Ihre Tochter warnte sie noch kurz vor der schrecklichen Bluttat per WhatsApp, vor ihrem Vater, der in der Nähe der Wohnung lauere. Doch zu spät. Auf dem Heimweg lief Nurhan B. (36) ihrem Ex-Mann direkt in die Arme. Der Angriff mit dem Messer geschah direkt vor dem Mehrfamilienhaus in der Zehlendorfer Hampsteadstraße. Die Nurhan B. hatte keine Chance. Sie starb wenig später im Charité Campus Benjamin Franklin. Eine brutale Tat, die den Kiez und ganz Berlin erschütterte. Am Montag begann der Prozess gegen den Täter, einen 50 Jahre alten Libanesen. Für den Anwalt des Täters war es kein Femizid.
Fünf Monate nach einem tödlichen Messerangriff auf eine 36-Jährige steht ihr Ex-Mann wegen Mordes vor dem Berliner Landgericht. Der 50-Jährige soll die Mutter von vier Kindern laut Anklage aus „massiver Eifersucht“ und „übersteigertem Besitzdenken“ attackiert haben. Zu dem Verbrechen war es vor einem Haus in Berlin-Zehlendorf gekommen, wo die 36-Jährige in einer geschützten Wohnung untergebracht war.
Ex-Mann verfolgte Nurhan B. nach der Trennung
Nurhan B. hatte sich bereits vor einiger Zeit von ihrem gewalttätigen Ehemann getrennt und eine Gewaltschutzverfügung gegen ihn erwirkt. Doch das hielt den 50-Jährigen nicht davon ab, seiner Ex-Frau nachzustellen. Nachbarn berichten, dass er ihr vor ihrem Haus in der Hampsteadstraße auflauerte – und dann brutal zuschlug. „Er war völlig außer sich und schrie immer wieder: ‚Das hast Du verdient! Das ist mein Recht‘“, erzählte damals ein Augenzeuge.
Der Verteidiger kündigte zu Prozessbeginn an, dass sich der Angeklagte zu einem späteren Zeitpunkt zu den Vorwürfen äußern und es keinen Streit darüber geben werde, ob er die Tat begangen habe. Mordmerkmale aber seien fraglich, so der Anwalt bei seiner Eröffnungserklärung.
Die Stimmung im Gerichtssaal war zu Prozessbeginn aufgeheizt. „Mörder!“, rief ein Mann aus der Familie der Getöteten in Richtung des Angeklagten und „schäm dich“. Der 50-jährige Libanese blieb äußerlich regungslos. Ihm gegenüber, als eine von mehreren Nebenklägern, saß seine 15-jährige Tochter – mit einem großen Bild der getöteten Mutter auf ihrem Pullover. Immer wieder kämpfte das Mädchen mit den Tränen. „Er hatte nie eine Ehre“, sagte sie nach dem ersten Verhandlungstag.
Ermittlungen zufolge hatte sich die Frau im Jahr 2020 getrennt und zwei Jahre später scheiden lassen. Der 50-Jährige habe sich „tief beleidigt und in seiner Ehre verletzt gefühlt“, heißt es in der Anklage. Er sei nicht bereit gewesen, „zu akzeptieren, dass die Frau ihr Leben ohne ihn fortsetzen würde und sich anderen Männern zuwenden könnte“. Immer wieder habe er ihr nachgestellt und sie schließlich am 28. August 2024 angegriffen.
Der Ex-Ehemann soll sich gegen 20 Uhr in einem Gebüsch verborgen haben – bewaffnet mit einem Messer. Als die Frau das Haus verließ, habe er sie unvermittelt angegriffen und beleidigt. Nach Schlägen und Tritten habe es die Frau zunächst geschafft, sich aufzurappeln und wegzurennen. Ihrem Ex-Mann sei es aber gelungen, sie einzuholen und sie erneut zu attackieren. Dabei stach er ihr laut Anklage dreimal „mit unbedingtem Tötungswillen“ mit einem Messer in die Brust.

Ein Stich traf das Herz. Eine Zeugin legte sich den Ermittlungen zufolge noch schützend auf die verletzte Frau. Doch der Mann habe erneut auf das Opfer eingestochen, dann sei er am Tatort geblieben und habe die Rettungsversuche mehrerer Zeugen beobachtet, heißt es in der Anklage. Bei seiner Festnahme soll er weiter schimpfend geäußert haben, die Frau habe „nicht verdient zu leben, es sei um seine Ehre gegangen“. Sie habe ihn „wahnsinnig“ gemacht.
Der Täter, der wegen Körperverletzung, Bedrohung und Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz vorbestraft ist, soll am Tatort noch die Tat gestanden haben. Er wurde vor Ort festgenommen und befindet sich seit dem 29. August 2024 in Untersuchungshaft.
Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) forderte kurz nach der Tat strengere Schutzmaßnahmen gegen Gewalt. Angeordnete Kontakt- und Annäherungsverbote wirkten bei häuslicher Gewalt zu häufig nicht. Ihr Vorschlag: „Deshalb sollten wir elektronische Fußfesseln einsetzen können. Hält der aggressive Ex-Partner den vorgegebenen Abstand nicht ein, werden die Frauen so durch ein Signal gewarnt.“
Der Fall Nurhan B.: Vier Kinder verloren ihre Mutter
Die vier Kinder der Getöteten sowie ihre Eltern und Geschwister sind Nebenkläger im Prozess. Die Staatsanwaltschaft geht von einem sogenannten Femizid aus. Femizid bedeutet, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden. In der Ehe soll es mehrfach Fälle von häuslicher Gewalt gegen die Frau gegeben haben. Die vierfache Mutter erwirkte nach der Trennung über ein Gericht eine sogenannte Gewaltschutzverfügung und ein Annäherungsverbot. Sie wurde zudem in einer geschützten Wohnung untergebracht.

In seiner Eröffnungserklärung sagte der Verteidiger weiter, aus seiner Sicht werde die Verhandlung „nicht ergeben, dass er die Frau aufgrund ihres Geschlechts angriff“. Der Begriff Femizid treffe nicht zu in diesem Fall. Für den Prozess gegen den seit der Tat inhaftierten Angeklagten sind bislang sieben weitere Verhandlungstage bis zum 26. Februar terminiert. ■