Weiter radikalisiert

Stuft Verfassungsschutz Bundes-AfD als „gesichert extremistisch“ ein?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll an einem neuen Gutachten über rechtsextreme Bestrebungen der AfD arbeiten. Ergebnisse einer Klage der Partei könnten darin einfließen.

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Könnte bald als gesichert extremistisch gelten: AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel hetzte auch schon mal gegen „Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner“.
Könnte bald als gesichert extremistisch gelten: AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel hetzte auch schon mal gegen „Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner“.Christoph Schmidt/dpa

Es wäre ein herber Schlag für die AfD und würde ihre Bestrebungen, sich als konservative Partei zu verkaufen, erheblich untergraben: Laut Recherchen der Süddeutschen Zeitung (SZ) arbeitet das Bundesamt für Verfassungsschutz daran, die gesamte AfD als „gesichert extremistische Bestrebung“ einzustufen. Dies ergebe sich aus internen E-Mails und Vermerken des Inlandsgeheimdienstes, berichtete die Zeitung am Sonntagabend.

Bislang wird die AfD nur als sogenannter Verdachtsfall des Rechtsextremismus geführt. Doch sitzt laut SZ ein Team des Bundesamts schon seit Monaten daran, ein neues Gutachten zur AfD zu erstellen. Lediglich aus Rücksicht auf die im März bevorstehende Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster, wo die Partei gegen ihre Beobachtung klagt, wollen die Beamten noch etwas warten.

Der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich wurde zwar aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen, ist aber weiter Mitglied der Partei. Beim Parteitag des NRW-Landesverbandes trug er am Wochenende einen Pulli des als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Jugendverbandes Junge Alternative. In einem Chat bezeichnete er sich einst als „freundliches Gesicht des NS“.
Der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich wurde zwar aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen, ist aber weiter Mitglied der Partei. Beim Parteitag des NRW-Landesverbandes trug er am Wochenende einen Pulli des als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Jugendverbandes Junge Alternative. In einem Chat bezeichnete er sich einst als „freundliches Gesicht des NS“.Thomas Banneyer/dpa

Verfassungsschutz hat wohl neues Gutachten zu AfD-Einschätzung erarbeitet

Das derzeit gültige Gutachten des Verfassungsschutzes zur Radikalität der AfD stammt vom Frühjahr 2021. Seit spätestens März 2023 ist laut Süddeutscher Zeitung in internen E-Mails des Bundesamts von einem „AfD-Folgegutachten 2023“ die Rede, an dem gearbeitet werde. Im vergangenen April kursierte demnach in der Behörde ein erster Entwurf einer Gliederung. Das Dokument listet die schon bekannte Kritik des Verfassungsschutzes an Rassismus und Autoritarismus in der AfD auf. Es enthält unter der Überschrift „Entwicklung der Partei seit März 2022“ aber auch einen neuen Punkt: „Verhältnis zu Russland“.

Eigentlich sah der Zeitplan vor, dass die Verfassungsschützer ihr neues Gutachten schon fertig haben sollten. Eine entsprechende interne Absprache wurde nach Informationen der SZ im vergangenen Mai von Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang (CDU) und dessen Stellvertreter Sinan Selen abgesegnet.

Im Bundesamt ist ein eigenes „Koordinierungsteam“ mit der Bearbeitung der AfD befasst. Unter Haldenwang ist die entsprechende Abteilung für Rechtsextremismus in den vergangenen Jahren stark vergrößert worden.

Zuletzt fiel der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl mit fragwürdigen Äußerungen auf.
Zuletzt fiel der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl mit fragwürdigen Äußerungen auf.Daniel Löb/dpa

BfV will Gerichtserwägungen aus AfD-Klage einbeziehen

Im Dezember 2023 hätte demnach alles fertig sein sollen. Nur die Justiz hat diesen Zeitplan dann offenbar gebremst. Das Oberverwaltungsgericht Münster, das noch über die Berufungsklage der AfD gegen ihren „Verdachtsfall“-Status entscheiden muss, hat seine Verhandlung in der Sache immer wieder verschoben und nun schließlich auf März festgelegt.

In internen Verfassungsschutz-Mails heißt es dazu laut Süddeutscher Zeitung, die zu erwartenden „Erwägungen“ des Gerichts sollten im neuen AfD-Gutachten noch „möglichst berücksichtigt werden“. Der Verfassungsschutz will laut SZ noch reagieren können, falls das Gericht unerwartete, neue Fragen hat. Falls aber alles dabei bleibt, dass die Justiz – so wie schon in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln im Frühjahr 2022 – dem Verfassungsschutz grundsätzlich beipflichtet, würde dem neuen Gutachten nichts im Wege stehen.

Bei Demos in Deutschland gerieten auch die internationalen rechten Verbindungen der AfD ins Visier.
Bei Demos in Deutschland gerieten auch die internationalen rechten Verbindungen der AfD ins Visier.Markus Matzel/Imago

AfD radikalisiert sich immer weiter

Auf Anfrage der SZ teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am Sonntag mit: „Zu behördeninternen Arbeitsabläufen nimmt das BfV grundsätzlich keine Stellung. Damit ist keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutrifft oder nicht.“

Wenn das Bundesamt in der Vergangenheit ein umfangreiches neues Gutachten zur AfD oder einer von deren Gliederungen vorlegte, dann um eine veränderte Einstufung zu verkünden. 2019 war es die erstmalige Einstufung der AfD als „Prüffall“ auf Rechtsextremismus, 2020 die Hochstufung des stramm rechten Flügels der Partei zur „gesichert extremistischen Bestrebung“, 2021 die Hochstufung der Gesamtpartei zum „Verdachtsfall“, 2023 die Hochstufung der Jungen Alternativen zur „gesichert extremistischen Bestrebung“. Immer wieder gab es Vorfälle, in denen AfD-Würdenträger sich rechtsextrem sowie positiv oder relativierend zum NS-Regime äußerten.

Am Wochenende forderte gar die französische Rechtsextremistin Marine Le Pen vom Rassemblement National eine Distanzierung der AfD von Plänen für Massenabschiebungen, über die AfD-Politiker bei einem Treffen in Potsdam mit anderen diskutiert hatten. AfD-Chefin Alice Weidel sicherte dies zu. Selbst Le Pen waren die bekannt gewordenen Aussagen zu radikal. Sie sieht darin eine Gefahr für den gemeinsamen Europawahlkampf. ■