Jetzt jedenfalls fällt ins Auge, dass die Stützen wegbrechen. Vor allem in der Abwehr wird das überdeutlich. In den ersten elf (!) Partien stand die, zumindest namentlich, wie zementiert: Frederik Rönnow, Danilho Doekhi, Kevin Vogt, Diogo Leite. Darauf hätte man wetten können, aber nichts gewonnen. An diesem Quartett, das bei Bedarf durch Christopher Trimmel (mit 37 der Super-Oldie) und Rani Khedira (seit Montag ist er 31) an Erfahrung deutlich zulegte, führte kein Weg vorbei. Und Bedarf bestand nahezu immer.
Inzwischen aber fliegt diese Schatzkiste an Routine auseinander und dem Verein um die Ohren. Rönnow, in den Jahren zuvor einer der besten Zu-null-Halter der Liga – am Ellbogen verletzt. Vogt, eigentlich unersetzlich, da er den vor ihm in der Abwehr eigentlich unersetzlichen Robin Knoche ausstach – raus zunächst wegen der Umstellung von Vierer- auf Dreier-Abwehrkette, ist mit einer Knieprellung außer Gefecht. Trimmel, prominentester Träger der Union-DNA, kam zuletzt in der Startelf auch nicht zum Zuge. Rani Khedira, einst auch einer der Unersetzlichen und in seiner besten Zeit für viele auf dem Sprung ins Nationalteam, muss um seinen Stammplatz kämpfen. Er und Trimmel saßen am Millerntor draußen. Mit Rönnow und Vogt kommen sie auf zusammen 848 Einsätze in der Bundesliga, davon immerhin 359 für den 1. FC Union.
1. FC Union: Steffen Baumgart verzichtete auf Kapitän und Vize-Kapitän
Was andernorts vielleicht als Majestätsbeleidung zählt, scheint in Köpenick deutlich dramatischere Züge anzunehmen. Mit anderen Worten: Die Pfeiler brechen weg. Mit Trimmel wackelt der Kapitän und mit Khedira sein Vize. Auch was den restlichen Mannschaftsrat angeht, ist derzeit Land unter: Rönnow fehlt seit fünf Spielen; Jerome Roussillon kommt in drei Saisonspielen auf mickrige 77 Einsatzminuten; Paul Jaeckel zählt gar nicht, ist er doch nur Tage nach seiner Berufung an Zweitligist Eintracht Braunschweig ausgeliehen worden. Bleibt von denen, die allein qua Amt vorangehen sollen, nur Danilho Doekhi. Damit könnte es auch in der Hierarchie knirschen.