Berühmter Jugendfilm

DDR-Kult „Sieben Sommersprossen“: Für Nackt-Szenen gab's doppelt Gage!

Der Liebesfilm war in der DDR Kult, gilt als einer der freizügigsten Streifen der DEFA. Im KURIER erinnert sich der Hauptdarsteller an die Dreharbeiten.

Author - Florian Thalmann
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Diesen Film wollte in der DDR einfach jeder sehen: „Sieben Sommersprossen“ wurde auch aufgrund der Nackt-Szenen zum DEFA-Hit. Harald Rathmann übernahm in dem Streifen die Hauptrolle von Robert, auch Robbi genannt.
Diesen Film wollte in der DDR einfach jeder sehen: „Sieben Sommersprossen“ wurde auch aufgrund der Nackt-Szenen zum DEFA-Hit. Harald Rathmann übernahm in dem Streifen die Hauptrolle von Robert, auch Robbi genannt.Herbert Kroiss/DEFA-Stiftung, Veronika Hohenstein/Berliner KURIER

Im Jahr 1978 kam in der DDR ein Film in die Kinos, der Geschichte schrieb: „Sieben Sommersprossen“ drehte sich um die Romanze zweier Jugendlicher, Robert und Karoline. Zum Hit wurde er auch, weil die Zuschauer zum ersten Mal junge Menschen nackt und beim Liebesspiel bestaunen konnten. Zur Langen Nacht der Museen wird der Film am Samstag (30. August) im DDR Museum in der Karl-Liebknecht-Straße gezeigt, lässt die Besucher in Erinnerungen schwelgen. Aber: Wie war es damals? Keiner weiß das besser als Harald Rathmann: Der heute 64-Jährige aus Berlin spielte den jungen Robbi, wurde zum Schwarm vieler Mädchen. Hätten Sie ihn erkannt?

Regisseur suchte für „Sieben Sommersprossen“ an der Oberschule nach Darstellern

Er wurde aus der Schule geholt, war ein Jahr später nackt auf den Kinoleinwänden der DDR zu sehen – und wurde über Nacht zum Jugend-Star des Ostens: Harald Rathmann. Viele waren verliebt in den Berliner, als er 1978 als Robert in „Sieben Sommersprossen“ zu sehen war. Heute ist das Haar kürzer, doch das verschmitzte Lächeln ist geblieben. Rathmann ist 64 Jahre alt – der Platz in der Filmhistorie der DDR gehört ihm für die Ewigkeit. „Dass man selbst zu einem Teil der Geschichte geworden ist – das wird einem erst später bewusst“, sagt er und lächelt.

Der DDR-Film „Sieben Sommersprossen“ ist Kult - auch, weil er zu den freizügigsten Filmen zählt, die von der DEFA jemals gemacht wurden.
Der DDR-Film „Sieben Sommersprossen“ ist Kult - auch, weil er zu den freizügigsten Filmen zählt, die von der DEFA jemals gemacht wurden.DEFA/Youtube

Die Geschichte, wie Rathmann zu seiner berühmten Rolle kam, erzählt er noch heute gern. Er war damals 15 Jahre alt, besuchte die Oberschule. „Eines Tages kamen während des Unterrichts – wir hatten gerade Musik – mehrere Männer in den Klassenraum“, erzählt er. „Sie ließen alle Jungs aufstehen und gingen durch die Reihen.“ Einer der Männer blieb direkt vor ihm stehen. „Plötzlich zeigte er auf mich und sagte: Der kommt mit raus.“ Sofort schlich sich die Angst ein. „Die sahen aus wie von der Polizei.“

Was er nicht wusste: Der Mann, der vor ihm stand, war Herrmann Zschoche, ein Regisseur, der schon mehrere DDR-Filme gemacht hatte. Und der nun Jugendliche für „Sieben Sommersprossen“ suchte. Rathmann wurde für ein Vorsprechen an eine Schule in Adlershof eingeladen. „Dort musste ich in ein Chemiezimmer. Vorn standen zwei Mädels. Dann sagte Zschoche: Die eine ist deine Freundin, mit der willst du aber nicht mehr zusammen sein. Aber die daneben, die willst du. Und jetzt mach‘ was draus!“ Rathmann spielte. „Ich schwitzte Blut und Wasser!“

