Zuletzt war Frederik Rönnow einer der zuverlässigsten Torhüter, wenn es galt, Elfmeter zu halten. In der vorigen Saison hat er es in dieser speziellen Disziplin zu wahrer Meisterschaft gebracht. Auch im Spieljahr davor sind einige Schützen am Schlussmann des 1. FC Union gescheitert. Ludovic Ajorque, damals in Diensten von Mainz, innerhalb einer halben Stunde gleich zweimal. In der Champions League hat der Däne sogar Luka Modrić, 2018 Weltfußballer des Jahres, den Schneid abgekauft. Auch Lois Openda von RB Leipzig hat das Duell vom Punkt schon gegen den eisernen Schlussmann verloren. Die vielleicht dramatischste Elfmeterszene jedoch spielte sich im Frühjahr in Frankfurt ab, als Rönnow tief in der Nachspielzeit den Versuch von Hugo Ekitiké meisterte, den 2:1-Sieg sicherte und damit den Weg zum letztlich souveränen Klassenerhalt ebnete.
Liverpool zahlt fast 100 Millionen Euro für Hugo Ekitiké
Am zurückliegenden Wochenende nun ist der Wechsel von Ekitiké zu England-Meister FC Liverpool eingetütet worden. Runde 95 Millionen Euro beträgt das Paket, das die von der Anfield Road für den 23-jährigen Franzosen nach Hessen überweisen. Ein Wahnsinn. Trotz seines gegen Rönnow verlorenen Duells wurde Ekitiké mit 15 Treffern gemeinsam mit Omar Marmoush bester Eintracht-Torschütze, nur hat der Ägypter dafür die Hälfte der Spiele benötigt. In England aber spielt auch er – aber bei Manchester City. Die Skyblues ließen sich diesen Wechsel gut 80 Millionen Euro kosten. Openda wiederum wird mit einem Marktwert von 50 Millionen Euro angegeben.

Wem wird da nicht schwindlig? Andererseits: Mögen die Zahlen noch so horrend sein, sie sind weit weg von einem Eintrag in die Rekordbücher. Es wird den einen oder anderen geben, der sich in Zeiten, da Liverpool kürzlich erst den Deal mit Bayer Leverkusen und Florian Wirtz abgeschlossen hat, der die Reds mit Boni 150 Millionen Euro kosten kann und wahrscheinlich auch wird, zurücklehnen und mit den Achseln zucken.
Erst recht in einem Sommer, der den Teams, die bei der Klub-WM antreten durften (Liverpool allerdings war nicht dabei), einen wahren Geldregen und -segen gebracht hat. Die Bayern kassierten 58,135 Millionen US-Dollar, Dortmund mit 52,235 Millionen nicht viel weniger. Dabei sind beide nicht einmal ins Halbfinale gekommen. Der FC Chelsea, der erste Klub-Weltmeister im Format mit 32 Teams, hat für seine sieben Spiele in vier Wochen 114,535 Millionen US-Dollar (98 Millionen Euro) eingesackt. Nicht erst bei diesen Summen sagt der Berliner für gewöhnlich, dass da eine olle Frau viel für stricken muss.
1. FC Union: Rönnow soll ein 32-stel von Ekitiké wert sein
Zurück zu Ekitiké und zurück zu Rönnow. Der Marktwert des Torhüters, wer ihn auch immer wie berechnet, wird mit drei Millionen Euro angegeben. Es ist, auch weil die eiserne Nummer 1 an Jahren die 30 überschritten hat, ein 32-stel dessen, wie viel der Neu-Liverpooler gerade kostet. So können Preise täuschen, denn hinter dem aberwitzigen acht- oder gar neunstelligen Aufkleber steckt in jedem Fall ein Mensch, der den Ball auch nicht immer dorthin bekommt, wohin er ihn haben möchte.
Um den Wahnsinn etwas aufzudröseln, könnte man aktuell zu dieser Maßeinheit kommen: Der Wert von zwei Ekitiké entspricht dem eines 1. FC Union. Und zwar mit allem, was zu den Eisernen gehört. Es betrifft die Männer mit derzeit 28 Profis und die Frauen mit 26 Spielerinnen. Es geht um die U23-Frauen, den Nachwuchs und die Geschäftsstelle mit inzwischen rund 600 Mitarbeitern. Ist das noch normal?
Ein Elfmeter Tor gegen den 1. FC Union? Für Geld gibt es nicht alles
Ich habe Zeiten erlebt, da bekamen Spieler Gewissensbisse und regelrechtes Fracksausen, weil sie glaubten, mit ihren Leistungen ihre Ablöse, die die Millionengrenze überschritten hatte, nicht zu rechtfertigen. Eine Ablöse nicht in Euro, sondern in D-Mark. Nennt man das rapiden Werteverfall? Vielleicht auch nur unmoralisch? Oder galoppierende Inflation in dem Sinne, dass es in meiner Eltern-Generation eine Phase gab, zu deren Höhepunkt ein Ei 440 Milliarden Mark gekostet hat?
Kaufrausch hin, Millionen Euro her, auch soll es nicht despektierlich klingen: Ich jedenfalls freue mich auf den Moment, in dem das drei Millionen Euro teure Billigprodukt einem Luxuskicker der Sorte Ekitiké zeigt, dass es für Geld doch nicht alles gibt. Eventuell ein Elfmetertor gegen Rönnow.