Nichts ist bei Hertha BSC nach dem Tod des jungen Präsidenten Kay Bernstein (43) mehr, wie es mal war. Der Schock sitzt bei allen noch tief. Mit viel Würde, aber noch mehr Tränen wurde der Boss der Herzen beim 2:2 gegen Düsseldorf in aller Stille im Olympiastadion verabschiedet. Die Gefühlswelten prallten aufeinander. Trauer auf der einen Seite und der Wille, irgendwie den Job zu machen und ein bisschen Freude aufkommen zu lassen, auf der anderen. Besonders Trainer Pal Dardai (47) stand in diesem Zwiespalt – der weiche und der harte Pal.
Der Job war erledigt. Nach dem Abpfiff des denkwürdigen Spiels ging Dardai mit den Spielern in die Ostkurve zu den Fans. Eben noch der Dirigent an der Seitenlinie, jetzt einfach nur Mensch, der den ganzen blau-weißen Blues in seiner Seele spürte. Dardai kamen die Tränen. In seinem Gesicht war der ganze Schmerz über den Tod Bernsteins zu sehen. Emotionsspieler Deyovaisio Zeefuik schaute seinem Coach mit einem überraschten Blick des Mitleids hinterher, als Dardai die Kurve wieder verließ.
Ja, Männer und der Chef dürfen auch mal weinen. Der Coach, der selbst schon so viele Schicksalsschläge in der eigenen Familie erleben musste, fand ganz schnell seine Fassung wieder und machte seine Arbeit – Interview beim TV-Sender Sky auf der Tartanbahn.
Pal Dardai: „Man muss Tränen zeigen“

Tapfer stand er wieder seinen Mann dort und erklärte völlig aufgeräumt: „Wir sind Menschen. Da darf man Tränen zeigen. Muss man sogar. Das muss raus. Die Sache tut richtig weh, aber man darf es nicht runterschlucken. Weil dann haben wir richtige Probleme.“
Dardai hat schon vieles bei Hertha erlebt, doch diese Aufgabe jetzt ist härter als jeder Abstiegskampf. Er musste und muss die Mannschaft wieder mental aufbauen, nicht nach einer Niederlage auf dem Rasen, sondern nach einem schmerzhaften Schicksalsschlag. „Das war nicht nur Pal. Ihr wisst, dass ich manchmal Sturkopf bin und nicht zuhöre. Aber ich bin ein professioneller Mensch und ich will nur gewinnen. Trauer ist Trauer, jeder ist ein einzelner Mensch. Ich habe Psychologen eingeschaltet. Ich habe alle um Rat gefragt, und dann haben wir sehr viel geredet“, sagte er über die Tage nach der Todesnachricht.
Dardai-Kritik an Kempf

Dann kam er erst mal zum Spiel: „Ich rede jetzt über das Sportliche: Die erste Halbzeit, da kann man ein Lehrbuch über Pressing schreiben. Das war gut. In der zweiten Halbzeit gab es zu viele Einladungen für den Gegner.“ Dabei kritisierte er Linksverteidiger Michal Karbownik und Derry Scherhant für ihre Defensivarbeit. Doch noch mehr bekam Innenverteidiger Marc Kempf, der zwei Elfer verursachte, ab: „Kempfi kann solche Fehler nicht machen in seinem Alter, mit seiner Erfahrung. Damit baust du den Gegner auf.“ Da war er wieder: Der harte Pal, der schonungslos die Schwächen benennt.
Doch gleich danach kam wieder der andere Pal: „Ich bin stolz auf meine Jungs, wie sie dieses Spiel gemeistert haben. Man kann sagen, dass die Woche für uns schwer war. Aber ich trenne das. Wir haben viele verletzte Spieler und dann hatten wir auch noch einen Virus in der Kabine. Auch mit diesen Bedingungen mussten wir kämpfen.“
Bernstein: Endgültiges Obduktionsergebnis in drei Wochen
Ja, Dardai trennt messerscharf. Erst nach seiner Analyse kam er auf Kay Bernstein zu sprechen: „Kay war ein Mensch, der nie gefragt hat, was gut für ihn ist. Er hat gefragt, was für Hertha gut ist. Ich kenne ihn rund 500 Tage und habe großen Respekt vor ihm. Für uns ist das schmerzhaft. Er war eine anfassbare Person. Er hat mit uns, der Mannschaft, gelebt. Wie oft habe ich ihm gesagt: Mach nicht zu viel.“