Rund drei Wochen nach der Oscar-Auszeichnung für den Dokumentarfilm „No Other Land“ ist Co-Regisseur Hamdan Ballal im israelisch besetzten Westjordanland offenbar Opfer eines gewaltsamen Angriffs geworden. Berichten zufolge wurde der Berlinale-Star von einer Gruppe jüdischer Siedler zusammengeschlagen. Anschließend soll das israelische Militär den verletzten palästinensischen Filmemacher aus einem Krankenwagen geholt und festgenommen haben. Das berichten palästinensische Aktivisten und Kollegen. Sein Verbleib ist seitdem unklar.
Während das israelische Militär dementierte, dass ein Palästinenser aus einem Krankenwagen geholt wurde, schilderte die nicht-staatliche Organisation Center for Jewish Nonviolence den Angriff auf Ballal in seinem Heimatdorf Susja. Die Angreifer seien mit verschiedenen Waffen ausgerüstet gewesen, darunter Schlagstöcke, Messer und mindestens ein Sturmgewehr. Viele von ihnen sollen maskiert gewesen sein. Auch fünf jüdisch-amerikanische Aktivisten gerieten ins Visier der Angreifer, die ihr Fahrzeug mit Steinen bewarfen.
Berichten zufolge terrorisierten dutzende Siedler das Dorf, indem sie Steine auf Bewohner, Häuser und Fahrzeuge schleuderten. Unter den vier Verletzten befand sich auch Ballal, der offenbar am Kopf getroffen wurde. Informationen über seinen Gesundheitszustand gab es zunächst nicht.
Während die israelische Polizei drei Festnahmen bestätigte, wurde Ballal laut Aktivisten ebenfalls in Gewahrsam genommen. Co-Regisseur Basel Adra und sein israelischer Kollege Yuval Abraham bezeichneten den Vorfall als einen brutalen Angriff und behaupteten, Ballal sei von den Siedlern fast zu Tode geprügelt und anschließend von Soldaten verschleppt worden.
I'm standing with Karam, Hamdan's 7 year old son, near the blood of Hamdan's in his house, after settlers lynched him. Hamdan, co-director of our film No Other Land, is still missing after soldiers abducted him, injured and bleeding. This is how they erase Masafer Yatta. pic.twitter.com/72pT3UF3kj
— Basel Adra (@basel_adra) March 24, 2025
Das israelische Militär erklärte dagegen, es habe einen Zwischenfall registriert, bei dem sowohl Israelis als auch Palästinenser Steine aufeinander warfen. Laut Armeeangaben wurden drei Palästinenser festgenommen, weil sie mutmaßlich Steine auf Soldaten geworfen hätten, sowie ein israelischer Zivilist, der an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen sei.

Zeugen, die von der Nachrichtenagentur AP befragt wurden, widersprachen dieser Darstellung. Das Militär übergab die drei palästinensischen Gefangenen an die israelische Polizei und evakuierte den verletzten Israeli zur medizinischen Behandlung.
Seit der Rückkehr von der Oscar-Verleihung täglich bedroht
Die Gewalt im Westjordanland eskaliert zunehmend. Während palästinensische Extremisten wieder Anschläge auf israelische Zivilisten verüben, nehmen auch Attacken extremistischer jüdischer Siedler gegen Palästinenser zu.

Co-Regisseur Basel Adra äußerte gegenüber der Nachrichtenagentur AP die Vermutung, dass die Angriffe auf die Filmemacher als Vergeltung für den prämierten Dokumentarfilm dienen könnten. „Das könnte ihre Rache an uns sein, weil wir den Film gemacht haben. Es fühlt sich wie eine Bestrafung an.“
Seit ihrer Rückkehr von der Oscar-Verleihung seien sie täglich bedroht worden. Der Film, eine Zusammenarbeit von Ballal mit den Israelis Yuval Abraham und Rachel Szor sowie dem Palästinenser Basel Adra, gewann im März den Oscar für den besten Dokumentarfilm. Er thematisiert den gewaltlosen Widerstand der Palästinenser gegen die drohende Zerstörung ihrer Dörfer in der Region Masafer Jatta südlich von Hebron.
Bereits im Vorjahr sorgte „No Other Land“ für Aufsehen und erregte Debatten, als er bei der Berlinale mit dem Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet wurde. Bei der Preisverleihung wurde scharfe Kritik an Israel geäußert, allerdings ohne die Terrorangriffe der Hamas vom Oktober zu erwähnen. Während es im Saal Applaus für die geäußerte Kritik gab, distanzierten sich die damaligen Festival-Intendanten Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian später von den Aussagen – nicht aber von der Auszeichnung des Films. ■