Auch wenn er mit seinem Rauschebart immer wie ein Märchenerzähler aussah: Dass sich der Philosoph und Kapitalismuskritiker Karl Marx wirklich ein Märchen ausgedacht hat, wissen nicht viele. Karl Marx war nicht nur Mitautor von „Manifest der kommunistischen Partei“ und „Das Kapital“, seiner Fantasie entsprang auch die Geschichte „Hans Röckle und der Teufel“. 1974 wurde das Märchen von der DEFA verfilmt, am Sonntag läuft der Film ab 16.45 Uhr im MDR.
Das Jahr 1853. Karl Marx befindet sich gerade in den Vorarbeiten zu seinem späteren Klassiker „Das Kapital“. Nachmittags aber braucht er etwas Ablenkung – und erzählt seinen Töchtern Jenny und Laura bei Spaziergängen die Geschichte des Puppenspielers Hans Röckle, der nie Geld in der Tasche hat und sich deshalb auf einen Pakt mit dem Teufel einlässt. Aufgeschrieben hat Karl Marx dieses Märchen nie. Dass es die Zeiten überdauert hat, verdanken wir seiner jüngsten Tochter Eleanor, in deren Aufzeichnungen das Märchen später weiterlebte.
Karl Marx: Ein Märchen von arm und reich
Karl Marx ist natürlich Karl Marx. Und so geht es in seiner Erzählung auch um arm und reich, „Das Kapital“ schimmert hier in einer kindlich erzählten Form durch. Der Puppenspieler und Erfinder Hans Röckle lässt sich mit dem Teufel Flammfuß ein. Röckle überschreibt dem Teufel seine Seele – dafür erhält er Zauberkraft, um alles das zu erfinden, was er sich vorstellen kann.
Er will seinen Freunden helfen, seinem Dorf. Doch bald muss Hans Röckle feststellen, dass die Erfindungen anders wirken als erhofft. Die Reichen profitieren und die Armen werden noch ärmer. Für die mittellose Näherin Luisa zaubert er einen Nähkasten herbei, der von selbst Kleidung näht. Das klappt zwar. Aber als ihr gieriger Dienstherr merkt, dass sie schneller näht als ihre Kolleginnen, will er allen Näherinnen weniger Lohn zahlen.
So geht das mit jeder Erfindung. Also beschließt Röckle, nicht mehr zu zaubern. Problem: der Deal mit dem Teufel. Laut dem Pakt muss er regelmäßig neue Dinge erschaffen. Sobald er innerhalb von siebenmal sieben Stunden nichts Neues mehr erschafft, darf sich Flammfuß seine Seele holen. Böser Kapitalismus pur. Wie das Märchen ausgeht, kann man in der DEFA-Verfilmung aus dem Jahre 1974 sehen.
Grundlage für die Film ist das Märchen von Karl Marx – in der Überarbeitung von Ilse und Vilmos Korn. Wer in der DDR zur Schule ging, kennt das Ehepaar aus der Schulliteratur, der von ihnen geschriebenen Karl-Marx-Biografie „Mohr und die Raben von London“ (1962). Schon in diesem Buch tauchte das Märchen von Hans Röckle episodenhaft auf. Sechs Jahre später erschien „Hans Röckle und der Teufel“ als eigenständiges Buch (1968).
Und noch mal sechs Jahre danach wurden aus dem Märchen von Karl Marx bewegte Bilder. Gedreht wurde der 78-minütige Film im Harz (Wernigerode, Quedlinburg), die Handlung wurde aber mehr einem klassischen Gebrüder-Grimm-Märchen angepasst. Es ist auf einmal nicht mehr die Rede davon, dass die Handlung wie bei Karl Marx eigentlich im Industriezeitalter spielt.

Die Filmkritik lobte dann auch das „pädagogische Einfühlungsvermögen“ von Regisseur Hans Katzert („Ottokar der Weltverbesserer“, „Tecumseh“), der die Fabel Gut gegen Böse nicht vordergründig werden ließ. Bis 1990 gut beschäftigt, endete die Karriere des talentierten DDR-Regisseurs aber mit der Wende. 1990 arbeitete er noch einmal als Regieassistent für der TV-Serie „Luv und Lee“ – dann war Schluss. Mit der Abwicklung der DEFA wurde Kratzert gekündigt. Zunächst arbeitslos, drehte er später für kleine Filmfirmen Dokumentar- und Videofilme. Kratzert starb am 15. August 2023 im Alter von 83 Jahren in Falkensee bei Berlin.
