Relegation – wer nur hat sich dieses im Mai wiederkehrende Drama ausgedacht! Vom Spannungsgehalt gibt es im nationalen Fußball nicht viel, das mit diesen Spielen mithalten kann. Dabei kann es mehr Ungerechtigkeit als in den zweimal 90 Minuten, oder wie im aktuellsten Fall tief in der Nachspielzeit, kaum geben. Neben dem Geld – ein paar Spiele mehr im Fernsehen bringen einen zusätzlichen Batzen – ist nicht viel, was einen wirklichen Sinn ergäbe.
Es ist und bleibt ein Geschenk an den Drittletzten. Der hat seine Saison, wie diesmal Heidenheim, ziemlich in die Grütze gesetzt, wäre nach einstigen Maßstäben hochkantig rausgeflogen, darf dennoch aus den üppigen Fleischtöpfen zehren, weil ihm die Hintertür geöffnet wurde. Bei Heidenheim sieht das zahlenmäßig so aus: Seit 30 Jahren wird nach der Drei-Punkte-Regel gespielt. Mit 29 Punkten, die der FCH sich in dieser Saison erspielt hat, wäre das Team von Trainer Frank Schmidt in 24 (!) Jahren abgestiegen.
1. FC Union: Ist der Ausgang der Relegation nur Zufall?
Nichts gegen die Mannschaft aus dem Osten Baden-Württembergs. Auch sie war mal Leidtragender dieser Hintertür-Regelung. 2020 war es, als Werder Bremen dank der damals noch angewandten Auswärtstor-Regel profitierte. So wie auf diese Weise im Jahr zuvor der 1. FC Union gegen den VfB Stuttgart die Nase vorn hatte. Nun mag mancher einwenden, dass es doch einen Hauch von Gerechtigkeit gibt.
Es kann aus dessen Sicht kein Zufall sein, dass in den vergangenen sechs Jahren, auch wenn es oft haarscharf zuging, stets der Erstligist seinen Platz behauptet hat. Dass das Drama im Mai 2019 in Köpenick gut für den Herausforderer ausgegangen ist, mag angesichts der weiteren Entwicklung, dass kein weiterer Zweitligist über diesen Weg nach oben gekommen ist, noch mehr als Glücksfall für die Wuhlheider angesehen werden. Es bleibt fast schon ein eisernes Alleinstellungsmerkmal.

Manche werden, da es Elversberg nicht geschafft hat, dennoch frohlocken. Diejenigen, denen die „Verzwergung“ der Bundesliga ein Dorn im Auge ist. Immer kleiner werden die Städte, aus denen Deutschlands Erstligisten immer öfter kommen. Von nennenswerter Vergangenheit ganz zu schweigen. Ingolstadt, Paderborn, Hoffenheim und eben Heidenheim sind Beispiele aus dem vergangenen Jahrzehnt. Da atmen manche tief durch, dass sich mit Elversberg nicht noch eine Gemeinde eingereiht hat, die bei der letzten offiziellen Zählung vor anderthalb Jahren auf exakt 13.089 Einwohner kam.
Zwei Schwergewichte sind zurück
Andererseits hätte die Bundesliga das gut verschmerzen können, dass ein tatsächlicher „Zwerg“ sich die Ehre gegeben hätte. Schließlich sind mit dem Hamburger SV und dem 1. FC Köln auch zwei (einstige) Schwergewichte zurück. Die Norddeutschen nach einer gefühlten Ewigkeit, die aus dem Westen nach nur einem Jahr. Der HSV, damals noch mit „Uns Uwe“ Seeler, der FC mit dem 1954er-Weltmeister Hans Schäfer und mit dem noch jungen Wolfgang Overath, der den WM-Titel 1974 gewann, gehörten 1963 zu den Gründungsmitgliedern.

Köln wurde in der Premierensaison Meister, die Hamburger gewannen die Schale seitdem dreimal, wurden 1977 Europapokalsieger der Cupgewinner und sechs Jahre später bei den Meistern. Das aber sagt zugleich: Nichts ist für die Ewigkeit. Jeder Erfolg, und ist er noch so groß, muss immer wieder untermauert werden. Jahr für Jahr, am besten sogar Tag für Tag.
Dabei wäre das Märchen der SV Elversberg ein noch größeres gewesen als jenes, das vor sechs Jahren die Eisernen schrieben. Zwar waren auch sie mal in ziemlich moderner Zeit Viertligist, 2005 waren sie in die Oberliga Nordost abgeschmiert, und haben es später doch geschafft. Gleich mehrmals dagegen haben die Elversberger den Sprung in die 3. Liga verpasst. Erst 2022 ist er ihnen gelungen. Der Höhenflug hätte ein wirklich neues Kapitel deutscher Fußball-Geschichte geschrieben.
Auch in der DDR gab es freche Zwerge, der 1. FC Union gehörte dazu
Auch im DDR-Fußball hat es Zwerge gegeben. Manchmal hat der 1. FC Union dazugehört. Manche, so der SC Neubrandenburg, Chemie Buna Schkopau und Motor Suhl, tanzten nur einen Sommer. Andere, so Motor Steinach, Chemie Zeitz, Fortschritt Bischofswerda und Empor Lauter immerhin zwei, wobei das mit Lauter durch den Umzug in Nacht und Nebel nach Rostock eine andere Wendung genommen hat.
Doch zurück zu Elversberg: Was nach ihrer schlimmsten Fußball-Nacht dennoch für die Saarländer spricht, ist, dass seit dem Aufstieg des 1. FC Union auch Heidenheim, Kiel und, gleich zweimal sogar, der HSV in der Relegation gescheitert sind und es später doch in die Erstklassigkeit geschafft haben. Das Märchen muss noch nicht zu Ende sein.