Familien-Tragödie

„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“: Das tragische Ende des DDR-Stars

DEFA-Schauspielerin Carola Braunbock war die beste böse Stiefmutter aller Zeiten. Am 4. Juli  jährte sich ihr Todestag zum 47. Mal. KURIER machte sich auf Spurensuche in Berlin.

Author - Stefan Henseke
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Die beste böse Stiefmutter (Carola Braunbock): Hier macht sich mit ihrer Tochter Dorchen auf dem Weg zum König.
Die beste böse Stiefmutter (Carola Braunbock): Hier macht sich mit ihrer Tochter Dorchen auf dem Weg zum König.DEFA-Stiftung/Jaromir Komárek

 „Du faulenzt ja schon wieder, aufkehren sollst du!“: Wer den legendären Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ gesehen hat, vergisst diese Stimme nie. Herrisch, laut, mit bösem Unterton. Die Berliner Schauspielerin Carola Braunbock spielte in dem Filmklassiker von 1973 die böse Stiefmutter. In der erfolgreichsten Märchen-Filmproduktion des Ostens. Bis heute läuft Aschenbrödel regelmäßig zu Weihnachten im Fernsehen. Nur eine ist fast wieder vergessen: Carola Braunbock, die mit diesen Film ihren internationalen Durchbruch feierte. Doch wie schon ihr Mann starb auch sie viel zu früh, nur fünf Jahre nach den Dreharbeiten.

Wir machen uns auf Spurensuche. Die Schauspielerin versteckt sich damals nicht hinter ihrem Promi-Status. In einem alten Telefonbuch aus dem Jahre 1977 finden wir ihren Eintrag. Jeder durfte wissen, wo man sie wohnt. Braunbock-Schmidt, Carola. 1195 Berlin, Köpenicker Landstraße 117.

Carola Braunbock: Acht Monate nach der Hochzeit stirbt ihr Mann

Anders als viele ihrer DDR-Kollegen wohnt sie nicht in einer schmucken Eigenheimsiedlung am Stadtrand, sondern in einem eher schmucklosen Wohnblock aus den 30er-Jahren in Berlin-Plänterwald, direkt an einer Hauptstraße. Auf der Straße wird sie oft erkannt, Autogramme gibt sie gerne.

In der Köpenicker Landstraße 117: Hier wohnte Carola Braunbock, wie ein Telefonbucheintrag von 1977 zeigt.
In der Köpenicker Landstraße 117: Hier wohnte Carola Braunbock, wie ein Telefonbucheintrag von 1977 zeigt.Stefan Henseke, repro

Die Schauspielerin, die laut Ausweis Carola Schmidt-Braunbock heißt, wechselt fürs Telefonbuch die Reihenfolge ihrer Nachnamen. Wohl damit sie nicht unter den vielen Schmidts verloren geht – und weil man sie als Schauspielerin sowieso nur unter dem Namen Carola Braunbock kennt. Dass sie (mal) verheiratet war, wissen damals die wenigsten. Das interessiert zu dieser Zeit aber auch kaum jemanden.

Den Schauspieler Johannes Schmidt heiratet die am 9. Januar 1924 als Karoline-Josefa Emilia Braunbock in Wscherau (heute Tschechien) geborene Böhmin im August 1953, vier Monate nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes. Doch das gemeinsame Familienglück zerbricht viel zu schnell – schon acht Monate nach ihrer Hochzeit stirbt ihr Mann. Braunbock heiratet nie wieder, der Sohn wächst ohne Vater auf.

Wirklich alt wird in der Familie Schmidt-Braunbock niemand. Ihr Sohn stirbt 2020 im Alter von 67 Jahren nach schwerer Krankheit. Auch Carola Braunbock wird nur 54 Jahre alt. Der verdammte Krebs ist es bei ihr. Gerade in dem Moment, als ihre Filmkarriere richtig Fahrt aufnimmt. Am Freitag jährt sich ihr Todestag (4. Juli 1978) zum 47. Mal.

Begraben liegt die große Schauspielerin auf dem Französischen Friedhof I in der Chausseestraße 127 in Berlin-Mitte. In prominenter Nachbarschaft: Gleich nebenan sind die Gräber der Schauspielerinnen Jenny Gröllmann und Käthe Reichel, von Komiker Rolf Herricht. Ein schöner Zufall: Carola Braunbock liegt fast Rücken an Rücken mit Bertolt Brecht und Helene Weigel – die nur durch eine Mauer getrennt, auf der anderen Seite, auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, ihre letzte Ruhestätte fanden.

