Am 1:4 gegen den Greifswalder FC hatte der BFC Dynamo schon gehörig zu knabbern. Trainer Dennis Kutrieb (45) fing mit der psychologischen Aufbereitung gleich nach dem Schlusspfiff an und sagte da schon mit Blick auf den Sonnabend (14 Uhr, MDR) beim Chemnitzer FC: „Bis dahin haben wir einige Kranke und Angeschlagene zurück, das wird ein ganz anderes Spiel.“ Ein ganz besonderes wird es auf jeden Fall – für Udo Gans (52).
Für den Torwarttrainer der Weinrot-Weißen wird’s emotional: „Das ist mein Heimatverein.“ Auch wenn der zu Zeiten, als Gans mit dem Fußball begann, noch FC Karl-Marx-Stadt hieß: „Das ist so, ich bin ja auch nicht in Chemnitz geboren, sondern in Karl-Marx-Stadt. Das ist eine historische Tatsache.“
Mit Bayreuth ging’s hoch in die 3. Liga
So richtig lange war Gans aber gar nicht bei den immer schon Himmelblauen: „Ich habe auf Kleinfeld angefangen. Als dann die Umstellung auf Großfeld kam, hieß es beim FCK, so wurde ja damals gesiebt: ‚Der Gans ist zu klein.‘ Ab da habe ich bei Motor Fritz Heckert weitergemacht.“

Gleich nach der Wende ging’s für den Mann mit dem markanten Zöpfchen nach Bayern, wo er später in Fürth die Trainer-Laufbahn einschlug und danach u.a. mit Bayreuth 2022 in die 3. Liga aufstieg. Nach fünf Jahren bei der SpVgg heuerte Gans als Co-Trainer beim SC Eltersdorf in der Bayernliga Nord an. Im Sommer 2024 ergab sich die Chance, zum BFC zu wechseln. Gans ergriff sie mit Freude: „Ich wollte immer was im Osten machen.“
Für Dynamo fährt Gans meilenweit
Und für diesen Traum nimmt er auch mehrmals die Woche knapp 400 Kilometer hin und zurück in der Bahn auf sich, denn seinen privaten Mittelpunkt mit Lebensgefährtin, inzwischen erwachsener Tochter und Hauptjob hat er weiter in Franken: „Mit dem Sprinter bin ich in zweieinhalb Stunden von Nürnberg in Südkreuz, dann ab in die Ringbahn. Diesen Stress nehme ich gern auf mich, das habe ich ja gewusst, als ich unterschrieben habe. Ich würde das auch gern in der nächsten Saison machen und habe meine Entscheidung noch keine Sekunde bereut.“

Nicht nur, weil Udo im Sportforum „herzlich aufgenommen“ wurde und sich bei Dynamo „sehr, sehr wohlfühlt“. Da ist mehr: „Wenn man sieht, welche Klubs in der Regionalliga Nordost spielen, dann hat das schon ein bisschen was von DDR-Oberliga. Da bin ich Fußball-Romantiker. Das macht alles für mich noch viel besser und spannender.“
Spezielles Ding mit Bodo Rudwaleit
Dass Gans jetzt ausgerechnet bei Dynamo ist, entlockt ihm selbst ein Schmunzeln. Denn er hat das mitunter doch sehr spezielle Verhältnis von Sachsen und Berlinern vorm Mauerfall noch live erlebt: „Das war damals schon einigermaßen verrückt. Mein Vater war durch und durch FCK, da musste ich Dynamo hassen, schon familiär bedingt. Die größte Reizfigur war Bodo Rudwaleit, oh Mann, was dem alles an den Kopf geworfen wurde … Aber bei allem Mielke, aller Stasi und so: Fußballspielen musste der BFC schon alleine – und das hat er ziemlich gut gemacht. Das ist schon ein cooler Verein.“
Und das mit Torwart-Riese Rudwaleit (1,98 m) ist auch längst geradegerückt. Gans (1,83 m): „Bodo war mal mit der Traditionsmannschaft bei einem Spiel von uns, da habe ich ganz ehrfürchtig vor ihm gestanden.“
90 Minuten zählt nur Weinrot-Weiß

Der Auftritt am Sonnabend beim CFC wird für Dynamos Torwartcoach aber nicht nur eine Reise in die alte Heimat („Zuletzt war ich mit Bayreuth vor drei Jahren da“), sondern auch eine in die Vergangenheit. Gans: „Ein Großteil der Familie lebt inzwischen in NRW, in Chemnitz habe ich keine Verwandtschaft mehr, aber noch ein paar gute Freunde. Mal sehen, ob sie es ins Stadion schaffen. Wenn es die Zeit zulässt, will ich auf jeden Fall zu der Stelle, wo mein leider viel zu früh verstorbener Vater begraben ist. Das ist mir wichtig.“
Wichtig wären natürlich auch drei Punkte für den BFC. Dass das beim Tabellennachbarn alles andere als einfach wird, weiß auch Gans. Aber zumindest für die 90 Minuten am Sonnabend schlägt sein Herz einzig und allein für Weinrot-Weiß. ■