Auch in populären Zeitschriften wurde zu DDR-Zeiten umfangreich über „Sieben Sommersprossen“ berichtet. Harald Rathmann hat einige Erinnerungen an die wilde Zeit aufgehoben.
Auch in populären Zeitschriften wurde zu DDR-Zeiten umfangreich über „Sieben Sommersprossen“ berichtet. Harald Rathmann hat einige Erinnerungen an die wilde Zeit aufgehoben.Veronika Hohenstein/Berliner KURIER

Tage später der Anruf: Probeaufnahmen in einem alten Kino in Köpenick. Hier standen Verse aus „Romeo und Julia“ von William Shakespeare und Texte aus „Sieben Sommersprossen“ auf dem Programm. „Der Liebe leichte Schwingen trugen mich; kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren“, sagt Rathmann, der Text sitzt noch heute, hat sich eingebrannt. Nicht nur bei Rathmann, sondern auch bei vielen andere Menschen aus der DDR. „Sieben Sommersprossen“ gehört zu den erfolgreichsten Filmen der DEFA – allein nach dem Start im Oktober sahen mehr als 1,2 Millionen Kinobesucher die Romanze, nur im Jahr 1978!

Die Story: Die Jugendlichen Robert und Karoline treffen sich in einem Ferienlager – nicht zum ersten Mal, denn sie kennen sich bereits. Die schon verflossene Liebe der beiden blüht erneut auf. Doch sie müssen mit schwierigen Umständen kämpfen: Die Lagerdirektorin unterstützt die Liebe zwischen den jungen Menschen nicht – und eine eifersüchtige Nebenbuhlerin, die scharf auf „Robbi“ ist, will die beiden auseinanderbringen. Dazwischen will ein Betreuer mit den Jugendlichen „Romeo und Julia“ aufführen. Gewinnen am Ende die Regeln – oder siegt die Liebe?

Mit FKK aufgewachsen: Nacktszenen in „Sieben Sommersprossen“ waren kein Problem

Nach den Probeaufnahmen fiel die Wahl auf Rathmann. Regisseur und Kameramann kamen zu ihm nach Hause, legten ihm und seinen Eltern das Drehbuch vor. „Mein Vater schlug es auf – und landete natürlich direkt bei den Nacktszenen“, sagt er. Berührungsängste gab es aber keine, auch nicht bei ihm selbst. „Ich hatte gar keine Probleme, in der DDR ist man ja mit FKK groß geworden.“ Die besonderen Szenen machten den Film zum Kult: In einer Sequenz hauen Robert und Karoline aus dem Ferienlager ab, baden nackt im Fluss, laufen verliebt über die Wiesen, wie Gott sie schuf. Und auch an die Liebesszene im Gras dürften sich viele noch erinnern.

Hätten Sie ihn erkannt? Harald Rathmann spielte im Film Sieben Sommersprossen den jungen Robert, wurde damit über Nacht zum Jugend-Star der DDR.
Hätten Sie ihn erkannt? Harald Rathmann spielte im Film Sieben Sommersprossen den jungen Robert, wurde damit über Nacht zum Jugend-Star der DDR.Veronika Hohenstein/Berliner KURIER

Gedreht wurde der Film in den Sommerferien 1977. Die Darsteller, zehn Jungs und zehn Mädchen, wurden mit einem Bus nach Kehrigk bei Storkow gebracht. „Im Tanzsaal eines Landgasthofs waren zwei Zimmer mit Doppelstockbetten aufgebaut, dort schliefen die Jungs.“ DieMädchen waren im eigentlichen Gebäude untergebracht, die Betreuer dazwischen. Die jungen Nachwuchsschauspieler lebten dort von Montag bis Freitag, fuhren von der Unterkunft jeden Tag zum Dreh, nur am Wochenende ging es heim. Gedreht wurden zuerst die harmlosen Szenen, damit die Darsteller nach und nach an die Arbeit vor der Kamera herangeführt werden konnten. Bis dann irgendwann die Nacktszenen entstanden.

