SPD und Union einig

Koalitionsvertrag: Steuern und Sozialhilfe runter, Sicherheit und Rente rauf

SPD und CDU wollen den Staat modernisieren, die Migration besser steuern, den Frieden sichern, das Heizungsgesetz abschaffen und Energie wieder bezahlbar machen.

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CSU-Chef Markus Söder (v.l.), Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, SPD-Chef Lars Klingbeil und SPD-Co-Chefin Saskia Esken stellen in Berlin ihren neuen Koalitionsvertrag vor.
CSU-Chef Markus Söder (v.l.), Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, SPD-Chef Lars Klingbeil und SPD-Co-Chefin Saskia Esken stellen in Berlin ihren neuen Koalitionsvertrag vor.Kay Nietfeld/dpa

SPD, CDU und CSU haben in Berlin den neuen Koalitionsvertrag vorgestellt. Die Steuern sollen runter, das Bürgergeld abgeschafft werden, eine Wehrpflicht kommt und die Rente soll stabil bleiben. Aber es gibt noch mehr, was CSU-Chef Markus Söder, Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, SPD-Chef Lars Klingbeil und SPD-Co-Chefin Saskia Esken geplant haben.

CDU-Chef Friedrich Merz hat den Menschen in Deutschland eine neue, starke Regierung versprochen. Die Einigung von CDU/CSU und SPD auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag sei ein „sehr starkes und klares Signal“ an die Bürgerinnen und Bürger des Landes sowie an die Partner in der Europäischen Union. „Deutschland bekommt eine handlungsfähige und eine handlungsstarke Regierung“, sagte Merz, den Union und SPD zum Bundeskanzler wählen wollen, in Berlin.

Alle Spekulationen über die Pläne der neuen Regierung seien nun beendet. Der Koalitionsvertrag sei Ergebnis intensiver Beratungen. Das zwischen den Partnern bereits entstandene Vertrauen sei die Basis des gemeinsamen Regierens.

„Vor uns liegt ein starker Plan, mit dem wir unser Land gemeinsam wieder nach vorn bringen können“, sagte Merz. Es gehe um die Zukunft des Landes und Europas. Das verpflichte alle, etwas Gutes zu tun und etwas Tragfähiges zu Papier zu bringen. „Das ist uns gelungen.“

„Die politische Mitte unseres Landes ist in der Lage, die Probleme zu lösen, vor denen wir stehen“, fügte er hinzu. Die künftige Regierung werde reformieren und investieren, „um Deutschland stabil zu halten, sicherer zu machen und wirtschaftlich wieder stärker zu machen“

Konkret sollen in einer neuen Regierung ab Anfang Mai folgende Punkte umgesetzt werden:

Migration: Union und SPD haben sich im Bereich der Migrations- und Asyl-Politik auf Maßnahmen verständigt, die vor allem die Zuwanderung von Flüchtlingen reduzieren sollen. Man werde einen „neuen Kurs“ in der Migrationspolitik einschlagen, sagte CDU-Chef Friedrich Merz bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags am Mittwoch in Berlin. Es werde Kontrollen an den Staatsgrenzen und Zurückweisungen auch gegenüber Asylbewerbern geben.

Bürgergeld. CDU, CSU und SPD wollen beim Bürgergeld strengere Regeln einführen. Bei der Sozialleistung, die in „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umbenannt werden soll, soll wieder die Vermittlung in einen Job im Vordergrund stehen und nicht mehr Weiterbildung und Qualifizierung, wie aus dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Koalitionsvertrag hervorgeht. Wenn die Bezieherinnen und Bezieher ihren Pflichten nicht nachkommen, sollen „schneller, einfacher und unbürokratischer“ als bisher die Leistungen gekürzt werden. Auch ein „vollständiger Leistungsentzug“ soll möglich sein. Änderungen sind zudem bei den Freibeträgen für Vermögen vorgesehen.

Neue Koalition will E-Auto-Nachfrage ankurbeln

Steuern: Für Arbeitnehmer ist eine Entlastung geplant – etwa durch einen später greifenden und flacher verlaufenden Steuertarif. Dadurch werde am Ende jeder Steuerzahler entlastet und jeder Arbeitnehmer erhalte unter dem Strich mehr Netto vom Brutto, hieß es.

Klima: Union und SPD wollen die Anpassung an die Folgen des Klimawandels weiter vorantreiben. Das geht aus dem Entwurf für den Koalitionsvertrag hervor, auf den sich CDU, CSU und SPD geeinigt haben. Darin heißt es: „Wir werden die Klimaanpassungsstrategie umsetzen und dazu die bestehenden Förderprogramme zielgerichtet und effizient nutzen und gegebenenfalls anpassen“, heißt es darin. Hochwasser- und Küstenschutzmaßnahmen sollen demnach „beschleunigt“ werden.

E-Autos: Union und SPD wollen die Nachfrage nach Elektroautos wieder stärker ankurbeln. „Wir werden die E-Mobilität mit Kaufanreizen fördern“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Genauere Angaben zur Höhe und mögliche Bedingungen wurden nicht festgeschrieben. Zudem sollen demnach weitere Maßnahmen ergriffen werden, unter anderem bei steuerlichen Vergünstigungen für E-Fahrzeuge als Dienstwagen. E-Autos sollen bis 2035 von der Kfz-Steuer befreit sein. Kommen soll ein Programm für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen, um den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität zu unterstützen.

