Zwei Wochen nach der Bundestagswahl sitzt die Kanzlerkandidatin der AfD, Alice Weidel am Donnerstagabend im ZDF-Fernsehstudio bei Markus Lanz – warum eigentlich, ist nicht so ganz klar. Das Thema, bei dem sich ein heftiger Streit entzündet, dreht sich um die USA, die Ukraine und Russland – Außenpolitik, die Weidel als zukünftige Oppositionsführerin im Bundestag wird kommentieren können. Aber bis sich das Parlament nach Ostern konstituiert, wird die Opposition nicht von der AfD, sondern von der Union angeführt. Was will Moderator Markus Lanz also von Weidel hören?
Für AFD-Chefin Weidel ist „JD Vance ein weiser Mann mit Vision“
Beispielsweise, wie sie den Eklat vergangene Woche im Weißen Haus wahrgenommen hatte: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenksyj war von US-Präsident Donald Trump und seinem Vize JD Vance in einer Weise bloßgestellt worden, die Schockwellen in die gesamte Welt aussandte. Nachrichten- und Podcast-Kanäle produzierten Sondersendungen, um den faktischen Rauswurf Selenskyjs zu kommentieren. Provoziert hatte den Skandal, womöglich geplant, Vizepräsident JD Vance. Diesen nennt Alice Weidel bei „Lanz“ provokant einen „unglaublich weisen Mann mit einer Vision für Amerika und für Europa“. So wollten die USA nicht mehr für Europa bezahlen – gemeint sind vor allem Aufwendungen für die Verteidigung der NATO gegenüber russischen Bedrohungen. Vance' Haltung sei „legitim“, so Weidel.
Weidel geht anders als viele politische Beobachter davon aus, dass die USA faire Verhandlungen mit Russland über einen Frieden in der Ukraine führten. Der Streit im Weißen Haus entzündete sich unter anderem an der Einschätzung Selenskyjs, Putin habe in der Vergangenheit bewiesen, dass er Vereinbarungen nicht einhält. Hecken die Regierungen Russlands und der USA also nicht vielmehr einen „Diktatfrieden“ aus? Diese Diskussion hält Weidel für „verkürzt“, sie werde „den Verhandlungen nicht gerecht“.
‚Bild‘ nennt AfD-Chefin Weidel „Putin-Trump-Sprechpuppe“?
Eine Äußerungen des AfD-Ko-Vorsitzenden Tino Chrupalla, der Selenskyj als „Bettelpräsident“ verhöhnte, nennt Weidel eine „Überspitzung“ die aber „inhaltlich... auf jeden Fall richtig“ sei. Selenskyj hält sie für eine „tragische Figur“ und behauptet, man habe „von Anfang an verhandeln müssen“: Eben das hatte die Ukraine zu Beginn des Krieges getan und internationale Konferenzen für Friedensverhandlungen mit organisiert. Diese wurden von Russland aber ignoriert.
Die russlandfreundliche Haltung von Alice Weidel, wiewohl bekannt, wird in zahlreichen Medien sehr kritisch kommentiert: So nennt sie die „Bild“ in einem kommentierenden Bericht die „Putin-Trump-Sprechpuppe“. Es ist aber nichts Neues, dass Weidel die Sichtweise der Regierungen von Trump und Putin wiedergibt – auch deshalb erstaunt die Fassungslosigkeit des Moderators, der von einer „zutiefst moralischen Angelegenheit“ spricht. „Es geht hier um eine Schlacht zwischen Gut und Böse“, so Lanz sehr theatralisch, aber ohne klar zu sagen, was für ihn wohl feststeht: dass nämlich Russland das Böse verkörpere.
Wollte Markus Lanz etwa Alice Weidel stellen? Die AfD jubelt
Das Weidel dies anders sehen könnte, lässt sie zunächst offen und gibt Lanz recht, räumt sogar ein, dass Russland den völkerrechtswidrigen Krieg begonnen habe: „Und darum wollen wir es beenden“, sagt sie, schiebt dann aber hinterher:„ Die Schwarzmalerei, die Einteilung in Gut und Böse, hat uns nicht vorangebracht.“ Bei AfD-zugeneigten Stimmen in sozialen Medien wird der Auftritt Weidels so aufgefasst, als habe diese es dem Moderator es mal so richtig gezeigt.
Wenn die Einladung Weidels als erneuter Versuch gemeint war, die AfD zu stellen, ist dies einmal mehr gescheitert. Zwar wird Weidel für ihre inhaltlichen Aussagen in zahlreichen Medien kritisiert, aber ihr geht es überhaupt nicht darum, intellektuell zu brillieren: Sie lässt die aufgeregten Einwände von Markus Lanz einfach an sich abperlen und antwortet kühl: „Was ist denn jetzt Ihre Frage, Herr Lanz?“ Der Moderator versteht dies als Frechheit, Weidel-Fans hingegen als Pointe und Punktsieg für die AfD. ■