Es ist eine Szene, die an Absurdität kaum zu überbieten ist. Als der Gewinner für den Synchronschwimmwettbewerb auf das Podest bei den BRICS-Spielen im russischen Kasan steigt, freut er sich dezent. Doch niemand sonst steht auf dem Treppchen. Kurz darauf verlassen auch die Verbandsfunktionärinnen die Bühne und Alexander Malzew steht allein auf weiter Flur. Der Grund dafür ist nicht etwa ein unsportliches Fernbleiben anderer Teilnehmer. Der Russe war als einziger überhaupt im Herren-Synchronschwimmen bei den BRICS-Spielen 2024 in Kasan angetreten.
Und so schwenkte der 28-Jährige, bei der auch als „Putins Olympia“ verspotteten Sportveranstaltung, am vergangenen Freitag einsam die Goldmedaille.

Russischer Synchronschwimmer muss bei BRICS-Spielen statt Olympia antreten
Dabei ist Malzew zwar einer der wenigen männlichen Synchronschwimmer auf der Welt, aber bei weitem nicht der einzige. „Bei internationalen Wettbewerben treten zwischen 5 und 10 Teilnehmer an“, so Udo Lehmann, Abteilungsleiter Synchronschwimmen beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV). Doch unter den Ländern der BRICS-Spiele ließen sich keine anderen Wettkämpfer für den Sport finden. Auch für die weiteren Teilnehmer sind die Spiele bitter: Bei fast allen Wettbewerben gibt es maximal eine Handvoll Teilnehmer. Nur in Einzelduellen wie bei Badminton oder Tischtennis kommt so etwas wie olympisches Feeling auf.
Das ist wohl das, woran sich die Mehrheit der Sportler in Putins Russland gewöhnen muss. Russische und belarussische Athleten sind von den Olympischen Spielen in Paris dieses Jahr weitgehend ausgeschlossen. Nur etwa 40 russische Athleten werden unter neutraler Flagge antreten – wenn sie keine Verbindungen zum Militär haben und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht offen unterstützen. Selbst während der Olympischen Spiele 2021 waren es noch mehr als 300 - trotz einer Teilsperre wegen des Skandals um das russische Staatsdoping.
Für den mehrfachen Weltmeister Alexander Malzew ist die verpasste Olympia-Chance extrem bitter. Denn bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris dürfen Männer erstmals überhaupt beim Synchronschwimmen in den Wettbewerben antreten. „Wenn er antreten würde, hätte er Chancen auf einen der Medaillenränge“, meint DSV-Abteilungsleiter Lehmann.
Putin forderte Etablierung neuer Spiele
Staatschef Wladimir Putin hatte auch deswegen im vergangenen Jahr die Etablierung eigener Sportveranstaltungen als Alternative zu den Olympischen Spielen angeregt. „Wenn das Ziel darin besteht, unsere führenden Sportler abzukapseln und zu zeigen, dass sich der russische Sport nicht entwickelt oder im Gegenteil im Sterben liegt, dann müssen das Sportministerium und das Nationale Olympische Komitee Russlands dies analysieren und eine fundierte Entscheidung treffen“, sagte der Diktator damals in einer Bürgersprechstunde laut einem Bericht der Tagesschau.

BRICS-Spiele sollen Alternative zu Olympia sein – aber kaum einer will hin
Um die russischen Sportler wenigstens etwas bei Laune zu halten, sollen nun die BRICS-Spiele die Lücke füllen. Der russische Sportminister Michail Degtjarjow sprach von über 1000 Teilnehmenden aus 93 Ländern, die noch bis zum 23. Juni um 387 Goldmedaillen wetteifern würden.
Neben Russen starten auffällig viele Sportler aus Staaten, die eng mit Russland kooperieren: China, Iran, Nordkorea oder Venezuela. Auch dabei: Die Steinzeit-Islamisten der Taliban aus Afghanistan, die die russische Regierung erst jüngst von der Terrorliste gestrichen hat. Sie haben in sechs Disziplinen 20 Sportler geschickt. Natürlich nur Männer.
Doch Russland hat die Statistik künstlich aufgeblasen. In der Liste der Teilnehmerländer finden sich auch die selbst von den anderen Teilnehmerstaaten nicht anerkannten und von Russland kontrollierten Regionen Abchasien und Südossetien, die völkerrechtlich zu Georgien gehören. Und auch Deutschland, Großbritannien oder Spanien werden als Teilnehmer aufgeführt. Doch bei einem Klick auf die Seite zeigt sich: die Zahl der Athleten steht bei null. Bei der Eröffnungsfeier wurde die deutsche Fahne von Personen in russischen Trainingsanzügen getragen.

Chinesen bereiten sich lieber auf Olympische Spiele in Paris vor
Bei den Wettbewerben wiederum soll eigentlich frischer Wind helfen, den als altbacken verschrienen Olympischen Spielen Konkurrenz zu machen. Neben tatarischem Gürtelringen steht auch halbdigitaler Fußball auf dem Plan - eine Mischung aus Platz- und Konsolenspiel. Doch der Dachverband der olympischen Sportföderationen riet dennoch allen Teilnehmern, den Spielen fernzubleiben. Mehrere Disziplinen mussten mangels Teilnehmern wieder gestrichen werden. Für ein Mini-Preisgeld von maximal 3700 Euro für eine Goldmedaille will es sich kein Sportler mit den internationalen Verbänden verscherzen.
China, das über eine große Anzahl an Sportlern verfügt, schickte höchstens Sportler aus der zweiten und dritten Reihe nach Kasan. Zu sehen war das ausgerechnet beim Synchronschwimmen. Beim Herren-Wettbewerb während der Weltmeisterschaft 2024 gewann der Chinese Shuncheng Yang. Er kam nicht nach Kasan, um mit Alexander Malzew um Gold bei den BRICS-Spielen zu schwimmen. Er bereitet sich lieber auf das echte Olympia vor. ■