Mordurteile

Lebenslang für die Killer von Norhan und Rouven – doch heißt das wirklich für immer Knast?

Die Verurteilungen gegen die Mörder zur Höchststrafe sind nun rechtskräftig. Während die Hinterbliebenen ein Leben lang trauern, können die Killer irgendwann auf Freiheit hoffen.

Author - Katrin Bischoff
Teilen
Mahnwache für die getötete Norhan A. vor dem Kriminalgericht.
Mahnwache für die getötete Norhan A. vor dem Kriminalgericht.Katrin Bischoff

Die brutalen Morde an der Berliner Mutter Norhan A. und an dem Mannheimer Polizisten Rouven Laur erschütterten im vergangenen Jahr die Republik. Die Täter wurden inzwischen wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. In beiden Verfahren stellten die Gerichte zusätzlich die besondere Schwere der Schuld fest. Doch bedeutet das, dass die Killer nun bis an ihr Lebensende im Gefängnis bleiben?

Vor einem Jahr lauerte der libanesische Ex-Mann von Norhan A. seiner früheren Frau vor einer Schutzwohnung in Berlin-Zehlendorf auf und stach sie nieder. Die 36-Jährige hatte sich von ihrem gewalttätigen Partner getrennt, war dann immer wieder bedroht worden und lebte zuletzt mit ihren vier Kindern in einer polizeilich geschützten Wohnung.

Am 28. August 2024 stach der 50-jährige Ex zu. Bei seiner Festnahme erklärte er, es sei um seine Ehre gegangen – seine einstige Frau habe „nicht verdient zu leben“. Ende Februar dieses Jahres wurde er wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen schuldig gesprochen. Das Gericht sprach von einer Tat, die „das Gepräge einer von einem absoluten Vernichtungswillen getragenen öffentlichen Hinrichtung“ habe. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil vor vier Wochen.

Trauer um Rouven Laur auf dem Marktplatz in Mannheim.
Trauer um Rouven Laur auf dem Marktplatz in Mannheim.dpa

Nur wenige Monate zuvor ereignete sich ein weiterer Mordfall, der bundesweit Schlagzeilen machte. In Mannheim griff der streng gläubige Afghane Sulaiman A. mit einem Messer Demonstranten der islamkritischen Bewegung Pax Europa an. Fünf Menschen wurden verletzt, unter ihnen der 29-jährige Polizist Rouven Laur, der zwei Tage später seinen Verletzungen erlag.

Der Angreifer hatte sich jahrelang radikalisiert, wollte offenbar den Märtyrertod sterben. Mitte September dieses Jahres verurteilte ihn das Oberlandesgericht Stuttgart wegen Mordes, vierfachen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Auch hier wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Doch was bedeutet „lebenslang“ konkret? Michael Petzold, der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, erklärt: Frühestens nach 15 Jahren Haft wird geprüft, ob eine Entlassung auf Bewährung möglich ist – allerdings nur, wenn eine günstige Sozialprognose vorliegt und keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit besteht. Zudem müssen die Verurteilten überhaupt entlassen werden wollen. In solchen Fällen gilt eine fünfjährige Bewährungszeit.

Diese Grundregel soll der Menschenwürde Rechnung tragen: Auch wer lebenslang sitzt, muss eine reale Chance auf Freiheit haben. Anders sieht es jedoch aus, wenn die Richter eine besondere Schwere der Schuld feststellen. Dann verlängert sich die Mindesthaftzeit deutlich – in vielen Fällen auf 25 Jahre oder mehr. In Extremfällen bleiben Täter sogar bis zum Lebensende eingesperrt.

Eine aktuelle Untersuchung der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden bestätigt diesen Trend: 56 Prozent der im Jahr 2023 entlassenen Häftlinge mit besonderer Schuldschwere saßen länger als 20 Jahre hinter Gittern. Aber auch ohne diese Feststellung verbüßen viele Mörder mehr als die Mindestzeit. 2023 hatte fast jeder fünfte Entlassene ohne besondere Schuldschwere über 20 Jahre im Gefängnis verbracht – ein Anstieg gegenüber 2022.

In Berlin sitzen 100 Lebenslängliche im Knast

Für die Mörder von Norhan A. und Rouven Laur heißt das: Eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren ist praktisch ausgeschlossen. Ihre Fälle müssen erst von einer Strafvollstreckungskammer geprüft werden, wenn irgendwann eine mögliche Haftentlassung zur Debatte steht. Bis dahin bleiben sie hinter Gittern – so lange, bis sie als ungefährlich eingestuft werden.

Insgesamt saßen im Jahr 2023 in Berlin 100 Menschen eine lebenslange Freiheitsstrafe ab. Bundesweit waren es in Nordrhein-Westfalen mit 413 die die meisten, in Bremen mit nur neun die wenigsten. Damit liegt die Hauptstadt im Mittelfeld.

Die Morde an Norhan A. und Rouven Laur zeigen auf brutale Weise: Während die Hinterbliebenen ein Leben lang trauern, steckt hinter dem juristischen Begriff „lebenslang“ nicht ein Leben lang.