Schmucklos ist der Grabstein: „In Gedenken Carola Schmidt-Braunbock“ steht darauf.
Schmucklos ist der Grabstein: „In Gedenken Carola Schmidt-Braunbock“ steht darauf.Stefan Henseke

Brecht und Weigel sind die Wegbereiter für die Karriere der Braunbock. Im August 1949 hat die damals 25-Jährige ein Vorsprechen bei den beiden Legenden des neuen deutschen Theaters. Vom Fleck weg wird sie engagiert und Mitglied des Berliner Ensembles. Brecht besetzt sie als als eine der vier verschmähten Verlobten in „Herr Puntila und sein Knecht Matti“. Der West-Berliner Theaterkritiker Friedrich Luft lobt die vier jungen Schauspielerinnen: „Angelika Hurwicz, Regine Lutz, Eleonore Zetzsche, Carola Braunbock – jede ausgezeichnet und mit klugen Eigenarten ausgestattet“, wie die 3hfa-Fanseite auflistet.

Carola Braunbock: „Mir nach, Canaillen!“ spielte sie neben Manfred Krug

Carola Braunbock steht in „Mutter Courage und ihre Kinder“ auf der Bühne, in „Die Mutter“ und in „Der kaukasische Kreisdekreis“. Auch im Deutschen Theater („Woyzeck“) ist sie zu sehen. Schnell werden Film und Fernsehen auf die talentierte Schauspielerin aufmerksam. In Wolfgang Staudtes „Der Untertan“ (1951) spielt sie die Emmi Heßling, sie ist in „Kein Ärger mit Cleopatra“ (1960) zu sehen, im Mantel-und-Degen-Film „Mir nach, Canaillen!“ (1964) mit Manfred Krug und viermal im „Polizeiruf 110“.

Die Stiefmutter (Carola Braunbock) und Tochter Dorchen (Daniela Hlavácová) schmieden böse Pläne gegen das Aschenbrödel.
Die Stiefmutter (Carola Braunbock) und Tochter Dorchen (Daniela Hlavácová) schmieden böse Pläne gegen das Aschenbrödel.DEFA-Stiftung/Jaromir Komárek

Doch ihre größte Filmrolle ist wohl die der bösen Stiefmutter in der tschechischen Aschenputtel-Version „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, eine Koproduktion der DEFA mit den Barrandov-Studio in Prag. Das Märchen feiert am 10. März 1974 im Kino Babylon in Berlin-Mitte seine DDR-Premiere. „Dadurch ist sie international bekanntgeworden“, erinnert sich der damalige Regieassistent Peter Bohnenstengel in einer MDR-Doku an Carola Braunbock.

Vor dem Königspaar wird gebuckelt: die Stiefmutter (Carola Braunbock) mit ihrer Tochter Dorchen.
Vor dem Königspaar wird gebuckelt: die Stiefmutter (Carola Braunbock) mit ihrer Tochter Dorchen.DEFA-Stiftung/Jaromir Komárek

Für ihn ist sie neben dem Aschenbrödel die prägendste Figur in dem Märchenfilm. „Sie passte sehr gut zu der Stieftocher“, sagt Bohnenstengel. „Die beiden haben eine Mutter-Tochter-Beziehung abgegeben, die sehr stimmig sein konnte, weil sie optisch ein bisschen gleich waren.“

Monströse, übergroße Hüte: Carola Braunbock prägt die Optik des Films

Hochgewickelte Haare, strenger Blick, voluminöse Kleider mit Puffärmeln, monströse, übergroße Hüte: Carola Braunbock prägt die Optik des Films. Einer der Hüte sah aus wie eine Mischung aus Zeltdach und Regenschirm. „Fledermaus haben wir dazu gesagt“, erzählt der tschechische Aschenbrödel-Regisseur Václav Vorlicek in der MDR-Doku. „Der Maskenbilder rief dann immer: Nimm die Fledermaus und setze sie ihr auf den Kopf.“

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DEFA
Die DVD „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“
Den Märchenklassiker (84 Minuten) gibt es als DVD in der Filmjuwelen-Reihe der DEFA. Zum Bonusmaterial gehört ein 32-seitiges Booklet und ein Audiokommentar. Dazu kommen „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel – Live in Concert“, die DEFA-Trickfilme „Hirsch Heinrich“ und „Die Weihnachtsgans Auguste“ sowie Erinnerungen mit Rolf Hoppe.

Carola Braunbock ist in dem Film unübersehbar. Und unüberhörbar. Als Aschenbrödels Vater stirbt, reißt die Stiefmutter den Guthof an sich und tyrannisiert lautstark, gemeinsam mit ihrer leiblichen Töchter Dorchen (Dana Hlavácová), das Aschenbrödel (Libuse Safránková). Sie behandeln sie wie eine Magd. Doch eines Tages besucht das Königspaar (Rolf Hoppe und Karin Lesch) auf Durchreise auf das Gut, die Stiefmutter und Dorchen werden auf den Hofball eingeladen, der Prinz (Pavel Trávnicek) kommt ins Spiel – und das Märchen nimmt seinen Lauf ...