Bundeskanzler Olaf Scholz ist vom Bundestag das Vertrauen entzogen worden. Bei der im Parlament gestellten Vertrauensfrage stimmten 394 Abgeordnete für eine Abwahl von Scholz. Für Scholz stimmten nur 207 Parlamentarier. Es enthielten sich 116 Abgeordnete. Zuvor hatte die Grünen-Fraktion angekündigt, sich bei der Abstimmung zu enthalten, um nicht der AfD zu ermöglichen, Scholz doch nicht abwählen zu lassen.
Scholz fuhr anschließend sofort ins Schloss Bellevue, um Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Auflösung des Bundestags vorzuschlagen. Das Staatsoberhaupt hat nun 21 Tage Zeit zu entscheiden, ob er zustimmt und eine Neuwahl innerhalb von 60 Tagen ansetzt.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach der Bitte von Kanzler Olaf Scholz (SPD), den Bundestag aufzulösen und eine Neuwahl anzusetzen, einen wahren Gesprächsmarathon vor sich. Er will in den kommenden Tagen mit allen Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppen im Bundestag reden, um zu eruieren, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit für eine stabile Regierungsmehrheit gibt.
Scholz bleibt noch bis zu einer Regierungsbildung nach einer vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar im Amt. Auch der Bundestag bleibt bis zur Neukonstituierung nach der Wahl abstimmungsfähig.
Olaf Scholz wirft FDP „Sabotage“ in der Ampel-Koalition vor
Der Vertrauensfrage war eine der heftigsten Bundestagsdebatten der deutschen Geschichte vorausgegangen. Die Rednerinnen und Redner der Fraktionen warfen sich zum Teile heftige Vorwürfe an den Kopf.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Debatte über seine Vertrauensfrage im Bundestag für eine Wahlkampfrede mit harten Attacken vor allem gegen die FDP genutzt. Die „wochenlange Sabotage“ der Liberalen unter Parteichef Christian Lindner habe nicht nur der Ampel-Regierung, sondern auch der Demokratie insgesamt geschadet, sagte er. „In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife.“

Merz nennt Scholz-Attacken „blanke Unverschämtheit“
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz nannte die Attacke in seiner Erwiderung eine „blanke Unverschämtheit“. Scholz habe in seiner Rede zwar viel von Respekt gesprochen, sagte der CDU-Vorsitzende an die Adresse des Kanzlers. „Aber ganz offensichtlich hört Ihr Respekt dort auf, wo es andere politische Meinungen gibt“.
Der Oppositionsführer kritisierte, Scholz hinterlasse das Land in einer der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte. Er warf Scholz zudem schwere Versäumnisse beim Engagement auf EU-Ebene vor. „Sie blamieren Deutschland“, sagte er. Es sei „zum Fremdschämen“, wie der Kanzler sich in der Europäischen Union bewege.

Lindner will keinen „Prinz Karneval“ als Kanzler
Lindner konterte die Attacke des Kanzlers mit einem Gegenangriff auf dessen Wirtschaftspolitik. Scholz' Antworten gingen am tiefgreifenden Problem mangelnder Wettbewerbsfähigkeit vorbei. Als Beispiel nannte Lindner die gerade erst von Scholz vorgeschlagene Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. „Der Prinz Karneval, der kann am Rosenmontag Kamelle verteilen um populär zu werden. Aber die Bundesrepublik Deutschland darf so nicht regiert werden.“
Scholz bekräftigte, dass er die Vertrauensfrage mit dem Ziel einer um sieben Monate vorgezogenen Wahl des Parlaments stellt. „Bei dieser Wahl können dann die Bürgerinnen und Bürger den politischen Kurs unseres Landes vorgeben, darum geht es“, sagte er. „Die Vertrauensfrage richte ich deshalb heute an die Wählerinnen und Wähler.“ Den größten Teil seiner knapp halbstündigen Rede nutzte Scholz dann auch dafür zu erläutern, mit welchem Programm er die Wähler überzeugen will, für die SPD zu stimmen. Stabile Renten, Erhöhung des Mindestlohns und das Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus in die Ukraine sind nur einige Punkte.

Habeck will Deutschland handlungsfähig halten
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gab zu, dass das Regieren mit der Ampel nicht einfach war. „Klar, wir waren alle – wir alle drei – genervt voneinander, und die Ampel hat in vielerlei Hinsicht zu Recht einen schlechten Ruf gehabt.“ Er warnte indes davor, mit Naivität auf die geplante Neuwahl und die Zeit danach zu blicken. „Alle tun so, als wäre danach alles besser“, sagte der Kanzlerkandidat der Grünen. Schwierige Bündnisse, die von den Beteiligten die Fähigkeit zum Kompromiss erfordern, seien auch in Zukunft zu erwarten.
Es gebe auch keine Garantie, dass Deutschland nach der für den 23. Februar geplanten Neuwahl zu einer schnellen Regierung kommen werde. Die Grünen und er persönlich wollten dafür arbeiten, „dass das Land in dieser schwierigen Phase handlungsfähig bleibt“.

Weidel gegen alle
AfD-Chefin Alice Weidel hat dem Kanzlerkandidaten der Grünen vorgeworfen, das Land ruiniert zu haben. Über den Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz sagte sie, er riskiere mit der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine einen dritten Weltkrieg. Wer die Geschicke des Landes in seine Hände lege, „der wählt den Krieg“, betonte Weidel.
In Richtung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte sie: „Gerade einmal drei Jahre war Ihre Regierung im Amt. An den Schäden, die Sie in dieser Zeit angerichtet haben, werden die Deutschen noch in Jahrzehnten zu tragen haben.“ ■