Dunkle Häuser heizen die Stadt auf

Irrsinn bei 40 Grad Hitze: Schwarze Fassaden heizen dieses brandneue Rechenzentrum auf - wie es zu dieser Planungspanne kam!

Rabenschwarzes Rechenzentrum entsteht in Berlin: Berlin drängte frühzeitig auf hellen Fassaden, doch die Verwaltung reagierte nicht.

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Das Rechenzentrum auf dem Gelände des früheren Gaswerks Mariendorf dürfte wegen seiner schwarzen Fassade zur Aufheizung der Umgebung beitragen.
Das Rechenzentrum auf dem Gelände des früheren Gaswerks Mariendorf dürfte wegen seiner schwarzen Fassade zur Aufheizung der Umgebung beitragen.Sabine Gudath

Sommernächte in Berlin werden immer tropischer, denn mit der Hitze tagsüber werden die Häuser zu Wärmespeichern, die nach dem Untergang der Sonne an ihrer Stelle weiter einheizen. Daraus zog Ingeborg Junge-Reyer (SPD), bis 2011 Stadtentwicklungs-Senatorin, schon vor über zehn Jahren eine Lehre. Sie rief damals dazu auf, bei Neubauten möglichst helle Fassaden zu errichten. Das könne helfen, den Anstieg der sommerlichen Temperaturen in der Stadt zu reduzieren. Der Appell, in späteren Jahren in Senatsbroschüren wiederholt, scheint weitgehend verhallt zu sein und wird Bauherren gegenüber auch nicht geäußert.

Der Einfluss der Häuserfarbe auf das Stadtklima ist keine besonders revolutionäre Erkenntnis, weshalb die wissenschaftliche Helmholtz-Klimainitative, an der sich 15 der bundesweit 18 Helmholtz-Zentren beteiligen, sie kurz und knapp erwähnt: „Selbst Farben können die Temperatur beeinflussen: Dunkle Fassaden heizen sich schneller auf als helle.“ Und strahlen die Wärme nachts ab.

Der schwarze Klotz in Mariendorf

Und trotz der Banalität der Erkenntnis: Immer wieder werden noch düstere Gemäuer in die Stadt gestellt. Gegenwärtig wird ein besonders großer Klotz in Schwarz fertiggestellt, das energie- und kühlungsbedürftige NTT-Rechenzentrum „Berlin 2“ auf dem Gelände des einstigen Gaswerks Mariendorf.

Schwarz. Das NTT-Rechenzentrum an der Lankwitzer Straße.
Schwarz. Das NTT-Rechenzentrum an der Lankwitzer Straße.Sabine Gudath

Eine Vertreterin des Bauherrn, einem Tochterunternehmen des japanischen Kommunikationskonzerns NTT (Nippon Telegraph and Telephone), antwortete dem KURIER: „Es gibt keine besonderen technischen Gründe für die Farbe der Außenfassade – der Farbton wurde vom Architekten aus ästhetischen Gründen gewählt.“

Aus dem Hause des heutigen Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) wurde dem KURIER mitgeteilt, dass   helle Gebäudefassaden sicherlich eine Variante seien, „klimaresilient“ zu bauen. „Vorschreiben kann man dies keinem privaten Bauherren – das gibt die Bauordnung nicht her.“

Senat: Helle Fassaden können nur empfohlen werden

Bei  den ausgewählten Neubauprojekten, die im den Senat beratenden Baukollegium besprochen werden, könne eine helle Fassade lediglich empfohlen werden.

Nur im Fall einer „Städtebaulichen Satzung“ für eine Straße oder ein Bauensemble könne eine farbliche Festlegung  enthalten sein, die es für das Gebiet des alten Gaswerks wohl nicht gebe. „Es gibt bauordnungsrechtlich also keine Möglichkeit, eine solche schwarze Fassade zu verhindern“, schreibt die Pressestelle.

Bezirk: Bebauungsplan macht keine Vorgaben zur Fassadengestaltung

Ähnlich äußerte sich Angelika Schöttler (SPD), die zuständige Stadträtin in Tempelhof-Schöneberg. „Die äußere Gestaltung eines Gebäudes ist somit grundsätzlich nicht Gegenstand der Prüfung, es sei denn, es existieren im Ausnahmefall in entsprechenden Rechtsvorschriften Gestaltungsregelungen. Dies ist hier nicht der Fall.“Der Bebauungsplan 7-80 habe keine Vorgaben zu der Fassadengestaltung gemacht. 

Schöttler: „Die Äußerung, dass aus Gründen der Verhinderung beziehungsweise Minimierung einer Aufheizung der Stadt eher hellere Fassaden errichtet werden sollten, mag als politisches Ziel formuliert sein, öffentlich-rechtliche Vorschriften dazu existieren jedoch nicht.“

Die Stadträtin beendete ihre Antwort mit diesem Satz: „Die äußere Gestaltung des Gebäudes war in den Bauantragsunterlagen angegeben.“

NTT: Die Berliner Verwaltung hat die Farbe nicht zur Sprache gebracht

Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Denn NTT wurde über die Zielsetzung Berlins, was die Fassadengestaltung angeht, nicht einmal informiert, obwohl die Verwaltung wusste, was da geplant war.

Die NTT-Sprecherin: „Die Farbe wurde auch nicht von der Berliner Verwaltung während des Verfahrens zur Erlangung der erforderlichen Bau- und Umweltgenehmigungen für das Rechenzentrum zur Sprache gebracht.“

Im Übrigen verstehe man die Anfrage des KURIER als Anregung: „Wir werden die Auswirkungen einer helleren Fassadenfarbe für künftige Bauteile im Rahmen unserer kontinuierlichen Verbesserung des nachhaltigen Designs neu bewerten.“