Die Hertha-Krise

Hertha BSC: Aufstieg? Es sieht nach Abstiegskampf aus, das sind die Gründe

Hertha legte in den vergangenen Wochen ein Absturz hin. Der Tiefpunkt war die Heimblamage gegen Münster. Daran liegt es wirklich.

Author - Wolfgang Heise
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Die Hertha-Krise hat seit Freitag einen Namen: 1:2 im Olympiastadion gegen Aufsteiger Preußen Münster.
Die Hertha-Krise hat seit Freitag einen Namen: 1:2 im Olympiastadion gegen Aufsteiger Preußen Münster.Imago Images/Koch

Schluss mit den Träumereien! Hertha BSC braucht in dieser Saison nicht mehr vom Aufstieg zu reden. Die Lage ist viel dramatischer. Die Blau-Weißen befinden sich seit dem 1:2 gegen Aufsteiger Preußen Münster im Abstiegskampf, auch wenn es noch acht Punkte Vorsprung auf die Kellerplätz sind. Das sind die Gründe für den Absturz.

Keine Kontinuität auf dem Trainerstuhl

Nach dem Bundesliga-Abstieg 2023 und dem gerade noch abgewendeten Finanzfiasko spielte Hertha mit einer Notmannschaft zum Saisonstart. Die Erfolge stellten sich erst langsam ein. Eher unerwartet hatte Hertha sogar eine Mini-Chance auf den sofortigen Wiederaufstieg. Die Erwartungen wurden Vereinsikone Pal Dardai zum Verhängnis. Hinter vorgehaltener Hand warnte er sogar vor einer sofortigen Bundesliga-Rückkehr. Er wollte eine junge Mannschaft geduldig aufbauen – mit kontrolliertem Umschaltfußball. Die Vereinsbosse wollten attraktiveren Fußball und gaben Dardai den Laufpass, die Kontinuität wurde auf dem Trainerstuhl durchbrochen.

Die Folge: Die Spieler mussten mal wieder – wie so oft in den vergangenen Jahren - unter Nachfolger Cristian Fiel umlernen auf Ballbesitzfußball. Fiel kann man da keinen Vorwurf machen. Das braucht einfach Zeit. Doch bisher wurde nicht der Nachweis erbracht, dass die Mannschaft konstant das Spiel machen kann. Die Katastrophen-Heimbilanz (2 Siege, 1 Remis, 5 Pleiten) belegt das.

Erfolgsduo Reese und Tabakovic gibt es nicht mehr

Hertha BSC hatte vergangene Saison riesiges Glück. In der Not wurde Stürmer Haris Tabakovic aus dem Hut gezaubert. Er wurde zum Volltreffer und Torschützenkönig der Zweiten Liga mit 22 Treffern. Tabakovic wurde zwölf Monate später verkauft, um die Vereinskasse aufzubessern. Die Blau-Weißen haben keinen echten Knipser mehr. Die Hoffnung beruhen nur auf Florian Niederlechner. Dazu verletzte sich der wichtigste Spieler im Sommer. Flügelflitzer Fabian Reese (13 Tore, 17 Vorbereitungen) versuchte vier Monate nach seiner Knöchel-OP im Juli sein Comeback mit Teileinsätzen, jetzt muss er sich wieder schonen.

Fabian Reese konnte nach seiner Knöchel-OP bisher nur drei Teileinsätze machen, jetzt muss er sich wieder schonen.
Fabian Reese konnte nach seiner Knöchel-OP bisher nur drei Teileinsätze machen, jetzt muss er sich wieder schonen.Imago Images/Koch

Trügerische Hoffnungen bei Hertha BSC

Wie oft hatte man diesen Satz in den vergangenen Wochen bei Hertha gehört: „Wenn dann alle Spieler wieder gesund sind, können wir vorne angreifen.“ Objektiv: Ja, Hertha hatte bisher viel Verletzungspech und Fiel musste immer wieder improvisieren. Die Dauerbaustelle defensives Mittelfeld wurde durch Diego Demme als Sechser stabil gemacht. Doch nur für sieben Spiele, da fiel dann Demme für acht Wochen aus. Ersatzmann Michal Karbownik verletzte sich dann auch.

