Der 1. FC Union schreibt Geschichte. Das ist nach vier eindrucksvollen Spielzeiten in der Bundesliga schon lange klar. Zugleich schreiben die Eisernen auch Geschichten. Mit ihrer ziemlich anderen Trennung vom anscheinend selbst ein wenig in die Krise geratenen Urs Fischer. Jedenfalls lief das alles in der vorigen Woche deutlich branchenunüblich.
Eine der vielen Geschichten, die, wie es mittlerweile heißt, Union-like sind, ist der erste Auftritt einer Frau als (Co-)Trainerin eines Männer-Bundesligateams. Marie-Louise Eta, die unter ihrem Mädchennamen Bagehorn 2008 mit der deutschen U 17 Europa- und zwei Jahre später mit der U 20 Weltmeisterin geworden war und die 2010 mit Turbine Potsdam die Champions League gewann, tritt in Fußstapfen, die größer fast nicht sein können. Markus Hoffmann, der langjährige Assistent von Urs Fischer, hat sie hinterlassen. Allein von der Schuhgröße sind sie mehrere Nummern zu groß. Das aber hat nicht sonderlich viel zu bedeuten. Womöglich ist gerade sie es, auf die die Worte von Urs Fischer zutreffen, der bei seinem Abschied mitgeteilt hatte, dass es nach all der langen Zeit mit ihm „vielleicht eine andere Ansprache braucht, um eine Entwicklung zu zeigen“.
Unions Marie-Louise Eta ist Champions-League-Siegerin
Wenn es am Sonnabend kurz vor dem Anpfiff des Spiels gegen den FC Augsburg rund um die Trainerbank der Eisernen besonders turbulent wird, dann gilt das Augenmerk der Fotografen zwar auch Interimstrainer Marco Grote, noch mehr wahrscheinlich seiner 32-jährigen Assistentin. Die ist, bei allem Respekt, ein für diesen Job ziemlich junges Küken. Christopher Trimmel und Leonardo Bonucci sind mit ihren jeweils 36 Jahren deutlich älter als Marie-Louise Eta, und Kevin Behrens ist so alt wie sie. Dieses Merkmal wird sogar bei Trainern (man erinnere sich an den jungen Julian Nagelsmann in Hoffenheim oder an den nur wenig älteren Matthias Sammer damals in Dortmund) gern thematisiert, was erst bei einer Trainerin. Wenn also das Flutlicht angeht – und es wird Ende November schon vor dem Anpfiff um 15.30 Uhr etwas duster –, ist der Zoom erstmals in der über 60-jährigen Bundesligahistorie auf das Gesicht einer Frau als Trainerin gerichtet.

Zwar nicht in allen, trotzdem hat sich in vielen Bereichen des modernen Miteinanders der Geschlechter die Ansicht durchgesetzt: Mehr Macht den Frauen! Nicht immer muss es, wie bei Bibiana Steinhaus, die sich als Unparteiische enormen Respekt erworben hatte, gutgehen. Das tut es ja bei Männern auch nicht. Eine andere Nuance bringt das Weibliche auf jeden Fall ins Spiel. Dabei ist nicht der Typ Spielerfrau gemeint, von dem einst Mehmet Scholl in einem seiner launigen Sprüche meinte, im nächsten Leben so etwas sein zu wollen, um vom Glanz eines Stars ohne eigenes Zutun etwas abzubekommen. Auch geht es dabei nicht um Victoria Beckham und auch nicht um Shakira, weil es die eine ohne die Prominenz ihres Ehemanns David Beckham auf diverse Titelseiten gebracht hat und die andere ohne ihren Ex Gerard Pique, mit Spanien sowohl Europa- als auch Weltmeister, ebenso.
Frauen haben bewiese, dass sie es können
Wer an Fußball und Frau denkt, denkt vielleicht auch an Carmen Thomas, die sich einst mit dem Vereinsnamen Schalke 05 blamierte. Das passiert Männern nicht minder. Den längst zum Moderator-Gott aufgestiegenen Günther Jauch hat es wie Thomas im ZDF-Sportstudio erwischt, als er Stefan Effenberg, der gerade in Florenz spielte, fragte, wie die Chancenstünden, italienischer Meister zu werden. Als Effenberg ihm irritiert zu verstehen gab, dass Florenz doch abgestiegen war und nun aus der Serie B erst einmal wieder aufsteigen wolle, gab es nicht einmal einen Lacher, keine Häme und keinen bissigen Kommentar.
Dass andererseits Frau es kann, haben lange vor der Überflutung mit Fußball-Moderatorinnen schon Gaby Papenburg im Westen und Sybille Künstler im Osten bewiesen. Auch ZDF-Donnerstagabend-Talkerin Maybrit Illner ging ihre ersten TV-Schritte in Berlin-Adlershof bei Sport aktuell, der Sportsendung des DDR-Fernsehens.
Bringt Marie-Louise Eta den 1. FC Union wieder ins Lot?
Was den 1. FC Union angeht, so betreten die Eisernen im Stadion An der Alten Försterei Neuland. Leicht aber wird es für Marie-Louise Eta nicht. Erst recht nicht, nachdem mit Sebastian Bönig nun auch der zweite Assistent von Urs Fischer eine Auszeit genommen hat. Scheint da tatsächlich einiges aus dem Ruder zu laufen?
Dass die neue Co-Trainerin Fußball versteht und ein Spiel lesen kann, haben Experten erkannt, von denen sie beim EM-Triumph mit der U 17 damals ins All-Star-Team gewählt worden war. Vielleicht kann Frau es auch beim 1. FC Union wieder ins Lot bringen. Es hätte was von neuem Märchen, verrückt aber wäre es auch. ■