Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) wird auf dem Weg von Hartz IV zum Bürgergeld noch viel Arbeit haben.
Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) wird auf dem Weg von Hartz IV zum Bürgergeld noch viel Arbeit haben. dpa/Christoph Söder

Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hat jetzt vorgestellt, wie er und sein Ministerium sich das künftige „Bürgergeld“ vorstellen, das 2023 Hartz IV ablösen soll.  Heils Pläne sehen einen milderen Umgang des Staates mit Empfängern des Bürgergeldes vor, als das bei Hartz IV der Fall war. Wie milde und wie viel Geld es für Bedürftige geben soll, das ist in der Koalition aber längst nicht ausgemacht. Die FDP trat unmittelbar auf die Bremse. Ein Überblick über Heils Vorschläge:

Karenzzeit für Vermögen beim Bürgergeld

Wer nach einem Jahr Arbeitslosigkeit vom Arbeitslosengeld I ins Bürgergeld (das heutige Arbeitslosengeld II / Hartz IV) rutscht, dessen eventuell vorhandenes  Vermögen soll in den ersten beiden Jahren erst ab einer Grenze von 60.000 Euro auf die Bürgergeld-Leistungen angerechnet werden. Für jede weitere Person im Haushalt steigt die Grenze um 30.000 Euro. „Es soll so sein, dass die Menschen, die in das neue Bürgergeld kommen, (...) sich nicht die Sorge machen müssen, dass ihr kleines Erspartes oder Vermögen weggesäbelt wird“, sagte Heil. Nach den zwei Jahren soll das Schonvermögen bei 15.000 Euro liegen.

Wohnung erstmal behalten, wenn man Bürgergeld erhält

Heil will Menschen, die auf das Bürgergeld zurückgeworfen werden, „entstressen“. Deshalb plant er, dass in den ersten beiden Jahren des Bezugs die Kosten für die Wohnung vom Steuerzahler übernommen werden, auch wenn sie bei Kosten und Größe über dem als „angemessen“ eingestuften Niveau liegt. Der Druck, sich schnell eine kleinere Wohnung zu suchen, wäre damit weg. Geplant ist auch eine „Vertrauenszeit“ von sechs Monaten. In dieser Phase sollen keine Leistungen gekürzt werden, wenn sogenannte Pflichtverletzungen vorliegen, also zum Beispiel Termine nicht wahrgenommen werden.

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Weniger Bürokratie, mehr Weiterbildung für Empfänger von Bürgergeld

Die Reform sieht auch bürokratische Entlastungen der Jobcenter vor. Sie sollen sich nicht mehr mit Rückforderungsbescheiden herumschlagen müssen, wenn jemand zu viel Geld erhalten hat. Eine Bagatellgrenze von 50 Euro ist hier geplant. Ein starker Fokus liegt zudem auf der Weiterbildung, weil überall Arbeitskräfte fehlen. Bürgergeld-Empfänger, die einen Berufsabschluss nachholen, sollen mehr Zeit dafür bekommen und ein monatliches „Weiterbildungsgeld“ in Höhe von 150 Euro. Geplant sind auch höhere Hinzuverdienstgrenzen für Schüler, Studierende und Azubis.

Die große Frage: Wie hoch wird das Bürgergeld?

Eine wesentliche Frage bleibt noch unbeantwortet: Wie viel Bürgergeld soll es eigentlich geben? Der Hartz-IV-Regelsatz für alleinstehende Erwachsene liegt im Moment bei 449 Euro im Monat. Bis zu bestimmten Grenzen wird die Miete übernommen, die Heizkosten werden bezahlt und auch die Krankenversicherung.

Wie hoch das Bürgergeld wird, soll sich laut Heil im September zeigen, wenn Daten zur Lohn- und Preisentwicklung vom Statistischen Bundesamt vorliegen, anhand derer die Sätze jährlich fortgeschrieben werden.

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Sozialverbände fordern aber schon lange deutlichere Erhöhungen. Auch Heil ist für neue Berechnungsmethoden, so dass die Leistungen nicht mehr der Inflation hinterherhinkten, wie er am Mittwoch sagte. Er bekräftigte seine Wunschgrößenordnung von rund 40 bis 50 Euro mehr im Monat.

Gegenwind vom Koalitionspartner FDP: Bürgergeld soll kein

Hier wird es aber noch schwierige Verhandlungen mit der FDP geben. Er sei nicht dafür, die Regelsätze über die Anpassung an die Inflation hinaus pauschal zu erhöhen, sagte Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner. „Stattdessen müssen wir die Zuverdienstmöglichkeiten verbessern. Aus dem Bürgergeld darf kein bedingungsloses Grundeinkommen werden.“ Auch eine Debatte über andere Berechnungsmethoden wird in der FDP abgelehnt. Stattdessen pocht sie darauf, dass es Leistungskürzungen gibt, wenn Empfänger Arbeits- oder Weiterbildungsangebote nicht annehmen oder Termine versäumen.

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband meldete sofort Kritik an, allerdings mit entgegengesetzter Schlagrichtung: Die Höhe der Leistungen bleibe Heils Papier schuldig, die Vorschläge zu künftigen Sanktionen würden einen Rückschritt darstellen im Vergleich zur gegenwärtigen Situation, in der Sanktionen ausgesetzt sind. „Die vielen kleinen Schritte, die in eine richtige Richtung weisen, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass an Sanktionen weiter festgehalten werden soll und zur Höhe der Leistungen nach wie vor keine verbindliche Aussage und offenbar auch keine Einigung in der Bundesregierung existiert“, erklärte Werner Hesse, Geschäftsführer des Verbands.

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Einigkeit bei der Ampel: Schluss mit Hartz IV

Grundsätzlich sind sich die Ampel-Parteien aber einig: Nach 18 Jahren soll Hartz IV Geschichte sein. Die Bezeichnung geht zurück auf eine Kommission unter der Leitung des früheren VW-Managers Peter Hartz. Sie erarbeitete wegen der damals sehr hohen Arbeitslosenzahlen für die Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Vorschläge für Arbeitsmarkt- und Sozialreformen. Die Folge war unter anderem mehr Druck auf arbeitsfähige Erwerbslose, Arbeit anzunehmen.

Die Sozialdemokraten hatten schon 2019 auf einem Parteitag die Abkehr von Hartz IV beschlossen. In der großen Koalition war Heil als Arbeitsminister damit aber chancenlos.