Im Horrorknast

Mazen al-Hamada: Er gab den Assad-Opfern ein Gesicht – es kostete ihn das Leben

Der syrische Aktivist war festgenommen und gefoltert worden, floh nach Europa. Doch er wollte zurück, um zu helfen und wurde vom Regime erneut eingekerkert.

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Mazen Al-Hamada starb in einem Gefängnis des Assad-Regimes.
Mazen Al-Hamada starb in einem Gefängnis des Assad-Regimes.Instagram/MiddleEastMatters

Bis zuletzt hatten Angehörige, Freunde und Unterstützer gehofft, dass auch Mazen al-Hamada (wäre heute 47) doch noch freikommen würde und endlich ein freies Syrien erleben könnte, auf das er so lange hingearbeitet hatte. Seit Montagabend ist nun aber klar, dass die Folterknechte von Diktator Baschar al-Assad auch den Menschenrechtsaktivisten auf dem Gewissen haben.

Fotos, die aus dem berüchtigten Foltergefängnis Saidnaja stammen, zeigen eine Leiche die wohl die Leiche des Aktivisten zeigen. Der KURIER hat mehrere Menschen aus dem Bekanntenkreis von al-Hamada kontaktiert, um die Informationen zu verifizieren. Von dort wurde der Tod bestätigt. Am Donnerstag wurde Mazen al-Hamada mit anderen ermordeten Regimegegnern unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.

Freunde trauern um syrisches Folteropfer Mazen al-Hamada

Auch vorher war die Wahrscheinlichkeit, dass er noch lebt, sehr klein. „Mazen war ein prominentes Folteropfer und wenn er noch leben würde, hätte man ihn vermutlich sofort erkannt“, so Svenja Borgschulte von der Organisation „Adopt a Revolution“, die sich seit Jahren für syrische Gefangene einsetzt.

Viele syrische Freunde und Aktivisten trauen um den Menschenrechtler. „Mazen, wir haben dich im Stich gelassen. Mazen, es tut mir so leid, dass diese Welt so schmutzig ist“, schreibt die syrische Aktivistin Celine Kasem auf X. „Mazen al-Hamada. Mein Freund, ich weiß, dass es dir jetzt viel besser geht und du zu revolutionären Liedern tanzt“, schreibt Natalie Larrison, die Hamada in den USA zu Gesprächen begleitete.

Schwere Folter zeichnete Mazen al-Hamada

Mazen al-Hamada stammte aus der Stadt Deir ez-Zor im Osten Syriens. Erstmals wurde er 2011 bei den Protesten gegen das Assad-Regime verhaftet, kam jedoch frei und zog in die Hauptstadt Damaskus. Nachdem er dort im März 2012 Babynahrung in einen der Vororte schmuggeln wollte, wurde er erneut festgenommen und über knapp eineinhalb Jahre inhaftiert und im Knast mehrfach gefoltert und vergewaltigt. Nur durch einen Zufall kam er frei und konnte das Land verlassen.

Er schaffte es nach Europa und erhielt Asyl in den Niederlanden. Als Zeuge der Regime-Verbrechen sagte er unter anderem vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in den USA und Großbritannien aus. „Als politischer Aktivist im Exil war er ein starker Widersacher des syrischen Regimes“, so Svenja Borgschulte.

Doch Freunde und Bekannte beschreiben auch, dass Mazen al-Hamada nach der Folter ein gebrochener Mann gewesen sei. Das Regime hatte ihn schwer verletzt, an seinen Armen und am ganzen Körper war er von der Folter gezeichnet. Die Regime-Schergen hatten ihm sogar die Fortpflanzungsfähigkeit genommen. In einem Interview während seiner Zeit in Europa sagte al-Hamada: „Das Regime hat meine schönen Erinnerungen zerstört. Sie haben meine Kindheit zerstört. Sie haben meine Jugend zerstört. Es gibt nichts, was sie nicht zerstört haben.“ Immer wieder machte er auf das Schicksal der Syrer aufmerksam und appellierte an die Welt, gegen die Täter vorzugehen und sie zur Rechenschaft zu ziehen.

Regimekritiker verzweifelte an Ignoranz im Westen

Doch sein Flehen um Gerechtigkeit wurde nicht erhört. Mazen al-Hamada ließ die Ignoranz der Welt zunehmend verzweifeln. Statt den traumatisierten Aktivisten zu unterstützen, wollten die niederländischen Asylbehörden ihn zur Arbeit zwingen. „Jedes Mal, wenn Mazen ins Ausland reiste, um gegen Assad auszusagen und seine Geschichte der Ungerechtigkeit zu erzählen, erhöhten die niederländischen Behörden den Druck auf ihn“, berichtet der syrische Filmemacher Sakir Khader, der zusammen mit al-Hamada Asyl in den Niederlanden bekommen hatte. „Wenn er reisen konnte, was sie eher als Urlaub betrachteten, dann sollte er auch arbeiten können.“ Währenddessen legte Diktator Baschar al-Assad mit Unterstützung durch Russland, den Iran und die Hisbollah Syrien in Schutt und Asche, setze sogar Giftgas gegen das eigene Volk ein.

Die Behörden wollten al-Hamada zu einfacher manueller Arbeit auch draußen zwingen. Doch der Aktivist war durch die Knastfolter zunehmend depressiv geworden, fühlte sich verfolgt und vermied es, nach draußen zu gehen. „Seine Leistungen wurden plötzlich gekürzt. Infolgedessen konnte er seine Miete nicht mehr bezahlen“, so Khader.

Regimegegner hoffte, wenigstens ein paar Menschen retten zu können

Zunehmend verlor al-Hamada die Hoffnung, sprach von einem Frieden zwischen dem Regime und der Revolution. Häscher des Regimes bearbeiteten den depressiven Syrer. „Regimetreue Personen aus der syrischen Botschaft sprachen Mazen an und manipulierten ihn bewusst, um ihn zurück nach Syrien zu locken“, berichtet Svenja Borgschulte von „Adopt a Revolution“. „Ihm wurde seine eigene Sicherheit garantiert und die Freilassung von Gefangenen aus der Provinz Deir ez-Zor zugesichert.“ Mit der Hoffnung zumindest ein paar Menschen retten zu können, ging Mazen al-Hamada zur syrischen Botschaft in Berlin, holte sich einen neuen Pass und stieg entgegen des Flehens seiner Freunde und Bekannten in ein Flugzeug nach Damaskus.

Doch am Flughafen wurde der Menschenrechtler sofort von den Sicherheitsbehörden abgeführt. „Sein Whatsapp ging ab da offline und seine Konten in den sozialen Medien wurden gelöscht“, berichtet Borgschulte. Mazen al-Hamada verschwand in den Kerkern des Regimes. Jahrelang setzten sich Freunde, Verwandte und syrische Aktivisten für seine Freilassung ein. Doch die Hoffnung war vergeblich. Ob er den Sturz des mörderischen Regimes, gegen das er so lange gekämpft hat, noch erlebt hat oder vorher schon getötet wurde, bleibt weiter das Geheimnis seiner Peiniger.