Energiepreise: Die Stromsteuer soll auf ein europäisches Mindestmaß reduziert, die Gaspreisumlage abgeschafft und ein Industriestrompreis eingeführt werden.

Atomkraft: Union und SPD wollen bis auf Weiteres keine Rückkehr Deutschlands zur Nutzung von Atomenergie prüfen. Das geht aus dem Entwurf für den Koalitionsvertrag hervor, auf den sich CDU, CSU und SPD geeinigt haben. Darin finden sich, anders als es sich zunächst angedeutet hatte, keine Regelungen zum Thema Atomausstieg.

Koalition führt eine Wehrpflicht light ein – erst mal

Heizungsgesetz: Union und SPD wollen das Heizungsgesetz streichen. Das geht aus dem Koalitionsvertrag hervor. „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“, heißt es dort. Das neue Gebäudeenergiegesetz solle „technologieoffener, flexibler und einfacher“ werden. Die erreichbare CO2-Vermeidung solle „zur zentralen Steuerungsgröße“ werden.

Wehrpflicht: Union und SPD wollen mit einem neuen Wehrdienst mehr Soldatinnen und Soldaten für die Bundeswehr gewinnen. „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert“, heißt es in dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Koalitionsvertrag. Noch in diesem Jahr will die künftige Bundesregierung die Voraussetzung für eine „Wehrerfassung und Wehrüberwachung“ schaffen.

Rente. Union und SPD wollen das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent gesetzlich festschreiben. Diese Haltelinie beim Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente im Verhältnis zum durchschnittlichen Lohn in Deutschland soll bis 2031 gelten, wie aus dem Entwurf des schwarz-roten Koalitionsvertrags hervorgeht. Damit wird die Rente steigen, denn es gibt regelmäßig inflationsbedingt Anpassungen nach oben. Sowohl bei den Löhnen als auch bei der Rente.

Deutschlandticket: „Wir werden Deutschlandticket erhalten und fortsetzen“, sagt SPD-Chefin Esken.

Cannabis-Gesetz: Union und SPD wollen die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene auf den Prüfstand stellen – eine Rücknahme wurde aber nicht im Koalitionsvertrag festgeschrieben. „Im Herbst 2025 führen wir eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis durch“, heißt es in dem gemeinsamen Dokument von CDU, CSU und SPD. Eine erste Evaluierung sieht das geltende Gesetz bereits vor.

Die Migration soll stärker geregelt werden. Die Bezahlkarte für Flüchtlinge kommt Deutschland-weit.
Die Migration soll stärker geregelt werden. Die Bezahlkarte für Flüchtlinge kommt Deutschland-weit.Patrick Pleul/dpa

Bonpflicht: Im Rahmen eines umfassenden Bürokratieabbaus will die Koalition aus CDU, CSU und SPD auf die verpflichtende Ausgabe von Kassenbons verzichten. „Die Bonpflicht wird abgeschafft“, betonte der CSU-Vorsitzende Markus Söder bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags in Berlin. Seit 2020 müssen Händler mit elektronischen Kassensystemen ihren Kunden bei jedem Kauf unaufgefordert einen Beleg aushändigen. Dadurch soll Steuerbetrug verhindert werden.

Arbeitszeiten: Union und SPD haben sich vorgenommen, statt des üblichen Acht-Stunden-Tags einen wöchentlichen Rahmen für die Arbeitszeit einzuführen. Überstunden sollen steuerfrei gestellt werden. Dies geht aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hervor. Das Vorhaben soll aber in Absprache mit Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgestaltet werden. Die Gewerkschaften haben allerdings große Bedenken gegen die mögliche Ausweitung der täglichen Arbeitszeit. Sie befürchten das Ende des üblichen Acht-Stunden-Tags, der seit 1918 in Deutschland gilt.

Elterngeld: Künftige Eltern können auf ein höheres Elterngeld hoffen. Union und SPD haben sich in den Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, die Beträge „spürbar“ zu erhöhen. Das geht aus dem Entwurf für den Koalitionsvertrag hervor, auf den sich CDU, CSU und SPD geeinigt haben. Die Parteien müssen dem Vertragswerk in den kommenden Wochen noch zustimmen. Demnach sollen sowohl der Mindestsatz von derzeit 300 Euro als auch der Höchstsatz von 1800 Euro angehoben werden. Wie hoch die Steigerung künftig ausfallen soll, blieb zunächst unklar.

Auch bei den Ministerien gibt es Klarheit: Die Union wird in der künftigen Bundesregierung unter anderem das Außenministerium, das Innenministerium und das Wirtschaftsministerium stellen. Wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Koalitionsvertrag von Union und SPD weiter hervorgeht, soll die SPD das Finanzministerium und die Ressorts Arbeit und Verteidigung bekommen. Demnach gehen insgesamt sechs Fachministerien an die CDU, drei Ressorts an die CSU und sieben Ministerien an die SPD.

CSU-Chef Markus Söder sieht in den drei Bundesministerien für seine Partei den CSU-Kurs von „Law and Order, Hightech und Heimat“ verwirklicht. Neben dem Innen- und dem Agrarministerium werde es für die CSU ein „Super-Hightech-Ministerium“ für Forschung, Technologie und Raumfahrt geben, sagte Söder.

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