Nach Demmes Comeback gingen jetzt aber drei Spiele verloren. Die Hoffnung auf die Rückkehr der verletzten Spieler sind gefährlich trügerisch. Da hat sich etwas in die Köpfe der Spieler eingeschlichen. Ein Schauen auf Morgen mit unangebrachter Selbstzufriedenheit, weil ja die Tabelle der Zweiten Liga so eng ist…

Herthas Maza ist noch längst nicht Marcelinho

Ja, dieses verdammte Verlassen auf andere Mitspieler. Vergangene Saison entschieden Reese und Tabakovic fast im Alleingang Spiele. Diese Saison ist für die Spieler Superjuwel Ibo Maza der Heilsbringer. Mit seinen tollen Tricks überrumpelt er oft die Gegner im Dribbling. Doch der Junge ist erst 19 Jahre alt, Fehler und Formschwankungen inklusive. Er ist noch lange kein Marcelinho. Symptomatisch war eine Szene in der Hinrunde beim 1:2 in Fürth. Pascal Klemens machte einen schlampigen Pass auf Maza. Da kann er vielleicht viermal noch etwas mit anfangen, beim fünften Mal verliert auch er den Ball. Mazas Ballverlust an der Mittellinie leitete das 1:1 für Fürth ein.

Zu viele Gegentore für Hertha BSC nach Standards

Es war schon vergangene Saison so und es hat sich nichts geändert. Es gibt einfach zu viele Gegentore nach Standards (11), denn Hertha hat eine Kopfballschwäche. Münsters 2:1 durch Torge Paetow belegte es noch mal eindeutig. Nach einer Freistoßflanke unterlief diesmal Jonjoe Kenny den Ball, Deyo Zeefuik kam auch nicht ran. Münster konnte köpfen und Pateow volley einschießen. Kapitän Toni Leistner (1,90 Meter groß) sagt: „Wir sind ein kleines Team, ich gucke schon immer nach dem größten Gegenspieler.”

Hertha hat mit den Innenverteidigern Linus Gechter (1,91 m) und John Antony Brooks noch zwei weitere Hünen, doch die sind verletzt. Zum Zeitpunkt des Gegentreffers waren Neben Leistner mit Marton Dardai (1,88 m) und Stürmer Smail Prevljak (1,87 m) nur noch zwei Spieler auf dem Platz, die größer als 1,85 Meter waren.

Formtief bei Cuisance

Der Franzose Michael Cuisance hatte einen Traumstart bei Hertha. War bester Spieler mit tollen Pässen, gutem Auge, fünf Toren und vier Vorbereitungen. Doch seit sechs Spielen geht nicht mehr viel bei dem offensiven Mittelfeldspieler, der jetzt als Rechtsaußen aushelfen muss. Sein Formtief gehört auch zur Hertha-Krise.

Zu viel Schongang von Fiel

Pal Dardai scheute sich nicht, Spieler öffentlich wegen Fehler zu kritisieren. Das wiederum brachte ihm Kritik ein. Doch anscheinend müssen die Profis nicht nur Zuckerbrot, sondern auch Peitsche nicht nur intern bekommen. Fiel hat einen anderen Stil. Er hält sich bisher mit öffentlicher Kritik einzelner Spieler zurück. Zum ersten Mal nannte er Youngster Pascal Klemens wegen seines Bocks beim 1:1-Ausgleich gegen Fürth. „Es macht mich wütend, weil es zu einfache Dinge sind. Dinge, die unfassbar weh tun", so der Coach. Vielleicht hilft das ja... 

Trainer Cristian Fiel wirkte zuletzt wegen der vielen Fehler seiner Spieler ratlos.
Trainer Cristian Fiel wirkte zuletzt wegen der vielen Fehler seiner Spieler ratlos.Imago Images/Hübner