„Hans Röckle und der Teufel“: Das wurde aus den Stars
Gelobt wurde damals auch die glanzvolle Besetzung der DEFA-Verfilmung. Mit Rolf Hoppe, Peter Aust, Herbert Köfer und Simone von Zglinicki.
Rolf Hoppe spielte den Puppenspieler Hans Röckle. Die Karriere von Hoppe war damals gerade am Durchstarten. Kurz zuvor hatte er in „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ einen großen Auftritt, mit „Mephisto“ wurde er acht Jahre später zum international gefragten Star. Der auch nach der Wende sich die Rollen aussuchen konnte – in „Schtonk!“ (1992), „Alles auf Zucker!“ (2004) und vielen TV-Produktionen („Tatort“). Seine letzte Rolle spielte er 2017 im „Spreewaldkrimi: Zwischen Tod und Leben“, im November 2018 starb er im Alter von 87 Jahren.
Von seiner Rolle als Teufel Flammfuß schwärmte Peter Aust später, er erzählte, dass sie ihm am meisten Spaß bereitet hätte. Der gelernte Maurer studierte Anfang der 60er Jahre an der staatlichen Schauspielschule in Berlin, machte sich dann am Deutschen Theater und am Berliner Ensemble einen Namen. Ab Ende der 60er kamen die ersten Filme („Die Toten bleiben jung“, „Anflug Alpha 1“) dazu.
Mit der Hauptrolle in „Hans Röckle und der Teufel“ spielte Aust sich ins Rampenlicht. Regisseure wie Lothar Warnecke („Die unverbesserliche Barbara“) und Heiner Carow („Ikarus“) engagierten ihn. Doch 1981 war schon wieder Schluss – in der DDR. Peter Aust ging nach West-Berlin, spielte am Schiller-Theater, in mehreren „Tatort“-Folgen und synchronisierte Rutger Hauer, Michael Piccoli und Patrick Stewart.
Doch im Alter von gerade mal 56 Jahren starb Peter Aust am 26. Januar 1996 an den Folgen einer Hüft-Operation.
Für einen Jungstar begann mit dem Märchen die Karriere
Für Herbert Köfer war die Rolle des gierigen Textilfabrikanten Reichenbach eine von vielen – von mehr als 300 Film- und Fernsehproduktionen. 1921 in Berlin geboren, stand er schon 1940 am Stadttheater in Brieg (Schlesien) auf der Bühne. Mit Filmen wie „Nackt unter Wölfen“, „Rentner haben niemals Zeit“, „Geschichten übern Gartenzaun“ wurde Köfer einer der größten Film- und Fernsehstars der DDR. Der aber auch sichtbar Spaß an einem Unsympathen wie Reichenbach hatte.
Bis ins hohe Alter war die Legende auf den Bühnen zu Hause. Im Theater und im Film. Noch im September 2020 stand Köfer für die ARD-Reihe „Polizeihauptmeister Krause“ vor der Kamera. Der Film wurde zu Ehren seines 100. Geburtstags am 5. Februar 2021 ausgestrahlt. Fünf Monate, am 24. Juli, später starb Herbert Köfer in Berlin.

Für Simone von Zglinicki begann die Karriere im Jahr 1974. Gleich drei große Rollen durfte der Jungstar in ihrem Debütjahr übernehmen. In „Für die Liebe noch zu mager?“, „Liebe mit 16“ – und eben als Näherin Luise in „Hans Röckle und der Teufel“. 1974 schloss sie auch die Theaterhochschule in Leipzig ab und wurde vom Deutschen Theater in Berlin engagiert. Später feierte sie dann Erfolge in DEFA-Klassikern wie „Ottokar der Weltverbesserer“, „Märkische Forschungen“ und „Sabine Kleist, 7 Jahre ...“.