In dieser Woche müssen alle Herthaner nochmal ganz tapfer sein, bevor die Rückrunde in Paderborn am Sonntag startet. Am Donnerstag jährt sich der Todestag vom jungen Präsidenten Kay Bernstein (43). Am 16. Januar 2024 verstarb Bernstein völlig unerwartet und der Verein stand wochenlang unter Schock. Die Fans hatten so viele Hoffnungen mit Kay aus der Kurve, dem ehemaligen Vorsänger der Ultras, verknüpft. Was ist ein Jahr später aus den Visionen geworden?
Hertha Fan-Boom geht weiter
Bernstein träumte von einem sympathischen, fannahen Klub, bei dem alle gemeinsam für den Verein kämpfen, der im Sommer 2023 kurz vor dem finanziellen Fiasko war. Das ist bis jetzt hervorragend gelungen. Die Mitgliederzahlen steigen weiter. Jetzt sind es knapp 60.000, als Bernstein im Sommer 2022 wurde, waren es 41.000. Das Olympiastadion ist in der Zweiten Liga sehr gut gefüllt – besser als in der Bundesliga. 48.244 Fans kamen in der Hinrunde, das ist Platz 9 unter den 36 Bundesliga- und Zweitligsklubs.
Kein DFL-Investor
Bernstein war Gegner des DFL-Investoren-Deals. Er starb während der bundesweiten Fan-Proteste in Stadien. Im Februar knickte die Fußballzentrale in Frankfurt ein und ließ den geplanten Deal platzen. Es war der Druck der Fans, aber auch der Druck des Bundeskartellamts, das den umstritten Deal mit einer zweifelhaften Abstimmung überprüfen wollte. Weniger Kommerz, mehr Fankultur. Bernstein hätte sich gefreut.
Kein Einfluss des Hertha-Investors mehr
Der verstorbene Präsident machte nie einen Hehl daraus, dass er am liebsten keinen Investor beim Verein hätte. Doch die Kröte musste er schlucken. Nachdem Skandal-Investor Lars Wndhorst kaufte im Februar 2023 das US-Finanz-Unternehmen 777 Partners die Anteile der Hertha KGaA. Mit Diplomatie gab es eine Zusammenarbeit. Doch die ist längst eingeschlafen. 777 Partners ist in Finanznöten und hat bei Hertha BSC keinen Einfluss mehr. Manche Dinge erledigen sich von selbst. Oder doch nicht? 777 Partners wird die Hertha-Anteile an den nächsten Geldgeber verkaufen. Wie dann die Konstellation aussieht, ist völlig offen.
Gemeinsam, aber ohne Pal Dardai

Nach dem Bundesliga-Abstieg 2023 gab es eine enorme Aufbruchstimmung im Klub. Da gab es schon ganz andere Hertha-Zeiten. Bernstein appellierte immer wieder daran, dass man es nur gemeinsam schaffen kann. Dazu gehörte auch Vereinsikone Pal Dardai, der Feuer und Flamme war, als Trainer eine neue junge Mannschaft („Berliner Weg“) in der Zweiten Liga aufzubauen. Für den Ungarn war es ein Projekt über mehrere Jahre und er forderte Geduld ein. Die hatten andere im Verein nicht, Dardai musste nach Mittelfeldplatz 11 am Saisonende gehen. Die Kontinuität auf dem Trainerstuhl wurde gebrochen. Und das ist kein Vorwurf an Nachfolger Cristian Fiel.
Sanierung weiter erfolgreich
Bernstein war ein Fußballromantiker, aber bestimmt kein Träumer. Die katastrophale wirtschaftliche Lage nach den Verschwenderjahren von 2019 bis 2022 hatte der Präsident immer im Blick und sagte offen und ehrlich: „Hertha ist auf der Intensivstation!“ Die hat der Verein nach Bernsteins Tod aber verlassen. Der knallharte Sparkurs wirkt. Im nächsten Jahr könnte es endlich wieder einen ausgeglichenen Haushalt geben. Das ist das interne Ziel.
Aufstieg wird schwer
Ohne große Summen doch den Aufstieg schaffen. Geht das? Kurz vor seinem Tod sagte Bernstein: „Wenn wir sportlich den Aufstieg diese Saison erreichen, sehr gerne, aber nicht um jeden Preis. Drei neue Spieler würden die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass wir aufsteigen. Dafür müssten wir aber zehn Millionen Euro bei einer Bank neu beleihen. Wir wollen lieber nachhaltig die Strukturen festigen und im zweiten Jahr aufsteigen.“ 2025 war das angepeilte Aufstiegsjahr. Ist das noch möglich?
Die gefühlte Stimmung und die objektiven Zahlen erleben gerade einen Widerspruch. Vergangenes Jahr war die Aufstiegshoffnung zwar größer, aber auch der Punkte-Abstand auf Platz 2. Hertha hatte als Hinrundensiebter acht Zähler Rückstand auf den Tabellenzweiten, jetzt sind als Zwölfter nur sieben Punkte aufzuholen. Die Zweite Liga ist unberechenbar. Und vielleicht schafft Hertha gerade dann doch noch die Rückkehr in die Bundesliga, wenn keiner mehr damit rechnet. Kay Bernstein würde im Fußballhimmel zufrieden lächeln ... ■