Hertha-Kolumne

Hertha BSC: Tennisbälle bedrohen die geilste Zweite Liga aller Zeiten

Ein Spielabbruch durch die Protestaktionen würde das Bundesliga-Unterhaus arg beschädigen.

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Beim Hertha-Spiel in Fürth regnete es Tennisbälle, der Fürther Keeper Jonas Urbig kickte sie weg.
Beim Hertha-Spiel in Fürth regnete es Tennisbälle, der Fürther Keeper Jonas Urbig kickte sie weg.Daniel Karmann/dpa

Torsten Mattuschka, bekannt als „Tusche“, gilt als einer der größten Fußball-Götter an der Alten Försterei in Köpenick. Und wenn solch ein Protagonist sein Urteil abgibt, besitzt das ein besonderes Gewicht. Tusche sagte vor Monaten über die zweithöchste deutsche Spielklasse: „Den Spruch, dass es die geilste Zweite Liga aller Zeiten ist, gibt es ja jedes Jahr. Nur jetzt stimmt er auch!“

Mattuschka weiß genau, wovon er spricht, denn der 43-Jährige ist als meinungsstarker Sky-Experte in den Stadien der Zweiten Bundesliga unterwegs. Seine Aussage kann auch ich nur bestätigen. Diese Liga boomt und bezieht ihre Anziehungskraft auch aus der permanenten Unberechenbarkeit der oft gleichwertigen Rivalen. Auf Spiele wetten sollte man lieber nicht, man könnte viel Geld verlieren.

Unberechenbarkeit der Liga hat auch Hertha BSC schon in beide Richtungen erlebt

Da bezwingt etwa der zuerst belächelte, aber schnell aufmüpfige Aufsteiger SV Wehen Wiesbaden gleich zweimal den Erstliga-Absteiger Hertha BSC. Der stolze Hamburger SV, der seit 2018 im sechsten Anlauf um den Aufstieg kämpft, unterlag gerade zweimal in Folge im heimischen Volksparkstadion jeweils spektakulär mit 3:4 gegen den Karlsruher SC und danach gegen Hannover 96. Das kostete nun Cheftrainer Tim Walter seinen Job. Kuriose Resultate nach aufsehenerregenden Duellen mit Toren am Fließband wie das 6:4 des 1. FC Magdeburg gegen Hertha BSC oder ein 5:3 von Fortuna Düsseldorf gegen Schalke 04 sind an der Tagesordnung.

Zuschauerkrösus Schalke – im Schnitt kamen bislang 61.470 Fans zu den Heimspielen – wurde vor Saisonbeginn in einer Umfrage mit 66,6 Prozent der Stimmen als erster Anwärter auf den direkten Wiederaufstieg genannt. Herthas einstiger Erzrivale aber dümpelt auf Rang 14 und besitzt nur zwei Zähler Abstand zum ersten Abstiegsplatz.

TV-Experte Torsten Mattuschka und Hertha-Trainer Pal Dardai im Mikrofon-Duell.
TV-Experte Torsten Mattuschka und Hertha-Trainer Pal Dardai im Mikrofon-Duell.Andreas Gora/Imago

„In dieser verrückten Liga kann der Letzte auch den Tabellenführer schlagen. Das bringt ungeheure Spannung“, sagt Theo Gries. Mit 67 Treffern in 148 Einsätzen ist Gries Herthas Rekordtorschütze in Liga Zwei und wird dies hoffentlich noch sehr lange bleiben. Der einstige Publikumsliebling mit eigenem Fanklub („HFC Theo Gries“) stand Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre mit seinem einsatz- und laufstarken Spiel auch für das damalige Image dieser Spielklasse als „Kampf-Liga“. Als er 1989 im Duell gegen Rot-Weiß Essen gar mit ausgekugelter Schulter durchspielte, schnellte er in der Beliebtheitsskala der Hertha-Fans nach ganz oben. Das Erscheinungsbild der Liga hat sich längst geändert. „Auch heute ist die Athletik in der Zweiten Liga sehr wichtig, aber die spielerischen Elemente sind größer als zu meinen Zeiten“, sagt der 63-jährige Gries. Der ehemalige Torjäger arbeitet seit vielen Jahren als Scout beim 1. FC Union.

Der Fan-Protest im Investorenstreit beeinflusst den Ausgang der Spiele

Im Moment gehört zur Zweiten Liga aber auch der aus meiner Sicht berechtigte Protest der Fans wegen des möglichen Einstiegs von Investoren durch die DFL. Nur über die Art und Weise der Unmutsbekundungen lässt sich streiten.

Alexander Zorniger, Cheftrainer der SpVgg Greuther Fürth, brachte die Lage nach dem jüngsten Duell gegen Hertha auf den Punkt: „Die DFL muss klar Stellung beziehen und den Arsch nicht ruhig halten!“ Fakt ist: So kann es nicht weitergehen. Durch das Werfen von Tennisbällen, wahlweise auch von Bananen und Karotten (Lebensmittel sollte man lieber an gemeinnützige Tafeln spenden, die Bedürftigen helfen!), steigt das Verletzungsrisiko für die Profis, der Spielrhythmus wird zerstört und das sogar oft zum Nachteil für die eigene Mannschaft. So geschehen beim 1:2 der Hertha gegen den HSV. Die DFL-Spitze muss sich schnellstens mit den führenden Fan-Vertreten zusammensetzen und eine vernünftige Lösung finden.

Die Liga geht ins letzte Drittel der Saison. Eine Beeinflussung von Auf- oder Abstieg wegen möglichen Spielabbrüchen nach Werfen von Tennisbällen oder alten Bananen darf es nicht geben. Dann wäre die „geilste Zweite Liga aller Zeiten“ arg beschädigt. ■