TV-Legende der DDR

Helga „Häppchen“ Piur: Zum 80. lehnte sie ein unverschämtes ARD-Angebot ab

Mit der Rolle als „Häppchen“ in der Zahnarztserie „Zahn um Zahn“ wurde Helga Piur zum Star. Für die Zuschauer ist sie bis heute „Häppchen“ geblieben.

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Victoria "Häppchen" Happmeyer (Helga Piur) mit ihrem Chef Dr. Alexander Wittkugel  (Alfred Struwe) in der DDR-Serie Zahn um Zahn.
Victoria "Häppchen" Happmeyer (Helga Piur) mit ihrem Chef Dr. Alexander Wittkugel (Alfred Struwe) in der DDR-Serie Zahn um Zahn.Fernsehen der DDR/MDR

Mit der TV-Serie „Zahn um Zahn“ wurde Helga Piur (86) in der DDR zum Fernsehliebling. Doch mit der Wende ging es ihr wie nicht wenigen Schauspielern aus der DDR. Es fehlte die Lobby, die Angebote für Film und Fernsehen wurden immer weniger. Wikipedia vermerkt als letzten Eintrag des Fernsehfilm „Das Weibernest“ aus dem Jahre 2001. Vor 24 (!) Jahren. Als ihr dann vor einigen Jahren die ARD ein unverschämtes Angebot machte, reagierte sie harsch.

Helga Piur ist für viele einfach „Häppchen“. Die Rolle der Sprechstundenhilfe Victoria Happmeyer, genannt „Häppchen“, machte sie in der DDR zum Star. Charmant, witzig, schlagfertig bietet sie in der Zahnarzt-Serie „Zahn um Zahn“ ihrem Chef, dem Zahnarzt Dr. Alexander Wittkugel (Alfred Struwe), Paroli. Häppchen hält den Laden diplomatisch am Laufen, wenn der temperamentvolle Doktor mal wieder in ein Fettnäpfchen tritt.

Helga Piur: Einmal Häppchen, immer Häppchen

„Häppchen“ wurde zur Rolle ihre Lebens. Ihre 2009 erschienene Autobiografie trägt den Namen „Ein Häppchen von mir: Erinnerungen“. Über 300 Rollen hat die Piur in Film, Fernsehen und im Radio gespielt. „Doch ,Häppchen' ist die bedeutendste Rolle meines Lebens, weil ich darin so viel Herzlichkeit zeigen konnte“, erzählte die Schauspielerin vor einigen Jahren in einem KURIER-Interview. „Ich freue mich, wenn man mich auf der Straße noch immer mit Häppchen anspricht.“

„Zahn und Zahn“ (1985 bis 1988) war eine der erfolgreichsten Fernsehserien der DDR-Geschichte. Ursprünglich nur auf sieben Folgen angelegt, wurden rasch zwei weitere Staffeln angefordert. 21 Folgen gibt es, die bis heute immer wieder mal im Fernsehen gezeigt werden. Selbst im Westen liefen sie schon vor der Wende auf RTL. Und so durfte auch Helga Piur damals die Bundesrepublik besuchen. „Für Presse-Termine durften wir damals nach Köln.“ Ob sie daran dachte, im Westen zu bleiben? „Nie. Das wäre Verrat an meinem Publikum gewesen.“

Gedreht wurde in den Adlershofer Fernsehstudios. Die erste Staffel spielte in einer Zahnarztpraxis, die weiteren Staffeln in einer Poliklinik. Immer das Herz der Serie: Helga Piur als „Häppchen“. Mal organisiert die Sprechstundenhilfe einen Party für den Chef (Folge 8: „Der neue Start“), mal revoltiert sie, als sie ohne Absprache kurzfristig versetzt wird (Folge 10: „Weiberflucht“).