Als die Nackt-Szenen entstanden, wurde der Drehstab plötzlich größer

„Kurioserweise war der Drehstab auf einmal relativ groß“, erinnert sich Rathmann. „Mich hat das nicht gestört, ich hatte eben einfach nischt an.“ Bei der Liebesszene wurde es dann nochmal ernst. „Wir waren verklemmt ohne Ende!“ Regisseur Zschoche leitete ihn an. Pikant: Zu dem Zeitpunkt wurde in der Nähe des Drehorts am Ufer der Spree eine Brücke gebaut. „Im Gras lag eine Kompanie Soldaten“, sagt Rathmann und lacht. Sie guckten zu, als die Schauspieler nackt über die Wiesen liefen. Als Robbi seine Karoline (Kareen Schröter) durch die Landschaft trug.

Das Drehbuch zum Film „Sieben Sommersprossen“ hat Harald Rathmann aufgehoben - und hütet es noch heute.
Das Drehbuch zum Film „Sieben Sommersprossen“ hat Harald Rathmann aufgehoben - und hütet es noch heute.Veronika Hohenstein/Berliner KURIER

„Das waren auch nicht nur zwei Meter, ich musste richtig Strecke machen!“ Dazu kamen die Mücken. „Kareen ist völlig zerstochen worden.“ Während ihn die Nacktheit vollkommen kalt ließ, war es für die zwei Jahre jüngere Schauspiel-Kollegin nicht so einfach. Doch gemeinsam überstanden sie den Drehtag. Der Einsatz lohnte sich: Für die pikanten Sequenzen gab es nicht nur, wie üblich, 56 Mark pro Arbeitstag, sondern die doppelte Gage. Rathmann investierte das Honorar für den Film – insgesamt rund 4000 Mark – später übrigens in ein Motorrad.

Dass der Film ein großer Erfolg werden könnte – daran glaubte niemand. Nach der Premiere, bei dem Freunde Rathmann liebevoll den „Pullerzeiger“ nannten, wurde „Sieben Sommersprossen“ zum Selbstläufer. Und Rathmann zum Jugend-Star der DDR. „Ich wurde sogar in der U-Bahn erkannt“, sagt er. An der Premierentour durfte er aber nicht teilnehmen, weil er gerade seine Ausbildung begonnen hatte – und auch nach Cannes durfte das Team trotz Einladung nicht. Trotzdem wurde der Film zum Hit – und auch Rathmann mag ihn noch heute. „Ich liebe diesen Film, heute mehr als früher. Es ist einfach ein Stück meines Lebens – und ich möchte ihn nicht missen.“

Im DDR-Film Sieben Sommersprossen mit Karoline (Kareen Schröter) und Robert (Harald Rathmann) wird auch William Shakespeares Romeo und Julia auf die Bühne gebracht.
Im DDR-Film Sieben Sommersprossen mit Karoline (Kareen Schröter) und Robert (Harald Rathmann) wird auch William Shakespeares Romeo und Julia auf die Bühne gebracht.Herbert Kroiss/DEFA-Stiftung

Im DDR Museum Berlin wird der Film „Sieben Sommersprossen“ am Wochenende gezeigt

Zur Langen Nacht der Museen – sie beschäftigt sich dieses Jahr mit dem Thema Liebe – wird „Sieben Sommersprossen“ wieder gezeigt: Im Konferenzraum des DDR Museum Berlin (Sankt Wolfgang-Straße 2, 10787 Berlin) wird er am Samstag um 23 Uhr und im DDR-Museum selbst um 20 und um 23 Uhr vorgeführt (Infos unter www.ddr-museum.de). Und Rathmann? Der hat ihn selbst zum letzten Mal im vergangenen Jahr gesehen, verrät er. Und zwar zusammen mit seinen Enkelkindern. „Aber als die Nacktszenen kamen“, sagt er und lächelt, „da habe ich sie abgelenkt.“