Der freie Fall des 1. FC Union hat mit dem Relegationsplatz eine neue Sichtbarkeit erreicht. Wer sich bisher nicht mit dem Thema Abstieg befassen wollte, muss es jetzt tun. Der Abstiegskampf ist in Köpenick angekommen. Und die eiserne Marschroute ist klar: Verein und Anhang sind schwer entschlossen, dass diese Situation gemeinsam gemeistert werden kann – und vor allem mit Fischer.
„Großartig, es beschreibt auch diesen Zusammenhalt von Union. Der wird nicht nur erzählt, sondern auch gelebt“, sagt Trainer Urs Fischer mit einer Mischung aus Rührung und Erstaunen. Union ist halt etwas Besonderes. In guten wie in schlechten Zeiten.
Sportlich wird die Wende auch in den kommenden Spielen schwierig. In der Champions League geht es morgen zur SSC Neapel. In der Liga wartet am Sonntag das Spiel beim ungeschlagenen Tabellenführer Bayer Leverkusen. Die Reihen sollen geschlossen werden. Die Debatte um Fischers Zukunft? Nur ein Medienthema, wie auf den Tribünen in Tonlagen von auffordernd bis beleidigend betont wird. Auch die Chefetage bemüht sich, unabhängig von den Spielen, für Klarheit zu sorgen. Präsident Dirk Zingler stellt sich im Stadionheft und im TV unmissverständlich hinter Fischer. Ein Abrücken davon erscheint unwahrscheinlich, und auch Fischer selbst dachte nach dem 0:3 gegen Frankfurt nicht an einen Rücktritt. „Ich bin bereit zu kämpfen.“
„Wir gehen nicht zum Fußball, wir gehen zu Union“
„Wir gehen nicht zum Fußball, wir gehen zu Union“ ist ein beliebter Spruch im Osten der Hauptstadt. Dass die Unioner diese empfundene Einzigartigkeit offensiv vor sich hertragen, hat ihnen im Rest von Fußball-Deutschland in den vergangenen Jahren nicht nur Freunde gemacht. Doch auch bei sachlicher Betrachtung ist es außergewöhnlich, wie in Köpenick auf die lange Negativserie reagiert wird.
„Das sagt viel aus über den Verein. Man vergisst nicht“, sagt Kapitän Christopher Trimmel. „Aber wir müssen schon schauen, dass wir irgendwann die Kurve kriegen. Am Ende ist es auch in unserem Sinn, dass wir ihnen was zurückgeben.“
Kein Spielglück, Verunsicherung und die Häufung individueller Fehler sind Zutaten für einen langen Abstiegskampf. Dazu kommt die offensive Harmlosigkeit. 40 Flanken schlugen die Berliner. Zu wenige kamen an. Die guten Chancen, die es gab, wurden vergeben. Seit fünf Spielen hat Union kein eigenes Tor mehr erzielt. „Wir müssen unsere Stärke zurückfinden, wo Einwechselspieler auch mal den Unterschied gemacht haben, wo wir wenig Gegentore bekommen haben“, sagt Trimmel.
Leistung vom 0:3 gegen Frankfurt taugt nur bedingt als Argument für einen Trainerwechsel
Dazu kommt: Selbst das 0:3 gegen Frankfurt taugt nur bedingt als Argument für einen Trainerwechsel. Nach dem frühen 0:2 schüttelten sich die Unioner kurz und rannten dann konsequent an. „Wenn man sieht, in welcher Situation sie sich gerade befinden, nach dem 2:0, nach so einem Nackenschlag, gibt es viele Mannschaften, die dann auseinanderbrechen. Sie haben uns das Leben bis zum 3:0 schwer gemacht, haben alles versucht, keiner hat sich aufgegeben“, sagte Frankfurts Trainer Dino Toppmöller.
Es bleibt ein schwacher Trost für Union, aber auch aus der Mannschaft gab es erneut keinen Zweifel an Fischer. „Wir sind in der Bringschuld beim Trainer. Das, was aktuell passiert, ist eine Situation, in die wir uns selbst reingebracht haben“, sagt Robin Gosens.