Schon früh weiß Helga Piur, dass sie auf die Bühne will. 1939 als jüngstes von sechs Kindern in Berlin geboren, hat sie ihre ersten großen Auftritte mit zwölf Jahren. Sie wird Mitglied im Rundfunk-Kinderchor. Sie beschließt Sängerin und später Schauspielerin zu werden – besucht aber erstmal die Handelsschule und wird mit 17 Jahren Sekretärin im Berliner Dietz Verlag.

Helga Piur: Warum das ARD-Angebot ablehnte

Doch der Wunsch, die Bühnen zu erobern, bleibt. Auch als mehrmals ihre Bewerbungen an der Schauspielschule scheitern. Helga Piur zeigt sich hartnäckig. Neben ihrer Arbeit als Sekretärin nimmt sie abends Unterricht bei dem Schauspieler Eduard von Winterstein, der ihr Dozenten für Literaturgeschichte, Sprecherziehung und Bewegungsunterricht vermittelt.

Durch Wintersteins Empfehlungen wird das Fernsehen auf sie aufmerksam. Erste Rollen bekommt die 20-Jährige in Kinder- und Jugendsendungen wie „Bahnhof Puppenstadt“ und „Treff mit Petra“. Dann kommt die DEFA, die Helga Piur für den Liebesfilm „Wo der Zug nicht lange hält“ (1960) engagiert.

Immer elegant, immer fröhlich: Helga Piur im Garten ihres Hauses.
Immer elegant, immer fröhlich: Helga Piur im Garten ihres Hauses.Thomas Uhlemann

Dutzende Filme folgen, aber Fernsehliebling wird die Piur erst als „Häppchen“. Auch nach 1989 scheint die Schauspielerin weiter auf einer Welle des Erfolgs zu schwimmen. 1990 wird noch im DDR-Fernsehen „Klein, aber Charlotte“ ausgetrahlt, die siebenteilige Nachfolgeserie von „Zahn um Zahn“. In der DDR-Zirkusserie „Aerolina“ (1991) ist sie in einer Hauptrolle zu sehen, 1995 besetzt sie DDR-Kultregisseur Heiner Carow als die gute Seele der „Kanzlei Bürger“ in der gleichnamigen ARD-Anwaltsserie.

Danach lassen die Rollenangebote nach. Helga Piur ist 20 Jahre als „Frau Holle“ in der Weihnachts-Fernsehsendung „Fröhliche Weihnachten mit Frank Schöbel“ im MDR zu sehen, schreibt eine Autobiographie, geht auf Lesereisen.

„Ich bin für Rollen bereit“, sagte sie in dem KURIER-Interview vor ein paar Jahren. Ein Rosamunde-Pilcher-Film würde sie mal reizen, erklärte sie uns damals. Hauptsache eine Rolle mit viel Herz. Passiert ist leider wenig. Zu ihrem 80. Geburtstag wollte ihr die Produktionfirma der ARD-Serie „In aller Freundschaft“ eine Gastrolle schenken.

„Weihnachten mit Familie“: Zusammen mit Frank Schöbel und Dominique Lacasa stand Helga Piur (li.) 2011 auf der Bühne des Friedrichstadt-Palastes.
„Weihnachten mit Familie“: Zusammen mit Frank Schöbel und Dominique Lacasa stand Helga Piur (li.) 2011 auf der Bühne des Friedrichstadt-Palastes.pop-eye/imago

Doch Helga Piur sagte entrüstet ab, als sie die Details hörte. „Ich dachte, für mich ist eine Episoden-Hauptrolle vorgesehen“, sagte sie damals zu BILD. „Laut Drehbuch sollte ich dann aber eine Blumenverkäuferin spielen – mit drei Sätzen Text.“ Das kam für die heute 86-Jährige nicht infrage: „Immer wieder habe ich mich gefragt, ob ich mit dieser Komparsen-Rolle in Erinnerung meiner immer noch zahlreichen Fans bleiben möchte ... Nein! Daher musste ich mich dagegen entscheiden.“